Trebur in den 830er Jahren – Der Fiksalbezirk
In den 834 kommt es zu Veränderungen im Fiskalbezirk Treburs. Es ist die einzige Überlieferung einer Veränderung. Wenn es vorher schon ein Ausscheiden von Geinsheim (5 km südlich von Trebur) gab, wie es Prof. Dr. Jörg W. Busch für möglich hält, ist uns dies nicht überliefert. Aber erst mal die Urkunde:
Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Ludwig, König von Gottes Gunst und Gnaden. Wenn wir durch einen Akt unserer Freigebigkeit Wohltaten, die uns von Gott erwiesen wurden, an die Stätten der Heiligen weitergeben, so wird uns das ohne Zweifel die Belohnung der ewigen Wiedervergeltung eintragen und mit Gewißheit von größtem Nutzen sein. Und so wünschen wir, daß allen Gläubigen der heiligen Kirche Gottes und unseren Getreuen, den gegenwärtigen und den zukünftigen, bekannt werde, daß es uns gefallen hat, aus Liebe zum Dienst Gottes und zum Heile unserer Seele einige unserer Güter dem Kloster Lorsch zu übergeben. Jenes Kloster liegt im Oberrheingau und ist errichtet zu Ehren des hochwürdigen Märtyrers Christi Nazarius, jenes berühmten Märtyrers, dessen Leib dort begraben ist. Das Kloster wird gegenwärtig im Namen Gottes geleitet durch den ehrwürdigen Abt Adalung. Wir schenken diesem Kloster unser Dorf Langungon ( Langen), gelegen im nämlichen Oberrheingau, mit der darin errichteten Kirche und mit den übrigen Bauwerken, Wohnhäusern, Herrenhäusern, Leibeigenen beiderlei Geschlechtes, mit Pflanzland und Brachland, mit Wiesen, Wäldern, Weiden, stehenden und fließenden Gewässern und Zubehör, mit hindurch-, heraus- und hineinführenden Wegen, mit allem bereits urbar gemachtem und noch zu rodendem Grund, mit überhaupt allem, was zur Zeit zu dem genannten Dorf gehört und unserem Eigentums- und Besitzrecht untersteht; besonders auch schenken wir jene Leibeigenen, welche im Dorfe geboren sind und bisher unserer Domäne Triburis (Trebur) dienten, nämlich Louba mit ihren drei Kindern, Muniswind mit ihren drei Kindern, Adahildis mit ihren zwei Kindern, Liebedaga mit ihrem einen Kinde. Das alles in seiner Gesamtheit gewähren wir, wie gesagt, dem vorgenannten ehrwürdigen Kloster und übertragen alles durch Schenkung unserer Freigebigkeit aus unserem gesetzlichen Eigentum in das Besitz- und Herrenrecht des Klosters. Alle vorgenannten Vermögenswerte und Leibeigenen sollen sofort und vom heutigen Tage an den Leitern und Dienern des bewußten Klosters zu Nutz und Wohl der Gesamtheit zur Verfügung stehen. Nach freiem Ermessen sollen sie im Namen Gottes darüber befinden, sich derselben bedienen und damit machen, was sie wollen. Und damit diese Schenkungsurkunde auch im Laufe der Jahre ihre unverletzliche und unbeschädigte Gültigkeit bewahre, haben wir sie eigenhändig unterschrieben und mit unserem Ringe siegeln lassen. Monogramm Ludwigs, des ruhmreichen Königs. Ich, der Diakon Adaleold, habe an Stelle von Grimald gegengezeichnet. Gegeben am 7. Januar (834), im ersten Jahre der von Christo begnadeten Regierung unseres Herrn, des ostfränkischen Königs. In der 12. Indiktion. Geschehen in der Königspfalz zu Franconofort (Frankfurt am Main), im Namen Gottes und daher unter glückverheißenden Umständen. Amen. Christe, schütze den König Ludwig! (https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/minst1966bd1/0091) (RII n1354)
Wie üblich bei Schenkungsurkunden sehen hier wieder den Passus der alles Bedeutende versucht einzuschließen: „(…)Wiesen, Wäldern, Weiden, stehenden und fließenden Gewässern und Zubehör, mit hindurch-, heraus- und hineinführenden Wegen (…). Mit diesem Passus wird vermieden , dass ein Rechtsstreit zu Stande käme. Etwa wenn nur Gewässer aufgeführt werden und man durch Argumentation nur Fließgewässer als solches bezeichnet und sich dadurch jemand Fischteiche einverleiben könnte. Aber weg von der mittelalterlichen Diplomatie, hin zu Trebur.
Durch diese Schenkung erfahren wir also das Langen vor 834 zum Fiskalbezirk Treburs gehörte. Das Langen aus dem Fiskalbezirk herausgenommen wurde, könnte daher rühren, dass es mit 20km Entfernung (Luftlinie) fast eine ganze Tagesreise entfernt lag und daher vom Zentralort schlecht zu verwalten war. Auch ein Bezug zur Wormser-Straße, der alten Heerstraße für die Sachsenkriege Karls des Großen, die auch an Lorsch vorbei führte, wird in betracht gezogen.
Aus Urkunde 3770 aus dem Jahr 876-881 aus Lorsch erfahren wir auch was zu diesem Zeitpunkt flächenmäßig zu Langen gehörte:
Das sind die Hüben, welche zu Langen gehören Die Grenzziehung (der Gemarkung Langunga == Langen; zwischen Frankfurt/M. und Darmstadt) nimmt ihren Anfang bei dem Rodesbach (Wüstung am Rutschbach zwischen Offenthal ö. Langen und dem südlich davon gelegenen Messel) genannten Ort. Sie verläuft dann mitten durch den Stafuleshart (Staffelswald; zwischen Egelsbach und Erzhausen bis sw. Wolfsgarten, vermutlich dem Rutschbach entlang, der als Heegbach zwischen Trebur und Groß Gerau in das alte Neckarbett mündet.) Von hier zieht die Grenze weiter zur Lohhensowe (Aue an der Luxhohl, einem Sumpf nw. Wolfsgarten), dann zum Ginnesheimer reine (vielleicht Quelle und Einzugsgebiet des Ginsheimer Baches, der bei Ginsheim [s. Mainz] in den Altrhein mündet), von da (vermutlich Walldorf, Gund296 •wald, Gundhof [Rest der abgegangenen Ortschaft Günthern n. Walldorf], Mitteldick, Vierherrenstein und Gehspitz einschließend) zur Drieichlahha (Drei-Eich-Grenzpunkt: in Bäume eingeschnitzte Grenzmarkierung im Reichsforst Dreieich). Die Grenze verläuft dann weiter zum Buchewege (Buchenweg nw. Buchschlag), von dort zur Spirendilinger marca (Gemarkung Sprendlingen n. Darmstadt), weiter über den Rosseshart (Roschertwald), dann über den Cubereshart (Koberswald, heute „Koberstadt“: Waldgebiet am Rutschbach zwischen Egelsbach und Messet), über Ovemdan (Offenthal s. Frankfurt/M.) und endlich wiederum nach Rodesbach. Es folgen nun die Namen der Männer, welche in Gegenwart des Grafen Ruthart, des Gesandten des Königs Ludwig des Jüngeren, den Eid leisteten, daß gemäß Beschreibung jener örtlichkeiten der in Rede stehende Wald stets zu Langen gehört habe. So hatte ihn schon ein gewisser Edelfreier namens Folcrat zu Leben und nach ihm Osther, bis unter dem genannten Osther die Leute des Königs von Tribur jenen Wald gewaltsam in Besitz nahmen und sich dann unterfingen, ihn als Eigentum anzusprechen. Dies waren die Geschworenen: Rudoch, Liutuin (Lütwin), Unarc, Gozalach, Ratger, Liubuart (Lübwart), Bernher, Adelhelm, Godehelm, Berchtunc, Drasemunt. Dies waren die Beisitzer: Graf Ruthart, Cilewart, Gernant, Rambert, Heriwic, Hilde-balt, Adelhun, Rutai’t, ein anderer Gernant, Adelhelm, Ruotwic, Altwin, Willefrit und viele andere. (Quelle Uni Erlangen)
Scheinbar hatten die Treburer also versucht Langen, bzw. den Wald wieder in ihren Besitz zu bringen. Die Gründe hierfür bleiben im Dunkeln.
Der Rest des Treburer Fiskalbezirkus ist uns im Urbar des Klosters Lorsch überliefert:
URKUNDE 3673 (Reichsurbar; Dörfer um den Reichsforst Dreieich) Über Triburen. Im Dorf Triburen (Trebur s. Mainz) befinden sich 198 Joch Ackerland, zu Stetin (Königstädtcn in der Dreieich so. Mainz) 74 Joch, in Niveitheim (Nauheim nw. Groß Gerau sw. Frankfurt/M.) 105 Joch, in Askmuntesheim (Astheim nw. Groß Gerau) 82, von denen jedes Joch 7 Pfennig zinst und front, was auch immer ihm vorgeschrieben wird. — In Franchevurt. Im Dorf Franchenvurt (Frankfurt/M.) finden sich 450 Joch Ackerland, Wiesland mit einem Ertrag von 40 Fuder (Heu.) und l Edelhof, welcher l Schwein im Wert von 2 Unzen, l Huhn, 10 Eier und l Scheffel Winterweizen zinst. Er stellt l Pferd für den Verkehr zwischen den Höfen, — Über Greozesheim. In Greozesheim (Frank furt-Griesheim) liegen 160 Joch Ackerland, Wiesland zu 15 Fuder (Heu) und l ganze Hube, welche, wie oben für Frankenvurt (Frankfurt) gesagt, l Schwein zinst und den übrigen Frondienst leistet. — Über Geisterbach, In Geisterbach (Kelsterbach sw. Frankfurt) befinden sich 80 Joch Ackerland und l Hube, welche l Schwein abliefert. Die übrige Dienstbarkeit wie oben. — Über Velawilre. Im Dorf Velavilre (Vilbel nö. Frankfurt) sind 240 Joch Ackerland, Wiesland zu 12 Fuder (Heu), l Edelhube, welche l Schwein, l Huhn und 10 Eier zinst. Sie stellt l Pferd, welches sowohl für den Verkehr innerhalb der Reichsgrenzen als auch für den Kriegsdienst in Feindesland bestimmt ist. Der übrige Herrendienst ist derselbe, wie er oben angeführt wurde. Der Förster gibt l Huhn, l Schilling und 10 Eier. Vom Bäcker in Felawila (Vilbel) werden 70 Scheffel (Brot) ausgefolgt. — Über Seckebach. Im Dorf Seckebac (Frankfurt-Seckbach) liegen 180 Joch Ackerland, Weinberge mit einem Ertrag von 26 Fuder (Wein) und l Knechtshube, die l Huhn und 10 Eier zinst und den übrigen Frondienst nach Vorschrift leistet. — Über Stetin. im Dorf Stetin (Königslädten so. Mainz) gilt die gleiche Dienstbarkeit wie in Franchenvurt (Frankfurt) mit einer Ausnahme: Es wird kein Getreide abgeliefert, sondern ein Betrag von 2 Pfennig als OsteraLgabe (vgl. Urk. 3672). — Über Niwenheim. Im Dorf Niwenheim (Nauheim nw. Groß Gerau) gibt es l ganze Hube, welcher die gleiche Dienstbarkeit obliegt. Sie zinst außerdem 2 Scheffel Winterweizen. Eine andere halbe Hube bezahlt als Zins 10 Pfennig, l Scheffel Getreide, l Huhn und 10 Eier, ferner eine Unze als Geldablösung für den Frondienst der Frauen. Sie ackert l Joch Land. — Über Biwinesheim. im Dorf Biwinesheim (Bauschheim nw. Groß Gerau) leisten 2 Huben-anteile die gleichen Abgaben und außerdem noch 2 Unzen an Stelle der weiblichen Fronarbeit. — Über Askemundestein. in einem anderen Dorf, nämlich in Askemundestein (Astheim nw. Groß Gerau) ist eine halbe Hube, welche 2 Unzen, eine ganze Hube, die 3 Unzen, und eine andere halbe Hube, die l Vi Unzen zinst. Eine weitere ganze Hube gibt 3 Unzen. 17 Morgen Zinsen 2 Unzen und l Scheffel Getreide, l Morgen Land ist zu pflügen. An Gerste ist l Scheffel fällig. Eine andere ganze Hube gibt 30 Pfennig, l Scheffel Getreide und die gleiche Menge Gerste. Sie hat l Morgen Land zu pflügen. Weitere 17 Morgen liefern l Schilling ab. — Über 255 Rucilesheim, Im Dorf Rucilensheim (Rüsselsheim w. Frankfurt) gibt l Hube 2 Unzen. —Über Mersenvelt. Im Dorf Mersenvelt (Mörfelden s. Frankfurt) liegen 24 Morgen Herren-und 5 Morgen Hörigenland, welche in der obigen Weise zinsen. Ferner werden an Forstzins %0’/2 Scheffel Winterweizen abgeliefert. — Insgesamt haben wir 112 Hofreiten und Anteile, von denen als Zins 112 Schweine, 8 Pfund Silber und 2 Unzen, 78 Scheffel Getreide und ebensoviel Gerste, 23 Scheffel Winterweizen, 120 Hühner und 1200 Eier abgeliefert werden. (Quelle Uni Erlangen)
Tatsächlich gibt dieses Urbar Rätsel auf. Es wurde mit dem Eintrag für Frankfurt vermischt. Schalles Fischer widmet sich diesem Problem in „Pfalz und Fiskus Frankfurt“ S. 269ff eingehend. Sie vermutet einen Fehler eines Kopisten, im 12. Jahrhundert oder auch schon füher, der die losen Blätter der Vorlage durcheinander brachte. Dies fiel aber dem Kopisten rasch auf, so Schalles-Fischer, so dass er bei Königstädten einen Rückgriff auf Frankfurt ausführt und später erst Mörfelden nachtrug, weil er es zunächst ganz vergaß. Ähnliche Fehler ziehen sich durch das ganze Urbar.
Sie führt weiterhin aus, dass auf Grund der Formulierungen das Schriftstück vor Ort gefertigt worden sein sollte, etwa bei einer örtlichen Inspektion. Sie datiert es schließlich, da Langen nicht aufgeführt ist, in die Zeit nach 834 bzw. nennt als Grund für die Aufzeichnung, Glöckner folgend, die Nachfolgestreitigkeiten Ludwigs des Frommen.
Es gibt aber Unsicherheiten. Warum gelangte das Dokument in den Besitz des Klosters Lorsch? Die aufgeführten Orte waren nie Teil des Selbigen. War es, wie Glöckner ausführte, tatsächlich Ludwig der Deutsche, der das Urbar nach der Übernahme des Ostreiches erstellen lies?
Das bekannsteste Urbar überhaupt ist das Doomsday Book. Es wurde im Auftrag Wilhelm des Eroberes nach der „Regierungsübernahme“ in England erstellt um die Besitzungen festzuhalten. Der etwas martialisch klingende Name rührt aus der Unveränderlichkeit des Aufgezeichenten: bis in alle Ewigkeit. Am Beispiel des des Doomsday Book zeigt sich das vorher nichts vergleichbares in England existierte. Im fränkischen Reich sollte dies aber der Fall gewesen sein. So verwundert es nicht das in letzter Zeit die Datierung des Urbars wieder diskutiert wird. Es ist nicht mehr auszuschließen das der Ursprung des Dokuments in der fränkischen Landnahme der Region im frühen 6. Jahrhundert liegt, als die Franken das ehemals alamannischen Gebiet in Besitz nahmen und für Chlodwig I. oder Teuderich I. ein Urbar der Besitzungen erstellen mussten. Es wäre weiterhin denkbar das dieses Dokument immer auf aktuellsten Stand gehalten wurde und im 9. Jahrhundert überarbeitet wurde.
Der Link zur Uni Erlangen geht leider nicht mehr. Wäre es möglich diesen zu aktualisieren?
LG Alex
Hab den Link gerade geändert: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/minst1966bd1/0091
Hallo Markus,
danke für das schnelle Update. Ich habe den Codex auch noch einmal gegengecheckt und es scheint sich hier im Artikel bei Kelsterbach ein Fehler eingeschlichen zu haben, da Kelsterbach als Gelsterbach im Codex geführt wird. LG Alex