Nach dem Hiltibold und ich über die Avancen einer Werbeagentur schrieben, die an uns heran getragen wurden, hat auch Jan H. Sachers MA von blog.HistoFakt.de dazu geschrieben. Er hat sich dazu entschieden etwas über den Film zu schreiben und begründet dies. Ich kann seine Argumentation, die er als Handreichung versteht, durchaus nachvollziehen und habe dazu auch vor Ort kommentiert.
Um es kurz zu machen mein Aspekt in dieser Geschichte ist und war: Ich lasse mich nicht vor einen Werbekarren spannen und dazu stehe ich.
Um aber ganz sicher zu gehen nicht doch vielleicht den Guten etwas schlechtes nachzusagen fragte ich bei Philipp Böttcher nach was seiner Meinung nach hinter der Avance stehe. Philipp Böttcher ist selbst Betreiber der Agentur HausAmSee, zeichnet sich z.B. für den Congstar-Look verantwortlich und ganz zufällig waren wir mal in der selben Band…
Nach Philipps Meinung handelt es sich um den Versuch des Seedings, also der möglichst breit gefächerten Platzierung des Produktnamens oder Links bei „Influentials“ (in dem Fall Geschichtsblogger allgemein) die eine mögliche Zielgruppe (Fensehzuschauer mit einem gewissen Geschichtsinteresse) ansprechen. Dabei ist es vollkommen egal ob positiv oder negativ berichtet wird, wichtig ist nur die Nennung der Namen, bzw. der Links. Eine Spielart des Viralenmarketings.
Ich hatte etwas in dieser Art bereits vermutet und daher beim letzten mal schon keine Namen genannt.
Nun aber zur eigentlichen Problematik und dem Grund warum ich noch einmal darüber schreibe:
Jan betrachtete die Situation aus einer anderen Position. Wobei mir die offensichtliche Werbeofferte im Vordergrund steht, sieht Jan Möglichkeiten die ich durchaus nachvollziehen kann :
Aber: Wenn sich Historiker, Reenactor, Hobbyisten von vornherein jedem Dialog verweigern, wird sich nie etwas ändern. Man hat mich um meine Meinung gebeten, und die soll man bekommen. Ja, natürlich wäre es schön und sinnvoll, VOR Beginn der Dreharbeiten gefragt bzw. als Berater hinzugezogen zu werden, aber jeder (lange) Weg beginnt mit einem ersten Schritt …
Dieses Zitat und die Werbeavance bezogen sich auf einen Filmproduktion ohne geschichtlichen Anspruch, die meiner Auflassung nach eher dem Fantasy Genre zuzuordnen ist. Beraterfunktionen wären hierbei aber wahrscheinlich so sinnlos wie der Versuch Michael Bay den Sprengstoff und J.J. Abrams die Lensflair-Effekte wegzunehemen. Anders sieht es bei Produktionen mit echtem Anspruch aus.
Aber leider ist das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen…
Ich habe in persönlichen Gesprächen, Chats, Foren usw. erfahren wie die Produktionen in aller Regel abliefen, bzw. das Reenactor nicht mehr an diesen Teilnehmen würden, wozu ich hier nur einige wenige Beispiele geben möchte:
Aus Tempus Vivit (2007):
Ich bin gerade von den Dreharbeiten für eine Fernsehdokumentation für das ZDF zurück. Ich habe nach einem Tag abgebrochen, das dieses Machwerk in keinster Weise den belegten Gegebenheiten der karolingischen Zeit entspricht. Der Archeologe Herr [Name entfernt] war genauso geschockt, über das was die Regie für vorstellungen von Bekleidung und Sachkultur jener Zeit hat. So wurden die Darsteller zu großen Teil in Gewänder gesteckt, die sehr an einen sog. Mittelalter Markt erinnern. Von Hobbyisten geliehene und mitgerbrachte stimmige Gewänder wurden duchwegs als zu Bunt abgelehnt. Selbst Glasperlenketten wie sie in dieser Zeit häufig Belegt sind wurden als zu Farbig abgelehnt. Lieber hüllte man die Darsteller in Sackleinen. Männer sollten durchwegs lange Haare haben ( In Stuttgarter Psalter von 820 gibt es nur eine Abbildung eines langhaarigen Mannes). Ein orginalgetreuer Rundschild mit Zuckerhutschildbuckel und belegter Bemalung wurde auch als zu Farbig abgelehnt. (…)
Der geschätzte Lindy Beige hat in einem Youtube Video auch über die Erfahrung eines historischen Beraters berichtet:
Diese und andere Erfahrungen haben die Stimmung zwischen „Darstellern“ im Allgemeinen und den Filmemachern bereits vergiftet. Die Folge davon ist das qualitativ hochwertige „Darsteller“ sich nicht mehr bereit erklären in den Produktionen teilzunehmen, wenn sie den Produktionen nicht ohnehin als zu kostenintensiv erscheinen, und ihre Positionen mit qualitativ minderwertigen „Darstellern“ besetzten. Letztendlich zählt im Film „Ambiente“ und „Symboldarstellung“ mehr als die historische Korrektheit.
Hinzu kommt ein neuer Aspekt bei Produktionen wie ZDF-History, den das Feuilleton der Frankfurter Zeitung unter dem Titel „ZDF-Geschichtsfernsehen – Peinlichste Missgeschicke der History“ kürzlich einen Artikel widmete (online hier) und es unter anderem „Fernsehen für Zuschauer mit Aufmerksamkeitsdefizit“ bezeichnet.
Terra-X geht dagegen den Weg der „Promiisierung“, zunächst war es Maximilian Schell der Gesicht und Stimme der Imperiumsreihe gab, dann versuchte sich Hape Kerkeling am ZDF eigenen Geschichtsformat (ich schrieb dazu hier) um den Stab zur Zeit an Senta Berger weiter zureichen.
Zu allem Überfluss scheint sich aber auch noch Kostendruck in den Produktionen niederzuschlagen, denn mehr den je werden ältere Spielszenen bis zum Abwinken wiederverwendet, so verwendete beispielsweise die Knopp Produktion „Der Heilige Krieg auch Szenen aus „Die Deutschen“.
All diese Faktoren weisen auf eine Abwärtsspirale hin. Hinwendung zu prominenten Gesichtern als Testemonials die zu höheren Kosten führen und den Rückgriff auf Archivmaterial begünstigen, bzw. Großproduktionen ins kostengünstigere Ausland verlegt werden. Dies behindert wiederum die Verwendung von neuerem, möglicherweise akkuraterem Material. Reines Quotendenken in der Produktion mit möglichst reißerischer Darstellung begünstigt historisch unkorrekte Darstellung (Stichwort: Unterschichtenfernsehen ), obwohl dies bei den Privaten durch den Quotendruck bei Werbeeinnahmen zurückzuführen ist, dem öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht unterworfen sein sollten (Stichwort: Bildungsauftrag und ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice / GEZ ). Dies wiederum führt zur Verbannung von Kultur und Politik-Sendungen auf unattraktive Sendeplätze oder in die Spartenkanäle. Der Bildungsauftrag wird durch Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien über das Medium #Neuland Internet bewerkstelligt.
Ein weiter Aspekt liegt möglicherweise in der Wahrnehmung von Living History und Reenactment in der Bevölkerung, nicht nur bei den Filmemachern. Die optische Unterscheidung zwischen Spass-Mittelalter á la Mittelaltermarkt fällt dem ungeübten Betrachter eines Mittelaltermarktes ohne genauere Vorbildung schwer. Oftmals wird sogar, und das ist wieder das Problem des Fernsehens, Reenactment, Living History, experimentelle Archäologie, Mittelaltermarkt, LARP und SCA in einen Topf geworfen. Regisseure sind zwar zum Teil studierte Historiker, wie etwa bei „Die Deutschen“, dies bedeutet aber nicht das man sich auch mit angewandter Archäologie oder Kostümkunde auskennt.
Ich hatte dazu kürzlich ein Gespräch mit einem Mittelaltermarkt Enthusiasten. Meine Versuche den Unterschied zwischen meiner Kleidung und denen auf einem Mittelaltermarkt heraus zu arbeiten (Handnähte, belegte Schnitte und Nähte, z.T. handgewebt, pflanzlich gefärbt etc.) wurden entweder ignoriert oder mit „wir machen ja auch alles selber“ übergangen. Aber das möchte ich an dieser Stelle nicht ausweiten. Auf den ersten Blick scheint dies nichts mit Filmproduktionen zu tun zu haben, dennoch wir haben es hier auch mit Leuten zu tun die diese Dokumentationen verschlingen und gleichzeitig sie auch fördern und mit neuem „günstigem“ Darstellermaterial beliefern. Hier beißt sich die Dokuschlange selbst in den Schwanz, schafft und fördert sich sein eigenes Klientel.
Es gälte daher diese Abwärtsspirale zu durchbrechen. Wer aber soll den ersten Schritt machen?
Die Living History und Reenactment Enthusiasten haben sicherlich nicht die Möglichkeit sich alleine durchzusetzen. Für jeden historisch korrekten Darsteller stehen fünf weitere auf Mittelaltermarktnivau bereit um diesen kostengünstig zu ersetzten, geschweige denn man kann noch günstiger auf Archivmaterial zurückgreifen. Keine Produktion wird sich freiwillig das Gemecker über die Ausstattung von „Laiendarstellern“ anhören.
Größere Chancen hätten da das Fachpersonal das immer wieder in Interviewszenen auftaucht, wobei auch ihnen das Blaue vom Himmel herunter erzählt wird und auch hier die Möglichkeit des Austausches besteht.
Ein Totalboykott von Interviewpartnern und Darsteller um die Macher zu einer Veränderung zu bewegen halte ich daher für nicht möglich, genauso wenig wie ich eine Möglichkeit sehe in einer dieser Rollen von innen heraus etwas verändern zu können.
Auch das die eingesessenen Filmemacher, bzw. der Produktionsfirmen ohne Beeinflussung von Außen an ihren bewährten Konzepten etwas ändern würden kann ich mir nicht vorstellen. Zu bewährt ist das bisherige Konzept. Auch das sich die Sendeanstalten eines Besseren belehren lassen kann ich mir nicht vorstellen. (Thema: Thomas Waitz: „Unterschichtenfernsehen. Eine Regierungstechnologie“)
Eine Hoffnung bestünde wohl lediglich unbelasteten Produktionen. Ich denke hier vor allem an junge ambitionierte Filmemacher, die sich vielleicht noch im Studium befinden und etwas Neues ausprobieren möchten und dabei weg von den Klischees möchten. Im Bereich Dokumentationen kann man bei ZDF Neo hin und wieder einen Lichtblick erhaschen.
Solange bis dieser Umbruch stattfindet, und ich hoffe wirklich darauf, bleibt unser eins keine andere Möglichkeit als Briefe, Mails und Kommentare an die Verantwortlichen zu schreiben um wenigstens auf die Positionen aufmerksam zu machen. Wobei auch auf die zahlreiche Kritik im ZDF auf die Sendereihen „Die Deutschen“ und „Die Deutschen 2 “ keine Reaktion erfolgte. Die einzige Reaktion die ich feststellte war, das zu keinerlei Diskussionsrunde mehr im ZDF nach dem zweiten Teil kam.
Abschließende Bemerkung: Ursprünglich wollte ich ein positiveres Bild zeichnen. Nach aber fast 2 Wochen des Nachdenkens bin ich aber tatsächlich zu diesem pessimistischen Bild gekommen. Was die Werbeavance angeht werde ich unter Umständen nach der Ausstrahlung des Stücks darüber schreiben, im Vorfeld allerdings in keinster Weise eine Namensnennung durchführen!