Eine Tasche für den Karolinger
Nach dem ich jetzt so viel Theorie mit der Ortsentwicklung hatte, hab ich mich mal wieder nach etwas praktischem gesehnt. Zudem gewinne ich etwas an Zeit da die nächste Serie sich mit Altwegen befassen soll.
Da ich mein Karolinger-Darstellung ja komplett neu mache (leider bin ich bisher nur dazu gekommen mir mein Schnittmuster vorzubereiten, während Andere meine Ideen bereits in die Tat umgesetzt haben. Ganz davon abgesehen hat sich nun eine Person meines Hausstandes dafür ausgesprochen ein byzantinisch Outfit des 9. Jh. habe zu wollen…) stellte sich irgendwann die Frage nach einer Tasche.
Da eine Tunika keine Taschen hat, man aber in der Regel doch immer etwas mit sich herumschleppt, ist eine Umhängetasche da durchaus sinnvoll. Zwar liegt man mit einer einfachen Umhängetasche, ähnlich einer Pilgertasche sicherlich nicht falsch. Aber das kann besser gehen, dachte ich mir.
Da stellt man sich natürlich zunächst die Frage: Gibt es denn eine erhaltene karolingische Tasche? Darauf kann man mit einem klaren „Ja, aber Nein!“, antworten.
Was wir haben sind Bursenreliquiare, oder anders ausgedrückt Reliquiare in Form einer Burse.
Was ist eine Burse? Eine Burse ist zunächst einmal nichts anderes als eine Tasche. Unser Wort Börse, wie in Geldbörse, leitet sich davon ab.

Die Bursenreliquiare sind aus Metall, oftmals sehr aufwendig, gearbeitet. Dabei imitieren sie die Form von (Umhänge-)Taschen. Meist leicht trapzförmig, verändern sie sich später, die Form wird immer weiter abstrahiert, und sie sehen aus wie ein kleines Häuschen.
Bekanntester Vertreter dieser Bursen ist mit Sicherheit die Stephansbursa aus den Reichskleinodien.
Ursprünglich waren die Reliquiare tatsächlich kleine Stoff- oder Ledertaschen die wie ein Brustbeutel getragen wurden. Alkuin schrieb dazu in einem Brief, das es besser sei die Heiligen im Herzen nachzuahmen als ihre Knochen in Säckchen mit sich rumzuschleppen. Soweit also erst einmal die Information zu den Reliquiaren, womit wir auch schon die Grundform einer karolingischen Tasche haben.
Ihr Ursprung liegt in einer profanen Tasche. Der Besitzer einer solchen Tasche möchte zum eigenen Seelenheil oder als Glücksbringer eine Reliquie körpernah mit sich zu führen. Da sich nicht jeder der sich eine Reliquie leisten konnte auch eine entsprechende Aufbewahrung wie etwa den Talisman Karls des Großen1 leisten konnte, wanderte das gute Stück in die Tasche. Die Tasche war nun vom profanen Behältnis zum Reliquiar. Mit unter aus kostbarem Stoff und/oder reich bestickt. Oftmals gingen diese Objekte mit dem Tod des Besitzers als Stiftung an Kirchen oder Klöster über. Dort wurden die Taschen mitunter durch die kostbaren Reliquiare ersetzt, die wiederum die alten Taschen imitierten.
Aber schaut man sich diese Bursenreliquiare genau an, so fällt bei vielen die „Bekrönung“ auf. Je später die Zeitstellung der Bursen ist, desto abstrahierter, aber auch prunkvoller wird auch hier die Bekrönung. Gerade die frühen erhaltenen Reliquiare bieten hier eine figürliche „Bekrönung“. Zu nennen sind da vor allem das Reliquiar aus Ennabeuren und die Engerer Burse. Bei der bekannten Stephansbursa hingegen ist „Bekrönung“ nur noch durch eine Reihe von Edelsteinen abstrahiert. Aber betrachten wir die Engerer Burse noch einmal genauer.

Die Reliquiare wurden an Seilen oder Bändern getragen, die an Ringen an den Seiten befestigt waren. Um an ihren Inhalt zu gelangen, befindet sich im Boden des Reliquiars ein Schiebedeckel. Im Fall des Vorbilds als Umhängetasche kann dies aber unmöglich die Eingriffsmöglichkeit gewesen sein. Und hier kommen wir zurück auf die „Bekrönung“.
Bewusst habe ich Eingangs nach einer „karolingischen Tasche“ und nicht einer „karolingerzeitlichen Tasche“ gefragt, denn tatsächlich gibt es Reste erhaltener Taschen. Um genau zu sein gibt es erhaltene Taschenbügel aus, wie sollte es anders sein, Haithabu.
Vergleicht man nun diese Taschenbügel mit den „Bekrönungen“, allen voran jener an der Engener Burse, so zeigen sich klare Parallelen. Die Taschenbügel haben links und rechts jeweils ein Loch zur Aufnahme eines Seiles. Die Bekrönung der Engener Burse weist, in den Löwenmäulern ebenfalls kreisrunde Löcher auf.
Jedoch ist nicht davon auszugehen das diese Löcher in der Burse jemals zur Aufnahme eines Trageriemens dienten. Das Gewicht der gesamten Burse wäre zu hoch, die Vernietung wahrscheinlich ausgerissen, weshalb die Burse auch die zwei Halterungen an den Schmalseiten besitzt.
Es erscheint aber plausibel , dass die Bekrönung der Engerer Burse einen Taschenbügel imitiert. Vielleicht den, der Tasche der die Reliquie ursprünglich verwahrte.
Demnach sollten sich karolingische Taschen nicht wesentlich von jenen in Haithabu gefundenen unterschieden haben. Ein Taschenbügel, bei aufwendigerer Ausführung figürlich verziert, dient als Verschluss der Tasche. Aus Haithabu kennen wir Taschenbügel an denen ein Rest Leder des Beutels erhalten blieb. So ist Leder für den Beutel gesichert. Aber auch dichte lodenartige Wollstoffe oder Leinen kommen in Frage. Auch Seide oder Seidenbrokat wäre für reine, aufwändige Relquienbeutel denkbar oder könnte als Futter oder Verzierung genutzt worden sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Talisman_Karls_des_Gro%C3%9Fen ↩
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