Frühmittelalterliche Tragaltäre
Im Moment bin ich genötigt worden, mal den Keller und die Garage aufzuräumen. Da wo sich die “das mach ich im Winter”-Sachen stapeln. Jeder, der irgendwie im Reenactment, Living History oder sonst wie mit darstellender Geschichte zu tun hat, kennt diese Baustellen.
Da aber Massivholz zu kostbar ist, um es wegzuschmeißen, muss natürlich wieder was draus gemacht werden (au Weia, noch ne Baustelle…).
Seit ewigen Zeiten möchte ich mir einen Reliquienkasten, am besten mit einem Tragaltar verbunden, herstellen. Ein sogenanntes tragaltarförmiges Reliquiar. Doch leider treten die erst im 11. Jahrhundert auf und sind somit ausgeschieden.
Also begab ich mich auf die Suche nach karolingischen Tragaltären. Jeder der im Mittelalter reiste oder in die Schlacht zog und unterwegs einen Gottesdienst beiwohnen wollte an einer Stelle an der es keine Kirche gab hatte einen Trag- oder Reisealter bei sich. Als Laie entsprechend noch einen Mönch oder Priester. Ironischer Weise war es das Konzil von Tribur (895) dass die Popularität von Reisaltären noch förderte. Denn dort wurde beschlossen , dass auf einem Altar pro Tag nur drei Gottesdienste stattfinden dürfen. Diese Beschränkung umging man indem man einfach einen Reisealtar auf den normalen Altar stellte und mit der Zählung von vorne anfing.1
Und ich muss wieder einmal sagen, dass ich verlassen gewesen wäre , wenn ich mich auf Wikipedia verlassen hätte! Dort befindet sich nämlich unter “Arnolf von Kärnten” der Satz: “Das Arnulf-Ziborium ist der einzige erhaltene frühmittelalterliche „Reisealtar“. “
Aber das stimmt nicht!
Zunächst aber zum Arnulf Ziborium. Es besteht aus einer marmornen Bodenplatte, dem eigentlichen Altar, auf dem sich ein ca. 60cm hoher “Turm” erhebt, das eigentliche Ziborium – ein Altaraufbau.2
Nach einer Suche die etwa 10 Sekunden dauerte, liebe Wikipedia, fand ich einen weiteren karolingischen Tragaltar. Den Adelausener Tragaltar aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. ( Abbildung :https://onlinesammlung.freiburg.de/index.php/de/object/Tragaltar%20-%20Adelhauser-Tragaltar/07A7CDD8476CFA34BE1D02AA80915918 )
Basis dieses Altares ist eine Eichenbrett mit einer Größe von 37,7 x 17,3 x 1,5 cm. In dieses ist eine Porphyrplatte eingelassen, die ursprünglich aus Ägypten stammte (Dokhan-Vulkaniten). Umgeben ist die Porphyrplatte von Silberplatten mit Nielo und Vergoldung und auf den Langseiten mit kreisförmigen Zellenschmelzeinlagen die an Kreuzemailfibeln erinnern.
Das Problem an diesen Reisealtären ist jedoch, dass sie verhältnismäßig aufwändig zum Nachbauen sind. Doch es gibt Textquellen die auf wesentlich einfachere Varianten hindeuten: Die Miracula Sancti Dionysii, die uns mitteilt, dass Mönche aus St. Denis eine einfache Holztafel als Altar während des Feldzugs gegen die Sachsen nutzten.3
Dass es sowas auch im Frankenreich gab, zeigt die Information in der Miracula Sancti Dionysii, die uns mitteilt das Mönche aus St. Denis eine einfache Holztafel als Altar während des Feldzugs gegen die Sachsen nutzten.4 Nur eben erhalten hat sich so ein “Brett” nicht aus dem Frankenreich nicht.
Ein, wohl recht ähnliches Brett, hat sich jedoch aus England erhalten. Im Grab des hl. Cuthberd fand sich seine Trag- bzw- Reisealtar. Ein einfaches Holzbrett von ca. 15 x 12cm in das in die vier Ecken und der Mitte ein Kreuz geschnitzt worden war und im unteren Bereich den geschnitzten Schriftzug : IN HONOREM S. PETRU aufwies. Der 687 verstorbene Cuthbert hatte den Altar in Lindisfarne mit in den Sarg gelegt bekommen . 699 wurde Cuthbert exhumiert und in einem steinernen Sarg neben dem Altar beigesetzt und 875 wegen der Einfälle der Nordmänner zunächst nach Cester-le-Street und 995 nach Durham gebracht. Wahrscheinlich bei der ersten Graböffnung wurde das Altarbrett mit einem Silberblech beschlagen und wieder ins Grab gelegt. Heute befindet es sich im Museum der Durham Cathedral, wobei Brett und Silberbeschlag wieder getrennt wurden.
( Abbildung der Replik bei Flickr: https://www.flickr.com/photos/leatherworkingreverend/14211745745 )
Bei den vielen Graböffnungen die Cuthbert durchmachte, man öffnete auch immer wieder zwischendrin das Grab um den unverwesten Leichnam zu zeigen und ihm Haupt- und Barthaare mit dem beiliegenden Pontifikalkamm zu kämmen, und die Umzüge
Somit haben wir nicht nur ein, sondern drei frühmittelalterliche Tragaltare in drei verschiedenen Ausbaustufen. Wobei anzumerken ist, dass es zwischen dem Holzbrett Cuthberts und dem Adelausener Tragaltar wahrscheinlich verschiedenste Ausbauvarianten gab.
Was allen dieser Tragaltare gemein ist: Sie enthalten keine Reliquien, wie es in heutigen Altären üblich ist. Im Früh- und frühen Hochmittelalter war es noch nicht üblich, Reliquien in einen Altar zu packen. Stattdessen wurden Reliquiare darauf oder in ein offenes Fach im Altar gesteckt. Wenn überhaupt.
D.Cremer Tragealtarförmige Reliquiare des Mittelalters S35 ↩
Bilder bei der deutschen digitalen Bibliothek ‘: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/6VE2WSASTOF5UGS3ALJYHMBVAQYHBDVE ↩
D.Cremer Tragealtarförmige Reliquiare des Mittelalters S16 ↩
D.Cremer Tragealtarförmige Reliquiare des Mittelalters S16 ↩
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