Vorbild und Wahrnehmung der Pfalzen Aachen und Ingelheim im Kontext ihrer Zeit
Die (spät-)antiken Vorbilder karolingischer Bauten im architektonischen Sinne zu ermitteln stellt in der Regel keine Probleme dar. Die Trierer Basilika als Vorbild der Aula von Aachen, oder etwa San Vitale in Ravenna als Vorbild für die Aachener Marienkirche sind leicht zu erkennen.
Schwieriger wird es Intentionen zur ermitteln die mit dem Bau der Gebäude angestrebt wurde, bzw. die Gefühle die diese beim Betrachter auslösten zu erkennen. Auf die Geschichtsschreiber jener Zeit ist dabei kaum eine Information zu entlocken. So schreibt Einhard zu Ingelheim und Nimwegen lediglich:
Auch begann Karl mit dem Bau von zwei herrlichen Palästen: Der eine war nicht weit von Mainz, in der Nähe seines Gutes Ingelheim,der andere in Nimwegen am Fluss Waal, der südlich der Bataverinsel fließt.
Die Pfalz Aachen scheint für Einhard schon vollkommen gewöhnlich zu sein, wobei er aber die Marienkirche hervorhebt.
Die mangelnde Erläuterung erscheint uns heute eigenartig, ist jedoch bei weitem weniger verwunderlich als man vermuten könnte. Zum einen ist Pergament für Schreibarbeiten kostbar. Mit Beschreibungen von „alltäglichen“ Bauten und Vorgängen dieses Pergament zu vergeuden, zumal man sich die Bauten ja selbst ansehen konnte, war also unnötig. Es ist genauso als würde ich einen Text über die Formel 1 schreiben und explizit darauf Hinweise das die Fahrzeuge eine hohe Beschleunigung besitzen, es wäre nicht nötig.
Dennoch versuche ich mich einmal in die Welt der Karolinger hinein zu versetzten. Ich tat dies bereits in einem meiner ersten Beiträge hier im Blog zu Ingelheim (hier), dessen Bestätigung später auch durch Holger Grewe MA (Forschungsleiter Ingelheim) erfolgte, den ich aber in diesem Zusammenhang noch einmal erweitern möchte.
Das tatsächliche bauliche Vorbild für Ingelheim ist nicht bekannt, es baut jedoch auf römischen Vorbildern auf. Diese Idee besteht bereist seit den ersten Ausgrabungen in Ingelheim. Ein Vorbild könnte die Exedra des römischen Forums in Köln sein. Ein beeindruckendes Halbrund mit Umgang (Porticus) und Portal. (Informationen dazu beschrieb ich hier)
Und obwohl sich beide Anlagen ähneln und das Forum womöglich Vorbildcharakter besitzt, unterscheiden sich beide doch elementar, was bereits in ihrem Zweck andeuet.
Das Kölner Forum stellt ein Stadtzentrum dar. Zwar war seine Außenfront gut ausgearbeitet, doch ihr Zweck war lediglich ein Trennen von Innen und Außen, Hauptaugenmerk lag auf dem Innenraum, dem freien Platz in dem sich das soziokulturelle Leben der Stadt abspielte (abgesehen von den Thermen).
In Ingelheim ist die Situation eine völlig andere. Die Pfalzanlage ist freistehend, quasi auf der grünen Wiese. Im Gegensatz zum Kölner Forum versperrt hier nichts den Blick auf die Anlage und ihr Haupttor, das sogenannte Heidesheimer Tor. Der Innenraum ist im Gegensatz zum Kölner Forum in Teilen bebaut und scheint, bis auf die Exedra, nicht der strengen Symmetrie zu folgen.
Das Hauptaugenmerk lag also nicht in der Freifläche im Inneren. Der Blick in Ingelheim sollte bereits durch das Äußere beeindrucken.
Nun geschieht im architektonischen Bereich nichts ohne Grund. Genauso wie die Bemalungen im Inneren von Kirchen die Intention hatten, den nicht Lateinern, bzw. den Analphabeten biblische Geschichten zu vermitteln, so ist dies auch bei der architektonische baulichen Gestaltung von Kirchen und vielen anderen Bauten der Fall. Spielereien mit Lichteinfällen zu bestimmten Tagen gehören genauso dazu, wie die Positionierung von Altären in bestimmten Bauteilen und Reihenfolgen, Anzahl von Säulen (etwa in der Anzahl der 12 Apostel), bestimmte Längen und ähnlichem. Alles hat einen tieferen Sinn.
Ganz ähnliches scheint auch in Ingelheim erfolgt zu sein. Der anreisende Betrachter sieht also das halbrund der Exdra mit seinen einfassenden Türmen. Er sieht etwas das der typischen Ikonographie einer Stadt entspricht. Diese Ikonographie findet sich bereits im spätantiken Notitia Dignitatum (hier). und wandert durch das gesamte Mittelalter und ist ebenso immer wieder Sinnbild für das himmliche Jerusalem. Ein schönes Beispiel ist auch der Barbarossaleuchter in Aachen (hier) oder der nicht mehr existierende Bernwardsleuchter in Hildesheim, sowie weitere Radleuchter die das Vorbild des himmlischen Jerusalem aufnehmen.
Diese Symbolik Ingelheims als himmlisches Jerusalem wird umso verständlich wenn man bedenkt das der Erbauer Karl der Große von Alkuin als David bezeichnet wird.
Wir hätten es also mit dem neuen Jerusalem zu tun, dessen Erbauer und König sich auf eine Stufe mit dem alttestamentarischen König David setzt (nicht nur was die Anzahl der Frauen angeht 😉 ) und dies auch nach Außen proklamiert.
Mit Aachen verhält es sich nun etwas anders.
Wie bereits der am Montag Plan der Pfalz Aachen andeutet kennen wir die wahre Ausdehnung der Pfalz Aachen nicht. Wir können also nicht mit Bestimmtheit sagen wo der Eingang lag, wo „Vorne“ und wo „Hinten“ ist. Auch Hugots Rasterplan1 den er über die Pfalz legte ist zunächst einmal nur Spekulation und der Versuch die bekannten Gebäude mit den Thermen zu verbinden.
In der Regel geht man davon aus, das es sich bei der Westseite der bekannten Gebäude um die „Schauseite“ handelt. D.h. man blickt auf den Porticus (Verbindungsgang) an dessen linken Ende der Blick auf die Aula mit ihrer Apsis fällt, während an ihrem rechten Ende die Marienkapelle mit ihrem Atrium steht.
Früher dachte man bei dem Mittelbau, von dem man ja nun weiß das er nicht zur Zeit Karls des Großen entstand, handele es sich um einen Torbau. Dem ist nicht so. Man weiß allerdings auch nicht was sich zunächst an seiner Stelle befand, also ob der Gang einfach durchlief oder sich hier vielleicht die Stelle befand die nach den Quellen zusammenstürzte.
Eine beliebt Meinung, der ich eigentlich auch nachhing, ist im Verbindungsgang eine Reminiszenz an den Palast Theoderichs des Großen zu sehen, wie er in Sant Apollinare Nuovo zu sehen ist (Bild), wobei dies ohne den Mittelbau fraglich ist.
Optische Parallelen zeigen sich aber auch, und durchaus stärker, im Vergleich mit dem römischen Prätorium in Köln (Bild1 und Bild2). Gerade das Kölner Praetorium wurde in den vergangen Jahren in ein neues Licht gerückt. Tatsächlich scheint die von Sven Schüte aufgestellte Theorie um 780 hab ein Erbeben Köln und das Praetorium verwüstet korrekt2.
Bis zu diesem Zeitpunkt diente das Praetorium nicht nur als Verwaltungssitz der Römer, sondern nahm aller Wahrscheinlichkeit auch die Funktion des Herrschaftssitzes der lokalen fränkischen Kleinkönige, wie etwa Sigibert von Köln, ein.
Somit war der beeindruckende Bau des Praetoriums auch Bindeglied zwischen Römern und Franken im Sinne einer kontinuierlichen Nachfolge.
Kurzer Einschub: Die Idee Schütes in dem oktagonalen Mittelbau einen Vorläufer, bzw ein Vorbild der Marienkapelle Aachens zu sehen, betrachte ich mit Vorbehalt. Auffälliger ist es das der zu Mitte des 9. Jahrhunderts erbaut Mittelbau der Aachener Pfalz exakt die Position einnimmt die das Oktogon im Praetorium besaß. Es stellt sich also die Frage ob dieser Bau nur eine Notlösung war um dem Vorbild ähnlicher zu sein, ergänzt durch die Frage was den Erbauer zum Neubau bewegte. Letztere Frage lässt sich vielleicht mit einem Blick in die Quellen klären!
Einhard berichtet uns, dass am Himmelfahrtstag des Jahres 813 ( der 5. Mai) eine von Karl “in mühsamer Anstrengung” errichtete Porticus zwischen Aula und Basilica bis zu den Fundamenten in sich zusammen gefallen sei. Die Annales Regni Francorum hingegen berichten über das Jahr 817, dass am Gründonnerstag dieses Jahres Ludwig der Fromme der vom Gottesdienst kommend eine hölzerne Porticus durchschritt und diese mit 20 weiterer Personen in sich zusammenfiel und alle zu Boden stürzen ließ.
Man könnte daher daraus schließen, dass man nach dem Einsturz 813 eine hölzerne Behelfslösung errichtet die bereits 817 erneut einbrach. Dies machte den Weg frei für den neuen Mittelbau.3
Egal ob Theoderichspalast oder Kölner Praetorium, beide haben eine leicht unterschiedliche, aber dennoch ähnliche Konnotation.
Die Vorliebe Karls für Theoderich ist bekannt. Er lies aus seinem Palast, bzw. was zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden war, Säulen und ein Reiterstandbild Theoderichs abtransportieren. Zu dem kommt hinzu das das die Sage es will das Theoderich durch Byzanz legitimiert gewesen sein soll einen neuen Weströmischen Kaiser zu ernennen, was er jedoch nicht tat.
Sollte dem wirklich so gewesen sein, bzw. wenn Karl der Große diesen Sachverhalt bereits kannte, könnte es sich bei einer Kopie des Palastes in der Aachener Pfalz um einen Teil seiner Herrschaftslegitimation handeln. Ebenso ist hier noch zu erwähnen das Theoderichs Palast auf den Palast der Kaiserin Galla Placidia zurückgeht und somit die Verbindung zur karolingischen Renaissance und die Verbindung zu Rom hersellt.
Ähnliches gilt auch für das Kölner Praetorium als Vorbild. Hier steht der fließende Übergang von Römern zu Franken im Vordergrund, aber auch die Verdeutlichung des Machtanspruches. Im Fall des Praetoriums war Seite die Aachens Westseite so ähnelt dem Rhein zugewand. Dennoch handelte es sich um die Schauseite, die mit ihrer beeindruckenden ca 90m langen Fassade die Germanen auf der anderen Rheinseite beeindrucken sollte.
Beiden Fällen ist also eine gewisser imperialer Machtanspruch und die Verdeutlichung der Nachfolge gemein.Dennoch muss aber darauf hingewiesen werden das es sich bei Karls Version einer römischen Palastinterpretation lediglich um einen Blender handelt! Wo es sich bei den Vorbildern noch um ganze Gebäude handelt ist Karls Version lediglich ein Gang von A nach B. Der Grund hierfür könnte auch in der bereits fortgeschrittenen Zerstörung der spätantiken Vorbilder liegen.
Hiermit merke ich an das ich dies zuerst veröffentlicht habe, falls das nächstes Jahr publiziert wird ↩
[…] None of this is recorded in known historical sources, but is quite plausible for several reasons. First of all,…
[…] historian linked to the Tribur Palts, provided a positive answer to this question. He reconstructed the itinerary of Emperor…
Auch Frau Danker wusste das der stählerne Glockenestuhl 1961 einen Stahlglockenstuhl ersetzt hat, Der alte Holzglockenstuhl von 1844 hat dem…
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Hallo Herr Wittmer, Hallo Thomas, das stimmt und wieder nicht. Tatsächlich ist das Wappen in die Wappenrolle mit dieser Beschreibung…