Der Weg zur karolingischen Rüstung – Teil II – Die Brünne/Kette
Nach den einleitenden Testamenten, möchte ich mir noch einmal die aufgeführten Gegenstände näher ansehen. Zunächst einmal werde Kenntenhemd, der Brünne im Frühmittelalter befassen.
Brünnen, Kettenbrünnen, bzw Kettenhemden zu finden, die irgendwie karolingisch, fränkisch oder ins 9. Jahrhundert zu datieren sind, ist nicht wirklich leicht.
Einer anständigen Datierung stehen dabei einige Probleme im Weg. Fragmente aus unklaren Fundzusammenhängen lassen sich nicht oder kaum datieren. Und wie man an den Testamenten und der Vererbung von Kettenhemden von Eberhard und Friaul und Ekkard von Macon sehen kann, wurden die Rüstungsteile wohl schon mal mindestens über zwei Generationen genutzt und waren somit über eine längere Zeit in Benutzung.
Einige wenige Kettenhemden, bzw. Fragmente davon stammen aber dennoch möglicherweise aus dem 9. Jahrhundert, oder kurz davor oder danach. Dabei orientiere ich mich in weiten Teilen an den Angaben aus dem Buch “European Mail Armour” von Martijn A. Wijnhofen der im Appendix bergeweise Funde auflistet.
Der Fund aus Oldenburg/Starigard wird zwischen das 9. und 11. Jahrhundert datiert und besteht aus 5 kleineren Fragmenten. Das 4-in-1 Geflecht besteht aus genieteten und massiven Ringen, Drei Fragmente bestehen aus einer Kupferlegierung (Messing?) Außendurchmesser der Ringe: 6-11mm , aus 1mm starkem Draht mit ausgeprägten Rundnieten.
Gotland/Slite, wikingerzeitlich, 4-in-1 Geflecht aus Eisen und Kupferlegierung (wohl am Rand des Hemdes). Aussendurchmesser 8,8mm, 1mm Stärke, Rundnieten
Malaviberg/Schweden, wikingerzeitlich,16 Kettenringe , komplett vernietet. Aussendurchmesser 11 mm, 1,6mm stärke, Rundnieten (Frauenbegräbnis)
Gamla Uspala 2 (710-750), zusammenhängendes Fragment von ca. 60 Ringen, 4-in-1 Geflecht aus Eisen, alle genietet, Außendurchmesser 9,5 mm, Rundnieten
Rullstorf (700-750) 4-in-1 Geflecht aus Eisen, genietet (Aus einem Brandbegräbnis)1
Und natürlich: Das Kettenhemd des hl. Wenzel. (ca. 1 Hälfte 10. Jahrhundert bis 11. Jh.) Problem an diesem Stück ist die Datierung. Je nach Publikation, unabhängig davon wann sie veröffentlicht wurde, findet man eine späte Datierung (11. JH.) oder eine frühe (z.B. 1. Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts, z.B. in Europas Mitte um 1000), die damit, zumindest zeitlich gesehen, eigentlich noch spätkarolingisch wäre. Die aktuelle Forschungslage spricht sich klar für das frühere Datum aus.
Die Form des Hemdes lässt einen westlichen Herstellungsort vermuten, aber auch eine Herstellung durch geflohene Handwerker aus dem karolingischen geprägten Mährerreich, deren Reich im 1. Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts zerfiel, wird diskutiert.
Das eigentliche Hemd besteht aus einem 4-in-1 Geflecht aus genieteten und verschweißten Ringen, wobei ein genieteter Ringe in vier Verschweißte greift. Der Durchmesser der Ringe beträgt 6-7mm, bei einer Stärke von 0,75-0,8mm. Die Ringe sind also im Vergleich zu den vorher angeführten Fragmenten um einiges kleiner, das Geflecht dadurch enger und somit hochwertiger.
Da das Hemd heute auf einem Trägerstoff befestigt ist, lässt sich das genaue Gewicht schlecht bestimmen, jedoch ergaben Messungen vom Anfang des 20. Jahrhunderts ein Gewicht von 10,5kg. Die Länge beträgt etwa 106cm. Lose würde das Hemd bei mir mit 172cm auf den Knien enden. Mit entsprechender Polsterung unter dem Hemd, sowie einer Gürtung, wahrscheinlich etwa auf der Mitte bis Ende der Oberschenkel. Brustumfang ist 128cm, unterer Saum 174cm.
In seiner Form dehnt es sich zum Rocksaum glockenförmig aus, während die Ärmel gerade geschnitten sind.
Man kann des Öfteren von einer Schlitzung, sowohl vorne als auch hinten, lesen2 , doch dies ist nicht korrekt. Die Weitung des Kettenhemdes wird tatsächlich über drei Keile erzeugt. Eine Größerer vorne und zwei Kleinere auf dem Rücken, links und rechts der Mitte. Von den beiden Rückenkeilen ist jedoch einer zum größten Teil aus dem Hemd korrodiert, oder entfernt worden, wodurch der Eindruck einer Schlitzung entsteht.
Starke Beschädigungen, wohl durch Korrosion besitzt das Hemd in der Kragenpartie/Halsauschnitt, sowohl am Ansatz des rechten Arms.
Die Herstellung des Hemdes erfolgte aus dem Zusammensetzen mehrerer vorgefertigter Rechtecke aus Kettengeflecht. Wahrscheinlich arbeiteten zwei Handwerker an dem Hemd, denn einige Partien an Brust und Schultern sind von minderer Qualität.
Am unteren Saum, als auch am Ärmelsaum befindet sich ein Streifen eines dünneren Kettengeflechts. Dies wurde möglicherweise erst nachträglich angebracht.
Der vermeintliche Kragen des Kettenhemdes besteht zunächst aus einem rechteckigen Segment von 50cm Länge und 8 cm Höhe. An den Langseiten wird er oben und unten durch 3 Reihen, an den Seiten 2 Reihen echtgold Ringen abgeschlossen.
Der Fächerartige Kragen ist mittels andersartiger Ringe mit den Goldringen verbunden. Sein Außenumfang beträgt 123,5cm bei einer Breite von 12 cm. Der Kragen wurde aus mehreren trapezförmigen Segmenten zusammengefügt.
Vergleichbäre Krägen befinden sich in London und Cleveland und stammen aus dem 14. Jahrhundert, weshalb der Kragen wahrscheinlich ebenfalls erst in dieser Zeit entstand. Der Kragen imitiert das Kettengeflecht des Hemdes, besitzt jedoch nur Pseudonieten, um mit Hilfe des Stehkragens, der wahrscheinlich, zumindest zeitweilig, ein Teil des Kettengeflechts des Wenzelhelmes war, den Kragen zu erstellen.
Grund für den Kragen könnten die Beschädigungen am oberen Teil des Hemdes gewesen sein, die man mit dem Kragen zu verdecken suchte.
Eine endgültige Datierung des Hemdes ist schwer und nahezu unmöglich. Es kann sich durchaus im Besitz des hl. Wenzel befunden haben. Es ist aber auch durchaus möglich das sich das Hemd schon eine Weile, vielleicht als Geschenk aus dem Westen, im Besitz der Přemysliden befand und somit als noch älter anzusprechen und somit wirklich karolingisch wäre3
L.Grunwald, Ein Kettenhemd aus Rullstorf, Ldkr. Lüneburg in Die Kunde N. F. 48, 1997, S. 99-108. ↩
z.B. M. Bernart, Kettenhemden und andere Kriegerrüstungen des frühen Mittelalters aus Böhmen, Mähren und der Slowakei in Internationale Tagung von Mikulcice IX Bewaffnung und Reiterausrüstung des 8. bis 10. Jahrhunderts in Mitteleuropa S13 ↩
Die Informationen zum Hemd des hl. Wenzel stammen aus der aktuellsten Untersuchung: Nová zjištění o přilbě a zbroji zv. svatováclavské von Milena Bravermanová et. al. erschienen in ARCHEOLOGIE VE STŘEDNÍCH ČECHÁCH 23, 2019 , Das Paper kann auf Researchgate heruntergeladen werden LINK. Zwar ist er Tschechisch , aber es lässt sich gut Online übersetzen ↩
[…] None of this is recorded in known historical sources, but is quite plausible for several reasons. First of all,…
[…] historian linked to the Tribur Palts, provided a positive answer to this question. He reconstructed the itinerary of Emperor…
Auch Frau Danker wusste das der stählerne Glockenestuhl 1961 einen Stahlglockenstuhl ersetzt hat, Der alte Holzglockenstuhl von 1844 hat dem…
[…] Trackback: Geschichte und so Zeugs » Ein ♥ für Blogs […]
Hallo Herr Wittmer, Hallo Thomas, das stimmt und wieder nicht. Tatsächlich ist das Wappen in die Wappenrolle mit dieser Beschreibung…