Wer war Willigis?
Die Frage erscheint ein bisschen simpel. Willigis war Bischof von Mainz. Gut, aber die Person erscheint mir derart interessant, auch im Bezug auf die Pfalz Tribur, dass man vielleicht versuchen sollte hinter die Fassade zu blicken.
Willigis wurde irgendwann um 940 geboren. Auch wenn Schöningen gerne als sein Geburtsort angegeben wird, ist dies nicht wirklich sicher. Die Deutsche Biographie fasst es daher weiter und nennt die Region um Walbeck. Sicher ist, dass er Sohn freier, aber nichtadliger Eltern war.
Als solchem war ihm ein sozialer Aufstieg nur als Priester möglich. Doch wo der Sachse Willigis ausgebildet wurde und wo er seinen zukünftigen Mentor, den späteren Bischof Volklod von Meißen, der damals noch Lehrer des jungen Otto II war, kennenlernte, liegt wieder im Dunkel.
Wahrscheinlich 969 wird Volklod Bischof von Meißen, er bringt nun Willigis als Schreiber in der Kanzlei Ottos des Großen unter, eine Aufgabe die wohl auch Volklod inne hatte. Hier steigt Willigis schnell auf und taucht ab 1 . Dezember 971 als Kanzler in einer Urkunde auf. Dieses Amt behält er auch unter Otto II.
Mit dem Tod des Mainzer Erzbischofs Ruprecht 975 wird der Bischofsstuhl des noch nicht ganz bedeutendsten Bistums des Reiches vakant. Ruprecht hat nicht viele Spuren hinterlassen. Otto II. ernennt Willigis zum neuen Erzbischof von Mainz, der aber auch das Amt des Kanzlers behält.
Die Wahl eines nicht Adeligen in das Amt des Bischofs von Mainz scheint einigen Unmut erregt zu haben, waren doch die vorherigen Bischöfe adeliger Herkunft, zumal die Wahl auch sehr schnell erfolgte.1
Von Papst Benedikt VII wird Willigis zu diesem Anlass zum päpstlichen Vikar auf Lebenszeit ernannt. Damit ist Willigis der Vertreter des Papstes nördlich der Alpen bzw. im Kernreich. Eine Funktion, die sich auch auf seine Nachfolger übertragen wird und damit die Vormachtstellung des Mainzer Bistums begründet. Jedoch ist das Recht auf die Königskrönung nur Willigis übertragen und wird später ein Streitpunkt zwischen Mainz, Trier und Köln.
Im selben Jahr richtete Willigis den Disibodenberg wieder ein, den Bischof Hatto II. hatte auflösen lassen. Es ist Willigis erste Stiftung. Zahlreiche weitere, etwa in Mainz, Aschaffenburg und Thüringen, werden folgen.
Als Otto II 980 nach Italien zieht, wird neben Herzog Bernhard von Sachsen auch Willigis zum Stellvertreter des Kaisers im Reich. Einige der letzten Absprachen vor der Abreise erfolgten wahrscheinlich in Tribur, zumindest trafen sich Willigis und Otto II hier.
Durch die Veroneser Schenkung 983 beim Reichstag in Verona, zudem auch Willigis mit 100 Panzerreitern, den milites St. Martini, angereist war, erhielt das Bistum Mainz nun ein zusammenhängendes Gebiet im Rhein und Nahegau, ähnlich einer Grafschaft. Als Willigis Ende Juni wieder die Rückreise über die Alpen antritt, wird ihm der kleine Otto III, der e in Verona zum König gewählt wurde, übergeben. In ihrer Begleitung befindet sich wahrscheinlich der griechische Mönch Gregor, der später das Kloster Burtscheid gründen wird.
Der gesamte Veroneser Reichstag und die Schenkung an Willigis sollte das Reich stärken, nachdem 982 bei der verlorenen Schlacht am Kap Colonna gegen die Sarazenen viele Große des Reiches gefallen waren. Zudem war man bestrebt, gerade den Mittelrhein mit den wichtigen Pfalzen Ingelheim, Frankfurt und Trebur besonders gesichert zu sehen.2 Ebenfalls beim Veroneser Reichstag erhält der Konradiner Konrad das Herzogtum Schwaben und hält sich vermehrt im Rheingau mit Trebur und Lorsch auf, verwaltet möglicherweise die Pfalz Ingelheim und erscheint häufig an der Seite von Willigis.3
Ende des Jahres starb Otto II. auf seinem Italienzug. In Aachen ist es Willigis der den 3 jährigen Otto III. krönen wird. Doch Heinrich der Zänker entführt Otto III. und will mit der Vormundschaft auch die Macht erlangen. Williges ist es , der ein Schreiben nach Italien an Kaiserinmutter Adelheid und Kaiserin Theophano sendet und diese auffordert zurück zu zurückzukehren.
Am 5. Februar 985 kommt es in Mühlhausen zur Ausstellung einiger wichtiger Urkunden.
991 Stirbt Kaiserin Theophano. Willigis hat nun in Stellvertretung für Otto III die Macht im Reich bis zur Mündigkeit Otto III im Jahr 994
Ein erstes Bauprojekt des Willigis entsteht auf einem Hügel, der die Stadt überragt und der ein römisches Ruinenfeld beherbergt. Passend der Name: St. Stephan, was auf griechisch Krone oder Haupt bedeutet. Und die Kaiserinwitwe Theophano ist wohl eine der Initiatoren des Baus.
992 wird der Stift St. Stephan erstmals erwähnt, aber wahrscheinlich waren die Bauarbeiten noch nicht völlig beendet. Das Aussehen des Ursprungsbau ist nicht sicher, da Grabungen 1959, hektisch und ohne echtes Ergebnis verliefen. Doch der Grundriss der heutigen gotischen Kirche gibt Hinweise, denn diese scheinen direkt auf der Ursprungsform aufzusitzen, was sich mit den Berichten des Umbaus deckt. Demnach gab es eine halbrunde Apsis mit Apsisjoch, an das sich ein Querhaus anschloss, das nur wenig über das kurze dreischiffige Schiff hinausragte. Die Kirche schloss mit einem Westquerhaus ab, das nur die Breite des Schiffes besaß und an das ein rechteckiger Westchor anschloss.4
Ein Schema, das ältere karolingische Formen mit den ottonisch-sächsischen Formen kombiniert.
Die in der Wikipedia im Bezug auf “Hans Baumann: Daten der Mainzer Stadtgeschichte. In: Stadt Mainz (Hrsg.): Vierteljahreshefte für Kultur, “ Politik, Wirtschaft, Geschichte. II Verlag Hermann Schmidt, Mainz 1993.” geäußerte Vermutung, St. Stephan sei in Holz ausgeführt gewesen und erst durch Bardo in Stein gebaut und geweiht worden, beruht auf der Missinterpretation einer Urkunde. Der Bau aus Holz , der später in Stein ausgeführt wurde, ist tatsächlich die Kirche in Schloßborn bei Königstein, die dem Stift St. Stephan in dieser Urkunde übereignet wurde. Von Anfang an war St, Stephan in Stein ausgeführt und neben St. Alban eine der größten Kirchen in Mainz.
St. Stephan und St. Alban in Mainz wurden erst durch den Bau des neuen Mainzer Doms übertroffen. Wann Willigis mit diesem Bau begann ist nicht bekannt und wird auch ausgiebig diskutiert. So ist es durchaus möglich das Willigis 30 Jahre dafür brauchte, dann hätte er aber mit St. Stephan und dem Dom zwei Großprojekte gleichzeitig am Laufen gehabt. Es wäre also auch möglich das zunächst St. Stephan beendet wurde und der Dom in einem gewaltigen Kraftakt errichtet wurde.
Wie auch der Bau von St. Stephan, so ist der Bau des Martins Domes nicht wirklich nötig für die Stadt. Kirchen gibt es genug. St. Alban vor den Toren der Stadt ist eine der bedeutendsten Kirchen überhaupt. Es ist Grabstätte von Karls des Großen Frau Fastrada, Begräbnisort vieler Bischöfe und besitzt eine bedeutende Klosterschule. Eine neue Kirche mit knapp 100m Länge, zuzüglich Vorkirche und Verbindungsgang zum Alten Dom (Johanniskirche) ist eigentlich nicht nötig. Es ist ein reines Prestigeprojekt und ein Statement.
Sollte die Theorie zur Baugestalt St. Stephans stimmen, so ist der Mainzer Dom eine Verfeinerung dieser Baugestalt. Zusätzlich versehen mit Treppentümen am schmalen Querhaus. Hinzu kommt eine weitere Besonderheit. Die Kirche ist gewestet. Wie der Petersdom in Rom. Eine Art Petersdom nördlich der Alpen für den Stellvertreter des Papstes nördlich der Alpen. Man muss jedoch anmerken dass Mainz nicht die einzig gewestete Kirche nördlich der Alpen ist. Schon die Fuldaer Ratgarbasilka folgte diesem Schema und hob sich so von anderen Kirchen ab und betonte ihre Stellung.
Das Willigis sich als Königsmacher etablieren will, ist aber nicht wahrscheinlich. Um 1000 rechnet niemand damit, dass bald wieder ein König gekrönt wird. Man rechnet eher mit der Hochzeit Ottos III und der Geburt eines Thronfolgers.
Eher lag es Willigis im Sinn die Vormachtstellung des Bistums Mainz zu manifestieren.
993 weihte Willigis Bernward zum Bischof von Hildesheim. Der adelige Bernward und Willigis gerieten immer wieder aneinander, was sogar den Papst und Kaiser zum Einschreiten zwang und doch befruchteten sie sich gegenseitig.
Willigis scheint immer wieder bemüht gewesen die Wogen zu glätten. Der bekannteste Konflikt zwischen den beiden war der Beginn des Gandersheimer Streits. So sollte Willigis die neue Stiftskirche in Gandersheim weihen und lud Bernward ein, dies gemeinsam mit ihm zu tun. Dies war der Versuch einer Konfliktlösung, denn ursprünglich sollte der Stift auf Mainzer Boden entstehen, lag aber letztendlich in Hildesheimer Gebiet. Wer aber sollte hier die Weihe vornehmen? Willigis, der Ranghöhere oder Bernward auf dessen Gebiet Gandersheim lag? Die Stifterin hatte Willigis als Ranghöheren bevorzugt. Dieser Konflikt eskalierte als Willigis zum vorgesehenen Termin nicht in Gandersheim erscheinen konnte und seine Anreise um eine Wochen verschieben musste. Bernward wollte daraufhin die Stiftskirche alleine weihen, wurde aber von den Nonnen daran gehindert.5 Dieser Streit zwischen mainz und Hildesheim sollte sich noch bis 1030 ziehen.
Und doch wird Bernward in höchsten Tönen über Willigis schreiben nach dessen Tod.
Auch scheint dieser ihn nachahmen und übertrumpfen zu wollen. Schuf Willigis mit den Bronzetüren des Mainzer Doms die ersten großen gegossenen Türen seit Kaiser Karl, wie er auf ihnen notieren lässt, erschafft Bernward die noch größeren und aufwändigen Bernwardstüren in Hildesheim. Der Mainzer Dom hat an seinem Ostquerhaus zwei runde Treppentürme. St. Michael bekommt von Bernward in fast perfekter symmetrie 4 Türme an den Querhäusern.
Doch Willigis ist nicht nur Schöpfer von Bauwerken. Er lässt ein Triumphkreuz fertigen, das Benna Kreuz aus Zypressenholz mit Goldauflage, dessen übergroßer Christus aus 600 Pfund Gold und Edelsteinen bestand. Bereits im 13. Jahrhundert war das Kreuz nicht mehr vorhanden. Zur Schuldentilgung war es immer weiter zerpflückt worden, bis nichts mehr davon übrig blieb.
Erhalten blieben aber zwei Kaseln aus byzantinischem Seidendamast. Die eine, bekanntere, wurde in St. Stephan verwahrt und soll dem Grab entnommen worden sein, wobei ihr Zustand dagegen spricht das mit ins Grab gegeben wurde6. Sie befindet sich im Dommuseum Mainz. Die andere Kasel stammt aus St. Victor, wurde wegen der französischen besetzung Mainz 1793 in Aschaffenburg verwahrt und befindet sich nun im Bayerischen Nationalmuseum in München. In Webtechnik und Material sind die Kaseln identisch, unterscheiden sich jedoch in Form der dargestellten Palmetten. Wilhelm Jung geht von einer Herkunft aus Konstantinopel aus und vermutet das die Stoffe ursprünglich zum Brautschatz Kaiserin Theophanos gehörten. Auf Grund der guten Beziehungen zwischen Willigis und Theophano bekam er sie übereignet.7 .
Im Jahr 1002 wird Willigis dann doch wieder, entgegen aller Erwartung zum Königsmacher als Otto III stirbt. Der spätere Heinrich II. hatte die aus Italien kommende Leiche Ottos III. abgefangen, die mitgeführten Reliquienan sich genommen und Herz und Eingeweide Ottos in Augsburg beisetzten. Jedoch fehlte unter den Reliquien die heilige Lanze. Diese war im Besitz seines Kontrahenten Hermanns von Schwaben, der auch Aachen besetzt hielt. Heinrich wird daraufhin von Willigis in Mainz ohne Lanze gekrönt. Mehr dazu hatte ich 2011 einmal hier geschrieben.
1008 plant Willigis die Weihe seines neuen Doms. Auch Heinrich II. war wahrscheinlich anwesend. Doch noch während der Feierlichkeiten brennt der Dom nieder. Willigis schafft es nicht mehr den Dom wieder herzustellen. Erst Bischof Bardo kann den wieder aufgebauten Dom am Martinstag 1036 in Anwesenheit Kaiser Konrad II weihen. Aber schon Heinrich IV wird einen weiteren Umbau initieren..
Auch wenn es unter Heinrich II ruhiger wird, was die Erwähnung des Mainzer Erzbischofs in Urkunden angeht, so scheinen doch Heinrich und Willigis einer Wellenlänge zu liegen. Die Gründung des Bamberger Bistums durch Heinrich wäre ohne das Zutun und dem Wohlwollen Willigis nicht möglich gewesen. Genauso die Wiederherstellung des Bistums Merseburg 1004.
Doch mit Brand des neuen Doms 1009 finden sich keine Erwähnungen mehr von Willigis in Urkunden. Man hat den Eindruck, dass der Brand des Domes Willigis gebrochen habe.
Am 23. Februar 1011 stirbt Willigis. Er wird in St Stephan beigesetzt. Wahlweise weil es seine Lieblingskirche war, oder eben weil der neue Dom niedergebrannt war. Sein Nachfolger wird Erkenbald dessen Grab vor einiger Zeit in der Johanniskirche, dem alten Dom, aufgedeckt wurde.
Über seine Persönlichkeit erfährt man recht wenig. Er soll schweigsam gewesen sein, aber als Prediger um so eindrucksvoller. Wilhelm Jung nennt auf Grund des Schnitts der Kaseln eine Körpergröße von 190cm.8 Eine beeindruckende Gestalt also. Ein einziges zeitgenössisches Bildnis des Willigis existiert, ein Siegelbildnis von 1006 zeigt einen hageren Mann, mit dünnen Hals in scheinbar viel zu großen liturgischen Gewändern, Bischofsstab und großem runden Kopf mit hängenden Wangen und kahlem Schädel. Er erinnert ein wenig an Ghandi.
Werner Goez, Leben und Werk des heiligen Willigis in 1000 Jahre St. Stephan in Mainz S. 15 ↩
Franz Staab, Reich und Mittelrhein um 1000 S65 ↩
(( Franz Staab, Reich und Mittelrhein um 1000 S72 ↩
vgl. Ernst Coester Die Baugeschichte und künstlerische Stellung der St. Stephanskirche S411 ff ↩
Werner Goetz, Leben und Werk des heiligen Willigis S26 ↩
Wilhelm Jung, Die Willigis Kasel aus St. Stephan in Mainz, S.540 ↩
Wilhelm Jung, Die Willigis Kasel aus St. Stephan in Mainz, S.543 ↩
Wilhelm Jung, Die Willigis Kasel aus St. Stephan in Mainz, S.545 ↩
Sehr geehrter Herr Zwittmeier, zur Ortsnamen-Geschichte von Geinsheim hier ein paar Anmerkungen. Die Zuordnung der Namen Gemminesheim und Gemminisheim im…
Danke Christian, tatsächlich war ich vor 2 Jahren dort, muss aber gestehen das ich den Textilien wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.…
Hi. Bin grad über den Artikel gestoßen. Wenn du mal in die Nähe von Hildesheim kommst: Im dortigen Domschatz befinden…
Nein aktualisiert nicht. Die müsste noch in der Variante wahrscheinlich noch irgendwo in meinem Archiv schlummern
Hallo Markus, hast du die Karte zwischenzeitlich zufällig für einen anderen Post/Vortrag/Ausstellung aktualisiert?