Der Weg zur karolingischen Rüstung – Teil I – Zwei Testamente
Meine private Näherei einer weiteren Tunika, von Kleid und Unterkleid hat mich dazu gebracht, mir auch einige Gedanken zur Rüstung der schweren karolingischen Reiterei, bzw. Panzerreiter zu machen. Schon zuvor möchte ich klarstellen, dass ich mich dabei nicht wirklich mit dem Schuppenpanzer auseinandersetzen werde, sondern recht koservativ bleibe. Warum dem so ist werde ich wahrscheinlich noch einmal gesondert behandeln.
Das Testament des Eberhard von Friaul (+866)
Eine der interessantesten Quellen, die wir über die militärische Ausrüstung eines Adeligen haben, der von seinem Stand und den finanziellen Möglichkeiten als Panzerreiter definiert werden könnte, ist das Testament des Eberhard von Friaul.
Eberhard aus dem Geschlecht der Unrouchinger wurde um 810 geboren und heiratete Gisela, die Tochter Ludwigs des Frommen. Er gründete die Abtei Cysoing, wo er und Gisela beigesetzt wurden und wo sich auch das Testament erhalten hat.
Das reiche Erbe, unter anderem Bücher, kirchliches Gerät usw. bedenkt auch die Söhne mit Eberhards Militaria. Mit seiner Ernennung zum Markgrafen von Friaul (829) erhielt Eberhard auch Istrien, Karantanien und Krain mit Liburnien. Er hatte also Besitzungen in direktem Kontakt mit Byzanz. Ob sich dies in irgendeiner Weise auf die vererbten Gegenstände niederschlägt, sei dahingestellt.
Sein Erstgeborener Unrouch III. erhielt unter anderem eine Spatha mit goldenen Griffen und einem goldenen Knauf hat, einer Scheide aus Gold und Edelsteinen, und einem Schwertgurt aus Gold und Edelsteinen, Sporen aus Gold und Edelsteine und eine andere Spatha. Eine Brünne (Brunam), ein Helm (Helmum) und einen Armschutz (manicam) sowie zwei Beinschienen (Bembergas).
Sein zweiter Berengar, der später als Berengar I König von Italien und Kaiser werden sollte, erhielt zwei Spatha, eine mit silbernen und goldenen Griff, das einfachere aus aus Silber und Gold, zwei Schwertgurte mit Gold mit Edelsteinen, eine Brünne (Brunam), ein Helm (Helmum), einen Armschutz (manicam).
Der Dritte, Adalhard, der zu diesem Zeitpunkt wohl bereits Laienabt von Cysoing war, bekam 2 Spatha, eine mit elfenbeinfarbenen und goldenem Griff, das andere ähnlich gefertigt, einen Schwertgurt mit Elfenbein und Gold sowie einen weiteren aus einfachem Gold, eine Brünne (Brunam) und ein Helm (Helmum) mit Nackenschutz (Hasbergha), einen Armschutz (manicam), und zwei Beinschienen (bemberga).
Der jüngste Rudolph, ebenfalls Abt von Cysoing und zusätzlich Saint-Vaast erhielt drei Spatha, einen Schwertgurt, eine Brünne (Brunam) und einen Armschutz (manicam)
Das Testament des Ekkard von Macon (+877)
Ein zweites Testament, stammt von Ekkard von Macon, aus einem Nebenzweig der Karolinger, der auf einen Bruder Karl Martells zurückzuführen ist. Ekkard war Graf von Macon, Autun und Chalon, doch blieb er geschichtlich eher für eine Revolte gegen Karl den Kahlen in Erinnerung an, der er 858 beteiligt war und deren Ziel es war, Karl den Kahlen als Westfränkischen Herrscher durch Ludwig den Deutschen zu ersetzen.
Leider ist das Testament Ekkards nicht ganz so schön gegliedert wie das Testament von Eberhard. Auch unterscheidet sich in einigen Punkten, da Ekkard auch Pferde und Schilde vererbt, dafür aber keinen Helm. Ekkard hatte keine Kinder, weshalb er Verwandte mit der Erbschaft bedenkt. Leider ist nicht bekannt, welchen Stand diese Personen hatten, etwa ob sie Laienabt oder ähnliches waren. Er schrieb unter anderem:
Gebt Rotardo meine Brünne (brunia) mit mit Nackenschutz (alsberge),
Doch schon der zweite relevante Vermerk ist in verschiedene Richtungen zu lesen. In zivilen Kontext könnte man lesen:
Otgario erhält einen Armreif (brancale), goldene Hosen (bragaria aurea zu bracae – Hose ) und den besseren Pelz/ die bessere Haut. (et pellicia meliora, vgl zum deutschen Pelle wie in Wurstpelle 😉 )
in Militärischem Kontext jedoch:
Otgario erhält einen Armschutz (brancale) und einen goldenen Beinschutz (bragaria aurea zu bracharia – Klammern ) und die bessere Textilpanzerung (et pellicia meliora, hierauf komme ich noch zu sprechen!)
Gautberto soll einen Schild (scuto) mit Lanze (lancea) und Sax (saxia) mit Armschutz (wanto, zu warito -Krieger ) und ein Pferd erhalten.
Zu den vererbten Gegenständen:
Wie bereits erwähnt, enthält das Testament eine Reihe vererbter Militaria. Bis auf eine Ausnahme werden bei Eberhard fränkische Worte dafür verwendet, wobei diese dialektisch gefärbt scheinen. Begriffe wie galea oder cassis für Helm, oder thorax und lorica für Panzer sucht man vergebens. Wie gesagt, mit einer etwas seltsamen Ausnahme bei Eberhard.Obwohl zeitlich ähnlich, werden im Testament von Ekkard andere Begriffe benutzt. Grund hierfür könnte der angesprochenen Unterschied der Lokalität der beiden Personen sein.
brunam bzw brünne:
Brünne wird mittlerweile in aller Regel als Ringpanzer, also Kettenhemd verstanden, die alte Deutung als Schuppenpanzer ist hinfällig.1 Dies wird auch aus Vergleichen geschlossen. So verwendet die Lex Wisigothorum sowohl das germanische brunya als auch das byzantinisch-griechische zava/zaba für denselben Gegenstand. Die zava/zaba wiederum ist gesichert als Ringepanzer/Kettenhemd zu verstehen2.
Das es sich bei der Brünne um ein Kettenhemd handeln sollte zeigt sich auch im Vergleich mit anderen Sprachen. So im altenglischen byrne, die allgemein ein recht kurzes, ärmelloses Kettenhemd bezeichnet.
helmum
helmum bedarf im Grunde keiner weiteren Erleuterung. Es bedeutet Helm. Wahrscheinlich ist jedoch das an diesem fest ein Kettengeflecht angebracht war. Zumindest deutet das das Fundgut an das wir aus dem 7. Jahrhundert und früher kennen.
bemberga, Beinberge, bragaria
Beinschienen, über diese und deren Probleme schrieb ich hier schon einmal gesondert.
Hasbergha bzw. Halsberge
Bei der erwähnten Halsberge entsteht schon ein kleines Problem. Gerne wird sie als Kettenkragen verstanden und der Kragen des Kettenhemd des heiligen Wenzels als Beispiel angeführt. Neuere Forschungen an diesem Hemd und Kragen zeigen jedoch das beides wohl anders zusammengehört als gedacht (dazu in einem der folgenden Teile mehr).
Im lateinischen Originaltext lesen wir den Abschnitt “et helmum cum hasbergha”. Der Helm steht also in direkter Verbindung mit der Halsberge. Hals kann aber auch im Sinne von Nacken verstanden werden. Man zieht daher Parallelen zu einem Nackenschutz wie dem von Ultuna oder vermutet einen einfacheren Lederschutz im Nacken. Als Argument dafür würde auch gelten das dritte Sohn diesen ominöse Helm erhielt. Andererseits ist in Ekkards Testament von einer Brünne mit Halsberge zu lesen. Da hier kein Helm erwähnt wird, scheint es eher eine separate Haube gewesen zu sein oder eben doch ein Kettenkragen. Vielleicht aber auch etwas anderes.
Ich tendiere eher dazu unter der Halsberge, wie sie in den Testamenten erwähnt wird, entweder eine Filz- oder Polsterhaube zu verstehen, die unter dem Helm getragen wurde und mindestens bis auf den Nacken reichte oder aber in einem Kragen auslief. Denn die beste, am Helm montierte Kette, die im Nacken hängt, bringt wenig, wenn sie dort frei baumelt und ich einen Schlag in den Nacken bekomme und kein Dämpfungselement zwischen Kette und Hals/Nacken vorhanden ist . In Byzanz ist dieses Kleidungstück zu jener Zeit als Kamelaukion bekannt, die zum Beispiel auch eine mit Pendilien behängte Kronhaube bezeichnen kann.
Ein weiteres Argument für eine Form der Polsterrüstung ist die weitere Entwicklung des Begriffs der Halsberge3
manicam bzw. manica/ wanto und brancale
Und jetzt haben wir dieses eine lateinische Wort, das ich recht allgemein als Armschutz übersetzt habe, das aber Mütherich als “Blechhandschuhe” bezeichnete. Coupland lehnt dies ab4 , was in dem Begriff der manicae begründet ist.
Zwar könnte man manicae auch als Handschuhe verstehen (manus= die Hand), im klassischen lateinischen Kontext sind manicae aber die gepolsterten Armschienen einen Gladiators, die auch von der römischen Armee in Metallform adaptiert wurden und auf Abbildungen zu sehen sind. Sie sind aus einigen wenigen Funden bekannt, jedoch gibt es keine offizielle Anweisung, dass diese getragen werden sollten.
brancale, auch brachiale, brachile kann als Armreif und Armschutz übersetzt werden, aber da es sich in einer Liste mit den bracaria befindet, die als Beinschienen zu deuten sind ist der Armreif wahrscheinlich eher als Hand/-Armschutz zu verstehen. Auch befinden wir uns in einer Auflistung der zu vererbenden Militaria und es sollte verwundern, wenn sich hier Zivilkleidung einschlich.
pellicia meliora
Diese Wort bereitet mir die meisten Kopfschmerzen. Zwar setzt sich Simon Coupland in “Arms and Armor in the ninth century” mit dem Testament Ekkards auseinander, jedoch umschifft er diesen Begriff.
Wörtlich übersetzt heißt es “der bessere Pelz” oder die “bessere Haut”, demnach muss aber auch eine Schlechtere gegeben haben, die im Text jedoch nicht erwähnt wird. Vielleicht weil sie selbstverständlich war, oder Bestandteil eines anderen Gegenstandes.
pellicia bedeutet heute im Italienischen Pelzmantel. Pellicia wurde aber auch für “Buhler” (wie in Nebenbuhler, Liebhaber) verwendet. Alles steht aber in seiner Bedeutung nahe zusammen. Der Liebhaber steht einer Person nahe, der Pelz hat dichtere (engere) Haare als ein Fell und auch eine Haut ist enganliegend, wenn man so will.
Das Wort kommt jedoch auch bei kirchlichen Gewändern vor: Absalon , Bischof von Lund +1201) , vermacht seinem Kaplan ein “superpelliceum cum pellicia de marturibus”, wobei das superpelliceum ein weitärmliges Untergewand der liturgischen Kleidung gewesen sein soll5, heutiges Wort ist der Chorrock, und Durandus von Mende (+1296) erklärt die Herkunft des Wortes superpalliceum, daher da man es über (super) einer “Pelztunika” (tunika pelliceas), wobei es sich auch um eine gefütterte Tunika handeln kann, getragen habe. Die tunika pelliceas war Hoch- und Spätmittelalter eine Tunika die im Winter von den Chorherren und Priestern unter dem Chorrock getragen um sie vor der Kälte in der ungeheizten Kirche zu schützen.
tunica pellicea nostra dagegen ist eine Umschreibung der menschlichen Haut. Das Wörterbuch des Deutsche Wortschatz setzt das Wort anhand des “Regensburger Mischglossars” mit dem althochdeutschen “lidiriunu” (ledern) gleich.
Ich könnte jetzt noch eine weile so weitermachen, etwa , das der Topos der “pelle” (latein für Fell) für die Kriegskleidung der Germanen verwendet wurde und auch der Grund für das Klischee des fellbehangenen Germanen oder Flokati-Wikis ist6.
Letztendlich kommen wir aber darauf hinaus, dass Ekkard Otgario eine enganliegendes, pelziges, ledernes, oder gepolstertes Gewand hat zukommen lassen.Es könnte eine Pelzjacke/ Pelztunika gewesen sein, aber sie sollte in Verbindung mit Militaria zu verstehen sein. Ein Gewand, das besser war als die Anderen dieser Art, die er besaß. Und da sonst keines namentlich genannt ist, könnte es im Kontext mit der Brünne stehen die Rotardo erhielt. Demnach könnte Otgario so etwas wie einen Gambeson oder eine Subarmalis in sehr guter Qualität erhalten haben, da sein Bruder bereits das Kettenhemd (inkl. einfachem Gambeson) bekommen hatte! Wenn es sich um so etwas wie einen Gambeson oder Subarmalis gehandelt, sollte war diese wohl als Bestandteil der Brünne verstanden worden, was erklärt warum sie sonst nicht auftaucht, in diesem Fall aber erwähnt wurde.
Dazu ein kurzer Byzanz Exkurs:
In Byzanz wurde für ein Unterkleid unter dem Panzer Begriffe wie nevrikón, Kavadion , Kéntouklon /kéndoukla genutzt. Letzteres stammt von lateinischen centuculus (Filz/ Filzkleid)
Kavadion bezeichnete auch einen (Pelz-)Mantel den byzantinische Gesandte und Höflinge trugen.7 ( Übrigens “Bambakion” das man so gerne findet , auch in entsprechenden Shops die einen byzantinischen Gambeson verkaufen, bezeichnet nur die Baumwollfüllung! Ian Heath kam in Osprey Byzantine Armies 886-1118 mit dem Begriff auf. Eine Primärquelle dafür ist nicht aufzutun! ) Byzanz würde also eine ähnliche Begriffstruktur mit dem Pelzmantel verwenden wie die Franken.
Zwischenfazit:
Fassen wir einmal diese Ausstattung, soweit wie möglich, zusammen. Nach den vorangegangenen Überlegungen trug der schwere fränkische Soldat eine Art von gepolsterter Tunika, der Halsbereich wurde über eine separate gepolsterte Kappe/Kragen geschützt. Über der “Polstertunika” wurde eine Brünne/Kettenhemd getragen, auf dem Kopf saß ein Helm mit daran befestigter Helmbrünne. Die Arme und Beine wurden von einer zusätzlichen Panzerung unbekannter Form geschützt.
Auf einige einzelne Teile der Ausrüstung werde ich noch weiterführend eingehen.
K.DeVries, R.D. Smith, Medieval Military Technology S.63 ↩
T.G. Kolias Byzantinische Waffen S39 und Grotowski Costume and Armour of the Warrior Saints S155 ↩
vgl. Etymologisches Online Lexikon Link: hauberk | Search Online Etymology Dictionary (etymonline.com) ) Es entwickelt sich zu Hauberk, was Brünne ersetzt und zu Haubergeon, das die Polsterrüstung unter der Brünne bezeichnet. (( Die Bezeichnung von Haubergeon als kurzes Kettenhemd ist falsch! Zwar ist Haubergeon die Verkleinerung von Hauberk, jedoch ist “Kleiner Panzer” als Polster Panzer für darunter, mit weniger Schutzwirkung , also kleiner, als die Kette zu verstehen ↩
S. Coupland, Arms and Armor in the ninth century S42 ↩
J. Braun Die Liturgische Gewandung 136 ↩
vgl. Habitus barbarus: Fremdes Äußeres in spätantiken Schriftquellen ↩
nach T.G. Kolias, Byzantinische Waffen ↩
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