Vergleich der David u. Goliath Szene im Stuttgarter Psalter und seinen byzantinischen Verwandten
Immer wieder hab ich davon geschrieben das der Stuttgarter Psalter ein Duplikat bzw. einen Verwandten besitzt, den Chludov Psalter, doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Es gibt eine ganze Reihe von Psaltern, byzantinischen Psaltern, die alle miteinander aber auch mit dem Stuttgarter Psalter verwandt sind.
Ich habe in letzter Zeit begonnen mich intensiv mit diesen Psaltern zu beschäftigen um den Darstellungen im Stuttgarter Psalter auf die Spur zu kommen bzw. um sie besser zu verstehen, den Verzierungen auf den Mänteln und den Rüstungen auf die Spur zu kommen.
Der Stuttgarter Psalter – Entstehung
Der Stuttgarter Psalter wird auf die Zeit zwischen 820 bis 830 datiert. Diese Datierung erfolgte durch eine von Bernhard Bischoff in den 1960er Jahren durchgeführte paläographische Untersuchung und wurde 1965 in dem Standardwerk „Der Stuttgartert Bilderpsalter“ veröffentlicht. Leider habe ich wenig Hoffnung dieses 2 Bändige Werk (unter anderem mit einem Faksimile Band) zu ergattern da es mittlerweile für Schlappe 2000€(!) gehandelt wird und der Zweite, der Textband, nicht separat erhältlich scheint. (Ich finde es eine Schande ein Standardwerk auf diese Art und Weise unzugänglich zu machen)
Als Herkunft wird das Kloster Saint-Germain-des-Prés angegeben. Dies scheint aber nur eine Verlegenheitslösung zu sein. Man sah Schriftähnlichkeiten mit einem Psalter der sich im 15. Jahrhundert in Saint-Germain-des-Prés befand.1 Man könnte auch sagen man weiß wo er zumindest mal im Regal stand, zumal der „anspruchslose Stil der Illustrationen (…) gegen eine Herkunft aus Saint-Germain-des-Prés sprechen (könnte), , da dieses zu den wichtigsten und reichsten Klöstern der Merowinger- und Karolingerzeit zählt“2
Bekannt ist der Psalter unter vor allem für seine Bilder. Allerdings war der oder die Zeichner nicht die Begabtesten ihres Faches.3 Da hat ein Gruppe von Aposteln zuviele Beine, die zu dem verknotet sind. Psalm 40 Vers 4 4 wird das Latein wörtlich genommen und eine Hand aus den Wolken (Gott) wirft das Bett des Kranken um. ( Tableflip anyone? (╯°□°)╯︵ ┻━┻ ) Lanzen schlängeln sich vom Vordergrund in den Hintergrund und wieder zurück als wären sie Schlangenartig verbogen und da wirken die Gesichter der Dargestellten schon mal wie ungewollte Karikaturen mit ihren Knubbelnasen. Ganz im Gegensatz zum Chludov Psalter wo die Karikatur als Stilmitteln bewusst eingesetzt wurde, etwa wenn der abgesetzte Patriarch mit strubbeligen Haaren lange vor Einstein als Prototyp des zerstreuten Gelehrten/ Wissenschaftlers dargestellt wird.
Die Entstehungs- bzw. Herrstellungsweise des Psalters lässt sich durch Untersuchungen recht gut nachvollziehen. Zuerst wurden Linien auf dem Pergament angebracht und der Text darauf geschrieben. Man lies dabei freie Stellen für die Abbildungen die später eingefügt wurden. Dies macht es wahrscheinlich das man bereits grob wusste wie die Abbildung auszusehen hat, die die Freistellen füllen sollte.
Die Abbildungen aus dem Stuttgarter Psalter erscheinen in Teilen schablonenhaft abgezeichnet. Mäntel flattern in einigen Stellen identisch, so das es wirklich den Anschein hat das der Zeichner aus einer Vorlage eine Schablone anfertigte um die Umrisse dann in seinem neuen Psalter zu verwenden. Dadurch gibt es grob 2 Gruppen von Bildern: Die erste Gruppe wurde von einer anderen unbekannten Handsschrift/Psalter übernommen. Die zweite Gruppe sind die Bilder die als wörtliche Abbildung des Text erstellt wurden. Dabei verwischt hin und wieder die Grenze, da zu existierenden Bidlern Ergänzungen hinzu gefügt oder entfernt wurden. Diese Vorgehensweise könnte auch einige Probleme des Psalters erklären.
Der Kampf David gegen Goliath
Bevor wir uns aber nun mit der Darstellung von David und Goliath befassen, möchte ich an dieser Stelle nochmal das erste Buch Samuel Kapitel 17 hinstellen. Einfach damit man nochmal die Textstelle zum Bild im Kopf hat.
1 Samuel 17:
171Die Philister sammelten ihre Heere zum Kampf und kamen zusammen bei Socho in Juda und lagerten sich zwischen Socho und Aseka bei Efes-Dammim. 2Aber Saul und die Männer Israels kamen zusammen und lagerten sich im Eichgrund und rüsteten sich zum Kampf gegen die Philister. 3Und die Philister standen auf einem Berge jenseits und die Israeliten auf einem Berge diesseits, sodass das Tal zwischen ihnen war. 4Da trat aus den Lagern der Philister ein Riese mit Namen Goliat aus Gat, sechs Ellen und eine Handbreit groß. 5Der hatte einen ehernen Helm auf seinem Haupt und einen Schuppenpanzer an, und das Gewicht seines Panzers war fünftausend Schekel Erz, 6und hatte eherne Schienen an seinen Beinen und ein ehernes Sichelschwert auf seinen Schultern. 7Und der Schaft seines Spießes war wie ein Weberbaum, und die eiserne Spitze seines Spießes wog sechshundert Schekel, und sein Schildträger ging vor ihm her. (…) 49Und David tat seine Hand in die Tasche und nahm einen Stein daraus und schleuderte ihn und traf den Philister an der Stirn, dass der Stein in seine Stirn fuhr und er zur Erde fiel auf sein Angesicht. 50So überwand David den Philister mit Schleuder und Stein und traf und tötete ihn. David aber hatte kein Schwert in seiner Hand. 51Da lief er hin und trat zu dem Philister und nahm dessen Schwert und zog es aus der Scheide und tötete ihn und hieb ihm den Kopf damit ab. Da aber die Philister sahen, dass ihr Stärkster tot war, flohen sie.
Lutherbibel 2017
Der hier verwendete Text stammt aus der Lutherbibel Version 2017. Hier ist von Schuppenpanzer die Rede, was Grundsätzlich mal sämtliche Probleme warum Goliath im Stuttgarter Psalter einen Schuppenpanzer trägt aus der Welt schaffen würde. Aber die karolingische, von Alkuin bearbeitete, Bibelversion nutzt wie die Hironymus Vulgata das Wort lorica hamata, also Kettenhemd. Die griechische Septuaginta, die die Psalmen nutzen, spricht von θώρακα ἁλυσιδωτὸν ( thōraka halysidōton ) also Kettenhemd. Aber seit der Vulgata Clementina Papst Clemens VIII von 1592 wird wieder lorica squamata genutzt. Auch in der Nova Vulgata Papst Johannes Pauls II von 1979 ist auch lorica squamata zu lesen. Die wissenschaftlich-theologische Version nutzt aber lorica hamata… Woher kommt nun das Goliaths Schuppenpanzer im Ursprung?
Er stammt aus einer Vulgata des 4./5. Jahrhunderts byzantinischer Provinienz, die im Frankenreich des 9,Jahrhunderts eigentlich out gewesen sein sollte! Zu dem soll diese Vulgata die einzige Textquelle für den Begriff der lorica squamata sein, die eigentlich lorica squamea heißen müsste.5 Die Römer nennen in ihren Texten keinen Namen sondern schreiben wohl nur von „Panzern die mit Schuppen wie die von Fischen besetzt sind“ oder so ähnlich.
Die Abbildungen der Psalter
Natürlich ähneln sich Psalter und Bibeln in der Darstellung von David und Goliath. David mit Schleuder und ein größerer Goliath. Bei den hier betrachteten Psalter ist die Ähnlichkeit in dieser Darstellung jedoch wesentlich weitgehender wie sich zeigen wird.
Der Stuttgarter Psalter
Im Stuttgarter Psalter gibt es zwei Darstellungen der David und Goliath Szene. Zum einen die hier abgebildete Version, zum Anderen einige Seiten weiter noch einmal ganzseitig die Enthauptungsszene zur Illustration des Apokryphen Psalms 151. Die ganzseitige Illustration entspricht dabei im Grunde der Kleineren, nutzt dabei aber die Seite zur Gänze und entzerrt die Darstellung etwas.
In der hier genutzten Darstellung sehen wir in der oberen Reihe den Kampf zwischen David und Goliath, David schwingt die Schleuder, die er in der rechten Hand hält. Die Linke hält einen Stab, wohl ein Hirtenstab. Über ihm erscheint Gottes Hand , die ihn leitet.
Auf der rechten Seite setzt Goliath zum Angriff an. Dabei hät er in der linken Hand(!) den Speer, der als karolingische Flügellanze dargestellt ist. Der Speer verschwindet auf der rechten Seite des Körpers und verläuft hinter dem Schild. Der Zeichner hat die Perspektive dabei völlig durcheinander gebracht und das ist nicht das einzige mal im Psalter!
Um seinen Bauch ziehen sich über Kreuz zwei Riemen ohne das dabei eine sinnvolle Anordnung erkennbar wäre. Der schmalere Schwertgurt verschwindet ohne erkennbare Anbindung unter dem überlappenden Schuppenpanzer. Dieser würde in aller Regel dieses überlappen so auch nicht ermöglichen, da es sich nicht um ein flexibles Textil handelt.
Die Schwertscheide erscheint typisch fränkisch und am Riemendurchzug scheinen zwei Beschläge erkennbar.
Im unteren Bildteil trennt David das Haupt Goliaths ab. Dabei vollführt er ein kleines Kunststück: während er das Schwert aus der Scheide zieht, wozu er durch die Arme Goliaths hätte greifen müssen, zieht er das Schwert durch die Achsel und am Hals vorbei. Vor Goliath lieg dessen Schild. Auf Grund des beschränkten Platzes verdeckt es dabei einen Arm und ein Bein. Auf der separaten Darstellung liegt es mit Abstand vor der Szenerie.
Die dargestellten Schilde sind unrealistisch stark und über Gebühr gewölbt. Der Schildbuckel ist zuckerhutförmig, ähnlich etwa dem Fund aus Pfullingen der auf um 700 datiert wird, besitzt aber einen Pilzknopf und wirkt daher zeitlich früher, eher merowingisch.
Timm Weski sieht die Szene als „typologisch-symbolisch“, der Zeichner versuchte in dem Bild alles auf einmal unterzubringen : „Obwohl David das Schwert noch nicht vollständig aus der Scheide gezogen hat, steht er bereits in abgeschlossener Schlaghaltung. Goliath ist schon mit abgeschlagenem Haupt dargestellt, da der Kopf für eine natürliche Haltung zu weit im Nacken liege und er aus dem Hals blute.6
Welski hat damit recht wenn, wenn er zusätzlich darauf hinweist das Goliath bereits ein Kopfwunde besitzt obwohl Davids Stein noch in der Schleuder ruht. Wie sich aber beim Vergleich mit den anderen Psaltern der Gruppe zeigen wird, die Weski leider nicht verglich, wird man feststellen das die überstreckte Kopfhaltung Goliaths einen anderen Grund hat und Davids Haltung ist auch nicht die eines abgeschlossenen Schlages und das Haupt nicht abgetrennt ist!
Der unbekannte Ursprungspsalter, auf den auch die byzantinischen Verwandten auf die ein oder andere Weise zugriffen, zeigte wohl an dieser Stelle David wie er den Kopf Goliaths mit einer Hand an den Haaren nach oben zieht und mit der andern das Schwert führend den Kopf abtrennt.
Es war dem Zeichner wohl wichtig den Inhalt des Textes im Bild vollständig darzustellen, wie Weski es auch schreibt, jedoch waren die zeichnerischen Fähigkeiten beschränkt, so dass lediglich Arme, Schwert und Scheide von der Vorlage geändert wurde. Zudem war er bei weitem nicht so weit in dieser Technik des „typologisch-symbolischen“ wie etwa der Zeichner des Utrechter Psalters der in einem einzigen Bild einen gesamten Psalm unterbringt, während die Bilder im Stuttgarter Psalter immer nah an der zugehörigen Textstelle zu finden sind.7
Die Bildstelle illustriert im übrigen Psalm 144, speziell 144:10 : „der du den Königen Sieg gibst und erlöst deinen Knecht David vom mörderischen Schwert des Bösen.“ Die Textstelle die also zur Illustrierung des Psalms verwendet wurde verwendet dagegen die oben genannte Bibelstelle aus einer Vulgata Version die wohl aus Byzanz kommt. Wahrscheinlich stammt auch schon der zeichnerische Vorgänger, den es geben muss, ebenfalls aus Byzanz. Florentine Mütherich, die an der Untersuchung maßgeblich beteiligt war, vermutete einen „altlateinischen Bilderpsalter, dessen Heimat in Oberitalien, vielleicht in Ravenna, zu suchen wäre“8, wobei anzumerken ist, das Ravenna immer starken Kontakt mit Byzanz hatte.
Chludov Psalter, MS. D.129
Im Gegensatz zum Stuttgarter Psalter weist der Chludov Psalter mehrere Unterschiede in der Goliath Szenerie auf, besitzt aber auch Parallelen.
Die Kampfszene wird auf einer separaten Szene abgebildet. Goliaths Lanze befindet sich dabei auf Hüfthöhe, der Schild schwebt förmlich hinter ihm. Seine Kleidung mit Muskelpanzer wirkt byzantinisch bis antikisierend. David trägt eine weiße Tunika mit Clavi die spätantik bis byzantinisch sein könnte.
Am Auffälligsten ist die Haltung Davids in der Enthauptungsszene. David hält in einer Hand den Kopf Goliaths an den Haaren empor und hat die Rechte mit dem Schwert zum Schlag erhoben. Goliath schaut und liegt dabei nach Rechts. hinter seiner Hand liegt der Schild, unter ihm die Lanze. Im Linken Teil des Bildes liegt der Helm mit einem roten Schweif und einem losen Ketten oder Schuppen Brünne, zu Goliaths Füßen liegt ein rotes Tuch.
Goliaths Rüstung ist schwer zu erkennen, doch scheint er einen Schuppen oder Lamellenpanzer als Rockteil zu tragen. Kleidung Davids mit zwei Clavi und der Panzer des Goliaths scheinen byzantinisch des 9 Jahrhunderts zu sein ebenso sein Helm.
Theodore Psalter, MS 19352
Die Darstellung der Enthauptungsszene wie sie sich im Chludov Psalter findet, findet sich sich nahezu exakt auch im Theodore Psalter wieder. Jedoch fehlt die Kampfsszene.
Dieser Psalter wird auf um 1066 datiert. Die Hauptunterschiede sind hier das aus Platzgründen der Helm von der linken Seite auf die Rechte versetzt wurde. Auch fehlt das rote Tuch, stattdessen liegt an dieser Stelle eine Schwertscheide.Goliath hat hier die Hand nicht vor, sondern hinter dem Schild. Die Rüstung scheint im Oberkörper eine Kette zu sein, während der Rocksaum als Pteryges zu identifizieren wäre. Seine Kleidung, als auch die der daneben stehenden Kämpfer ist wohl als byzantinisch zu bezeichnen.
Die nächste Gruppe von Psaltern wird sich nun an der Bildaufteilung die auch der Stuttgarter Psalter besitzt orientieren. Diese byzantinischen Psalter haben zumindest nicht in der David und Goliaths Abbildung auf den Chludov Psalter zugegriffen. Sie müssen daher auf ein entweder auf den Psalter zurückgegriffen haben den auch der Chludov Psalter als Vorbild nutzte, oder aber eine weitere Kopie die wir nicht kennen.
Pantokrator Psalter, Pantokrator Cod. 61
Ältester dieser Gruppe, also ohne erhobenes Schwert des David, ist der Pantokrator Psalter vom Berg Athos der dort unter der Nummer 61 geführt wird. Ironischerweise wurde dort auch im 19. Jahrhundert der Chludov Psalter entdeckt. Er ist neben dem Chludov Psalter auch der zweite von drei erhaltenen byzantinischen Psaltern des neunten Jahrhunderts.
Die Abbildung des Pantokrator Psalters nutzt wie der Stuttgerter Psalter eine Zweiteilung des Bildes, wobei dieser beide Bildteile klar separiert. Dafür nimmt sie auch zwei drittel der Seite ein, wo im Stuttgarter Psalter nur die Hälfte genutzt wird.
Im oberen Bereich ist links David zu sehen der in der Rechten die Schleuder führt. Sein Mantel scheint Togaartig um den Bauch gewickelt und bedeckt den linken Arm den David wie zu Schutz nach oben hebt. Im Stuttgarter Psalter hält David an dieser Stelle einen Stab, wohl als Hirtenstab zu deuten.
Wie im Stuttgarter Psalter greift Goliath von rechts an, führt ebenso mit der Linken den Schild, wobei wir hier in den Schild mit Schildfessel schauen. Ebenso trägt er ein Schwert. Interessanterweise verläuft der Schwergut im unteren Bereich (bis zur Taille) exakt wie im Stuttgarter Verwandten, hier verläuft er jedoch weiter zu einem Schulterriemen. Die Waden der Hosen Goliaths scheinen bei näherer Betrachtung mit Wadenwickeln bedeckt, zumindest zeichnet sich ein weißes Zick-Zack Muster ab.
Im unteren Bildteil trennt David den Kopf Goliaths ab. David hält mit der linken, den Kopf, der nach links schaut, wobei Goliath eher kniet als liegt und David mit der Rechten das Schwert am Hals ansetzt.
Zu Füßen Goliaths liegen rechts der Schild und links der Helm. David macht ähnlich dem Stuttgarter Pslter einen Ausfallschritt und auch sein Mantel weht ähnlich nach links. Ebenso auffällig ist Das die Farben Davids Kleidung genau umgekehrt sind zu denen im Stuttgarter Psalter. Und genauso dient eine Bergszenerie als Hintergrund. Während sich im Pantokrator Psalter feine Pflanzen ranken, sind es im Stuttgarter Psalter nur zwei Büschel je 4 Streifen die die Pflanzen andeuten.
Pariser Psalter, MS gr. 139
Nächster Psalter dieser Gruppe ist der Pariser Psalter. Im 19. Jahrhundert dachte man Aufgrund seiner antikisierenden Darstellung er stamme aus der Zeit Justinians I., jedoch stammt er aus der Zeit um 950 als man in Byzanz an die hellenistische Tradition anknüpfen wollte.
Statt die Lanze statisch über dem Kopf zu führen, wird diese hier im Wurf, also fliegend, gezeigt.
Aus dem Berg, bei dem die Schlacht stattfand und der zuvor noch den Hintergrund bildete , ist nun ein kümmerlicher Rest am unteren linken Bildrand geworden.
Hier sehen wir auch nun erstmalig den Schildträger abgebildet der in der entsprechenden Bibelstelle erwähnt wurde, wodurch der Schild nicht mehr auf dem Boden liegt.
Die Abbildung wirkt insgesamt lebhafter und farbenfroher. Er zählt zur sogenannten „aristokratischen Gruppe“ von Psaltern. Diese Psalter waren nicht für einen klösterlichen Gebrauch gedacht, sondern für den Adel, der sich auch an Bildern erfreut und nicht den starken Wert auf den Text legt, wie es in Klöstern der Fall war. Die klösterlichen Psalter aus Byzanz, zu denen die anderen hier abgebildeten gehören, versetzen die Abbildungen verhältnismäßig klein an den Rand der Seite.
Bristol Psalter, Add MS 40731
Aus dem 11. Jahrhundert stammt der Bristol Psalter. Er nutzt die Kampfszene ebenso wie die Enthauptungsszene, teilt diese jedoch und zeigt sie auf zwei verschiedenen Seiten. Im Allgemeinen sind seine Darstellungen Kopien des vorangegangenen Psalters
Die Kampfszene entspricht in ihrer Gestaltung und Darstellung der aus dem Pariser Psalter. Es werden die beiden begleitenden Personen ebenso übernommen wie der Wurf der Lanze, die Farben der Kleidung und die Darstellung der Rüstung.
Etwas reduzierter ist die Enthauptungsszene im Vergleich mit dem Pariser Psalter. Von den Kämpfern blieben auf der rechten Seite nur zwei erhalten, die auf der linken Seite sind völlig verschwunden. Dennoch bleiben, wie bei allen byzantinischen Versionen, der Helm auf dem Boden liegen.
Der Berg ist hier nun vollständig verschwunden.
Barberini Psalter, Barb. gr. 372
Ebenfalls aus dem 11. Jahrhundert, genauer gesagt aus der Zeit von 1070 bis 1100 stammt der im Vatikan verwahrte Barberini Psalter.
Auch er teilt Kampfszene und Enthauptung auf zwei Seiten, rahmt aber noch zusätzlich die Enthauptungsszene. Die Kampfszene unterscheidet sich stark durch die veränderte Haltung der Lanze durch Goliath und greift auf den Chludov Psalter zurück. Dabei ist vorallem die Haltung Goliaths nahezu identisch.
Er trägt erkennbar einen Schuppenpanzer, das Schwert wird mit einem Schulterriemen getragen. Doch das fehlen des Schildes verändert die Szenerie gegen über dem Chludov Psalter erheblich. Und das obwohl der Schild hier schon wie ein Fremdkörper hinter Goliath schwebte.
Auch unterscheidet sich die Kampfszene sowohl in Gestaltung, Ausführung und Kleidung stark von der Enthauptungsszene, fast als Stammten beide aus unterschiedlichen Vorlagen
.Die Enthauptungsszene greift wieder die Darstellung früherer Abbildungen auf. Es erfolgt kein Rückgriff auf den Pariser Psalter, eher der Pantokrator Psalter scheint hier Vorlage gewesen zu sein. Der Berg ist wieder zusehen, das Schild und Helm liegen vor Goliath.
Optisch besitzt sie einen anderen Stil und andere Kleidung als die Kampfszene. Sie scheint aus einer älteren Vorlage übernommen, steht aber in der Tradition von Barberini und Pariser Psalter.
Vat. gr. 752
Der ebenfalls im Vatikan verwahrte Psalter Vat. gr. 752 stammt ebenfalls aus dem 11. Jahrhundert, wohl um 1058, ist mir erst im letzten Moment vor die Füße gefallen. Dabei ist er neben dem Chludov Psalter einer der ersten Psalter denen eine gewisse Verwandschaft mit dem Stuttgarter Psalter nachgesagt wurde.
Hier wird wieder Goliaths Speer im Flug gezeigt, dabei trägt Goliath zeitgemäß einen mandelförmigen Schild. Doch noch immer trägt er hier den Schuppenpanzer.
Auch die untere Darstellung entspricht den Standards der vorherigen Abbildungen. Der Kopf wird nach oben gezogen oder gehalten. Dieses mal trägt Goliath noch seinen Helm dafür liegt wieder die Schwertscheide vor ihm. Der Schild aber ist verschwunden. Goliaths hockende Haltung ähnelt sehr der Körperform im Stuttgarter Psalter.
Erstes Fazit/ Erste Gedanken
Mit diesen Bildern lässt sich ein erster Stammbaum dieser Psaltergruppe erstellen.
Es gab wohl einen unbekannten, byzantinischen geprägten Ur-Psalter. Dieser lieferte eine Vorlage, wahrscheinlich als Kopie, die auch nach Franken kam, während Original oder andere Kopien sich im Osten scheinbar großer Beliebtheit erfreuten. Im 9ten Jahrhundert entstanden dabei drei leicht unterschiedliche Darstellungen der Enthauptungsszene: Stuttgart, Pantokrator und Chludov Psalter, wobei Stuttgart und Pantokrater sich näher stehen. Während der westliche Zweig mit Stuttgart verebbt, entwickeln sich aus dem Pantokrator oder dessen Vorlagen zunächst der Pariser Psalter, später VAt gr.752, wobei dieser Stuttgarts Vorlage nahesteht, sowie Bristol und Barberini Psalter. Der Chludov Psalter dagegen steht dem Theodore Psalter nahe.
Der hier bereits mehrfach erwähnte Timm Weski stellte im Titel seines Beitrags „Der Stuttgarter Psalter – (K)eine Quelle für die Archäologie des Frühmittelalters?“ schon die Frage nach der Nutzbarkeit des Psalters als Quelle für das Frühmittelalter bzw. der Karolingerzeit.
In seiner Darstellung macht der Stuttgarter Psalter ein wenig den Eindruck „Idiotensicher“ zu sein. Markante Outlines, die Farben immer kontrastierend, damit man möglichst viel erkennt. Hände sind übergroß damit der Gestus erkannt wird. Barträger sind entweder Propheten oder Jünger, tragen sie Bart und Waffen dann sind es Feinde. Generell sind Feinde oder Personen die nicht Teil der Gruppe der Franken sind immer anders gekleidet als Franken usw.
Auch die Art lateinische Redewendung wörtlich zu nehmen und dies auch auf die Kleidung überträgt macht ihn dennoch als Quelle interessant.
Der Psalter ist wohl in Detailfragen zur Karolingerzeit nicht der richtige Ansprechpartner. Aber in seinen Grundzügen, seinen Schablonen die er nutzt ist er wohl als Prototyp, als erste zu konsultierende Quelle zu verwenden.
Was nun den Zweck des Psalters angeht: Er war nicht für den klösterlichen Gebrauch bestimmt, dazu wären die Zeichnungen unnötig. Aber ein Prunkpsalter ist er auch nicht. Dazu sind die Zeichnungen zu grob und Farben wie Gold und Purpur fehlen vollständig, stattdessen dominiert Kupfergrün und Zinnoberrot9 . Demnach müsste es einen Mittelweg geben. So wächst in mir der Gedanke der Psalter wurde für einen „einfachen“ Adligen hergestellt. Einen der vielleicht die „karolingische Bildungsreform“ hin und wieder geschwänzt hat. Die unbeholfenen, aber klar lesbaren Bilder wären dann nichts anderes als eine Lesehilfe zum Text. Im Grunde wäre der Stuttgarter Psalter dann nichts anderes als das Lese- und Lernheft eines Grundschülers!
T.Weski, Der Stuttgarter Psalter – (K)eine Quelle für die Archäologie des Frühmittelalters? in Jahrbuch des römisch-germanischen Zentralmuseums Mainz 62. Jahrgang 2015 S426 ↩
T.Weski, Der Stuttgarter Psalter – (K)eine Quelle für die Archäologie des Frühmittelalters? in Jahrbuch des römisch-germanischen Zentralmuseums Mainz 62. Jahrgang 2015 S426 ↩
vgl. F. Mütherich, Die verschiedenen Bedeutungschichten in der frühmittelalterlichen Psalterillustration, S235 ↩
stratum eius versasti in Infirmltate eius, eigentlich übersetzt als: Der Herr wird ihn erquicken auf seinem Siechbette; du hilfst ihm von aller Krankheit. ↩
Sander van den Brink, Loricae (1): the names of Roman body armour, online: https://www.academia.edu/24370794/Loricae_1_the_names_of_Roman_body_armour ↩
T.Weski, Der Stuttgarter Psalter – (K)eine Quelle für die Archäologie des Frühmittelalters? in Jahrbuch des römisch-germanischen Zentralmuseums Mainz 62. Jahrgang 2015 S440 ↩
F. Mütherich, Die verschiedenen Bedeutungschichten in der frühmittelalterlichen Psalterillustration, S237 ↩
Felix Heinzer, Wörtliche Bilder, Zur Funktion der Literal-Illustration im Stuttgarter Psalter (um830) in Wolfgang Stammler Gastprofessur für Germanische Philologie, Band 13 S13 ↩
A. Pataki-Hundt, Conservation treatment and stabilization of the ninth-century Stuttgart Psalter S153 ↩
Kleine Idee zu den "fehlerhaften" Plänen und abweichenden Maßen: Mittlerweile ist es ja möglich Gebäude in 3D zu scannen und…
Bau I, also Kapelle mit Mädchengrab wird in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts datiert, wobei das Grab ende des…
Gibt es Einschätzung wie aus welcher Zeit die Vorgängerkapelle stammt?
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Jetzt noch einmal dieselben Überlegungen wie beim Überfall auf Paris 100 Jahre später (siehe früherer Blog): wieso konnten die in…