Karolingische Bildung – Teil I – Die Grundlagen
Kurze Anmerkung vorweg: Eigentlich hätte ich diese Woche im Hotel sein sollen. Doch blöderweise wurde ich am Freitag Abend übelst krank und bin es noch immer. Seit Mittwoch kann ich zumindest wieder lesen ohne das mir die Birne auseinanderfällt. Diesen Artikel hatte ich vorbereitet um in dieser Woche noch einmal zu überarbeiten, was aber ausgefallen ist. Sollten daher einige Aspekte unter den Tisch gefallen sein, werden ich sie in den folgenden Teilen die sich mit den „Institutionen“ der Bildung und deren „Fächern“ auseinander setzten, nachholen.
Als große Errungenschaft der Karolingerzeit gilt die karolingische Bildungsreform. Doch das Konzept einer “Bildungsreform”, Karl dem Großen in die Schuhe zu schieben, greift bei weitem zu kurz und wahrscheinlich hatte Karl der Große selbst einen eher geringen Teil an dieser Reform. Sein Anteil beschränkte sich wohl auf die entsprechenden Anordnungen.
Als einer der entscheidenden Elemente der Bildungsreform gilt das Admonitio generalis, ein Kapitular aus dem Jahr 789.
Wahrscheinlich wurde dieses Kapitular nur in kleinem Rahmen beraten und es war wohl auch nicht Theodulf von Orléans, der hier an der Arbeit war1 sondern vielmehr Alkuin, denn die für Theodulf üblichen Wendungen fehlen, stattdessen taucht immer wieder Alkuins “Lieblingswort” quapropter, neben anderen typischen Formulierungen, auf. 2
Auf den ersten Blick werden in diesem Kapitular lediglich religiöse Themen behandelt, da aber Religion ein zentrales verbindendes Element des Frankenreiches ist und Bildung auch in den Bereich der Religion fällt, kommt diesem Kapitular der entscheidende Anteil zu.
Um die Religion dem Volk besser verständlich zu machen, fordert Kapitel 68 das das Herrengebet, gemeint ist das “Vater Unser”, und die Predigt “volkssprachig” erfolgt. Gemeint ist, dass in fränkisch gebetet und gepredigt werden soll. Dies wurde auf der Synode in Frankfurt 794 noch einmal bekräftigt und die Volkssprache den drei Bibelsprachen, Latein, Griechisch und Hebräisch, gleichgestellt.
Kapitel 70 sieht vor das die Bischöfe und Kleriker Schulen einrichten für Unfreie(!) und Freie Jungen damit diese lesen lernen und in Psalmen (psalmos), Schriftzeichen (notas) , Gesängen (cantus), Zeitrechnung (compotum) und Grammatik (grammaticam) unterrichtet werden.3 (Auf die einzelnen Fächer gehe ich in einem der späteren Teile ein )
Die Religion ist ein verbindendes Element dieser Gesetze, doch nicht allein die Verbreitung der Religion sollte den Ideengebern mit Alkuin und Karl im Sinn gewesen sein. Das Frankenreich wuchs immer weiter. In einer Lebenswelt ohne schnelle Kommunikation war man auf gebildetes Personal angewiesen, welches Befehle umsetzen und interpretieren konnte, genauso wie solches Personal, das schriftliche Befehle lesen und entsprechende Nachrichten weitergeben konnte.
Sicherlich wäre das auch im Verfahren “Stille Post” möglich, aber eine Nachricht aus Aquitanien auf diese Weise an den Plattensee zu senden könnte verheerende Folgen haben, wenn man wegen der Geschwindigkeit den Boten wechseln muss.
Karl dem Großen aber vorzuwerfen, die Religion als Vehikel zur Verbreitung seiner Macht zu missbrauchen, wäre jedoch falsch. Das religiöse Verständnis, das Verständnis von Macht und die Begründung für deren Ausführung bzw. das Verständnis von Actio und Reactio war ein anderes.
Für uns heute wäre es vielleicht “Karl verbreitet Schrift unter dem Vorwand der Religion und erhält dadurch Wege Kommunikation”, für Karl war es eher “Karl verbreitet die Religion, durch Gott und Gottes Wort wird die Christenheit geeint, das Ergebnis dieser Einheit ist eine von Gott gegebene Möglichkeit der Kommunikation“.
Für uns mag das Ergebnis auf dasselbe rauskommen. Für Karl und seine Umwelt jedoch nicht. Karl war nur das Werkzeug, das einen von Gott gegebenen Idealzustand versuchte herzustellen.
Gerade aber der Vermerk, dass die Schüler notas lernen sollen, ist aber dann doch ein Hinweis auf einen mehr als reinen kirchlichen Sinn, denn es handelt sich nicht um einfache Buchstaben, sondern um Tironische Noten. Ein Kurzschriftsystem, ähnlich der Stenographie, das bereits in römischer Zeit entstand und über die Jahrhunderte weiterentwickelt worden war. Zwar gibt es auch einige Handschriften von Psalmen in Tironischen Noten, aber gerne wurde es in Notizenund Kommentaren in Büchern oder Briefen und diplomatischen Dokumenten wie Urkunden verwendet.
Auch die karolingische Minuskel, an der Alkuin wohl einen entscheidenden Anteil hatte, wie die Perfektion der touronischen Alkuin Bibeln zeigt, bekommt neben einer einheitlichen Verbreitung der Religion auch einen Sinn in der Kommunikation. Egal wo ich mich im Reich aufhalte, kann ich nicht nur die Bibel lesen sondern auch Befehle empfangen, aufschreiben oder aufschreiben lassen und mein Kommunikationspartner kann diese lesen.
Doch diese Bildungsoffensive war keine vollkommen neue Idee und die unterrichteten Fächer nicht aus der Luft gegriffen. Sie entstammen den bereits in der Antike entstanden Sieben freien Künsten ( septem artes liberales ), wobei sich das “frei” nicht auf die Künste bezieht, sondern auf den Schüler. Es war die Bildung, die einem freien Mann zustand.
Es wird angenommen, dass Karl der Große selbst in diesen Künsten, oder zumindest in Teilen davon, ausgebildet wurde. Wahrscheinlich in der Klosterschule von St. Denis. Zudem berichtet Einhard, dass er sich auch noch im Alter in diesen Fächern von den Gelehrten am Hof hatte unterrichten lassen, jedoch war das Schreiben nicht seine Stärke .
Dass diese Fächer auch sonst, zumindest für Adelige, üblich waren, zeigt auch die Biographie Einhards selbst. Dieser hatte bereits vor dem Admonitio generalis seine Ausbildung in der Klosterschule Fulda angetreten, wo er ab 788, also ein Jahr vor dem Kapitular, als Urkundenschreiber bezeugt ist. Man darf in diesem Zusammenhang nicht müde werden, zu betonen, dass Einhard kein Mönch war. Er war Sohn einfacher Adeliger aus dem Maingau und lediglich zur Ausbildung nach Fulda geschickt worden und kam 794 zur weiteren Ausbildung an den Aachener Hof.
Die sieben Künste bestehen, wie der Name bereits andeutet, aus sieben Fächern, die sich wiederum in zwei Gruppen gliedern. Zunächst das Trivium zu drei Fächer mit Grammatik, Dialektik und Rhetorik, sowie dem Quadrivium mit Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. (Auch hierzu in einem weiteren Teil mehr)
Nun waren für freie und unfreie junge männliche Kinder die Möglichkeit gegeben, von Bischofskirchen und Klöstern eingerichtet Schulen zu besuchen. Frauen oder Mädchen waren aber von dieser Bildungsmöglichkeit ausgenommen. Es gab für sie nur zwei Möglichkeiten, eine höhere Bildung zu erreichen.
Die Erste war der Eintritt ins Kloster. Diese Möglichkeit war auch Unfreien gegeben, wenn ihr Herr die Erlaubnis dazu gab. Jedoch war dies eine Einbahnstraße, ein Weg ohne Zurück. Es gab aber auch eine flexiblere Möglichkeit, doch dieser war unfreien Frauen verwehrt und selbst für Freie meist nur mit entsprechender finanzieller Möglichkeit gegeben: Der Eintritt in einen Damenstift.
Dies vertritt z.B. Pierre Riché in “Die Karolinger” ohne dies zu begründen ↩
MGH, H. Mordek, K. Zechiel-Eckes, M. Glatthaar, Die Admontis Generalis Karls des Großen S47ff ↩
Et non solum servilis conditionis infantes, sed etiam ingenuorum filios adgregant sibique sociant. Et ut scolae legentium puerorum fiant. Psalmos, notas, cantus, computum, grammaticam per singula monasteria vel episcopia et libros catholicos bene emendate, qui sepe dum bene alique deum rogare cupiunt, sed per inemendatos libros male rogant. ↩
Sehr geehrter Herr Zwittmeier, zur Ortsnamen-Geschichte von Geinsheim hier ein paar Anmerkungen. Die Zuordnung der Namen Gemminesheim und Gemminisheim im…
Danke Christian, tatsächlich war ich vor 2 Jahren dort, muss aber gestehen das ich den Textilien wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.…
Hi. Bin grad über den Artikel gestoßen. Wenn du mal in die Nähe von Hildesheim kommst: Im dortigen Domschatz befinden…
Nein aktualisiert nicht. Die müsste noch in der Variante wahrscheinlich noch irgendwo in meinem Archiv schlummern
Hallo Markus, hast du die Karte zwischenzeitlich zufällig für einen anderen Post/Vortrag/Ausstellung aktualisiert?