Der Rechteckmantel Heinrichs II
Wer sich mit den Karolingern oder dem Frühmittelalter und der Kleidung jener Zeit beschäftigt, wird sich irgendwann die Frage nach einem Mantel stellen.
Man liest dann von der Chlamys , dem Rechteckmantel, forscht vielleicht ein bisschen weiter und stößt vielleicht auf den Thorsberger Prachtmantel und weiß aber immer noch nicht wie groß den nun eigentlich ein normaler, wenn es denn so etwas wie normal gab, Mantel war.
Es gibt ja keinen mehr. Oder doch?
Tatsächlich hat die Forschung der letzten Jahre gezeigt daß es noch gesichert einen etwa 1000 Jahre alten Rechteckmantel gibt.
Ab 2016 untersuchte die Universität Bamberg die Bamberger Kaisergewänder, eine Sammlung von 6 Kleidungsstücken, bestehend aus einem Rationale, eine Tunika und 4 Mänteln, die dem Kaiserpaar Heinrich II und Kunigunde zugeschrieben werden.
Doch hier geht es nun nicht um den bekannten Sternenmantel sondern um den Reitermantel.
In der Tradition wurde der Reitermantel immer Heinrich II. zugeschrieben. Seinen Namen trägt er nicht etwa weil er zum Reiten getragen wurde, sondern weil die aufgestickten Medaillons einen Reiter zeigen. 5 Medaillons (jeweils ca. 60cm groß )an der Langseite und 2,5 Medaillons an der Kurzen. Und schon diese Medaillons sind in ihrer Darstellung eigentümlich. Auf einem Pferd reitet ein Herrscher mit wallendem Umhang und Bügelkrone mit Lilien und Pendilien. In einer Hand hält er ein Lilien- bzw. Blütenzepter in der Anderen einen Falken. Dabei reitet er drei Feinde nieder während er von vorne von einem Löwen angegriffen wird. Die Stickereien sind in Goldlahn in Anlegetechnik auf blauem Seidengewebe ausgeführt.
Schon alleine diese Darstellung ist ein eigentümlicher Mischmasch. Kleidung und Löwe erscheinen byzantinisch, die Darstellung von Falkenjagd und Niederreiten der Feinde ist orientalisch-persisch/ sassanidisch und Bügelkrone mit Lilien und Zepter sind westlich. Wobei die Bügelkrone stark an jene Bügelkrone erinnert die Heinrich II auf Abbildungen trägt. Die heute befremdlich wirkenden Pendilien (Perlenanhäger) waren standard der mittelalterlichen Kronen sind aber heute fast vergessen, weil sie zum Beispiel an der Reichskrone abhanden kamen.
Zudem befindet sich auf dem Textil eine Vorzeichnung für die Stickerei. Diese besteht aus Protein (Eiweiß oder Knochenleim) , ungesättigte Fettsäuren, Ockerpignement, Quarz und Arsensulfid (Goldpigment). Also etwas das man als Tempera bezeichnen könnte, wenn den Ei im Spiel war.
Die Art der Vorzeichnung und die Ausführung mit den unterschiedlichen Symbolen legen nahe das es sich um eine heimische Werkstatt handelte die den Stoff mit den zum Teil exotischen Abbildungen bestickte. Wohl eine Auftragsarbeit mit der der Herrscher seinen umfassenden Anspruch darstellen wollte.
Die Medaillons sind so angeordnet daß das sie vom Zentrum des halbkreisförmigen Mantels ausgehen. Die Doch der Mantel war nicht immer halbkreisförmig. Diese Form erhielt er erst bei einer Restaurierung in den 1950ern.
Zuvor diente er als Messewand, als Glockenkasel. Dazu war der Halbkreis geschlossen worden, so dass ein kegelförmiges Kleidungsstück entstand. Die Verbindung stellte dabei eine rot-goldene Borte mit Vögeln und Ranken die mit Brettchenwebborte gefasst war.
Zudem dem gibt es einen weiteren blauen wabenartigen Seidenstoff bei dem es sich wohl um das Futter handelte. Dieses ist mit einer eingewebten kufischer Inschrift verziert die den Text “al-mulk li-Llah” (Die Herrschaft gebührt Gott) sowie “al-sukr” (Dank) und “baraka” (Segen) trägt.
Marchart des Stoffes und Schrift sind nahezu identisch mit einem Hüllstoff des hl. Ambrosius in Sant’ambrogio Mailand, der auf Grund der Nennung des Marwanidenfürsten Nasr al-Dawla Abu Nasr (Regierungszeit 1011-1061) sicher datierbar ist. Es wäre sogar denkbar das beide Stoffe aus derselben Werkstatt stammen. Dieser Stoff war also für den Mantel importiert oder zusätzlich gekauft worden. Vielleicht war es aber auch ein Geschenk.
Bei der Untersuchung des Textiles zeigte sich daß die Medaillons für die Verwendung als Kasel zum Teil gedreht und verschoben wurden. Mit dieser Erkenntnis wusste man nun auch woher die Fragmente weiterer Medaillons stammten, die sich im Archiv befinden. Sie waren die Reste vom Zurechtschneiden der Medaillons beim schneidern zum halbrunden Messewand.
Mit diesem Wissen konnte man nun die Ursprungsform des “Reitermantels” rekonstruieren.
Demnach handelte es sich um rechteckiges, besticktes und gefüttertes Seidengewebe, 5 Medallions breit und 3 Medaillons hoch (ca. 303cm x 182cm). Die unteren Ecken könnten durchaus abgerundet gewesen sein, jedoch lässt sich das nicht mehr feststellen.
Die Datierung weist klar auf die Zeit Heinrichs II hin. Es handelte sich daher um einen repräsentativen Rechteckmantel Kaiser Heinrichs II , der auf der linken Schulter geschlossen wurde. Der Mantel wog, so wurde überschlagen, etwa 2,5kg. Das hört sich vielleicht viel an, aber ich habe Wollmäntel die ganz klar mehr wiegen!
Interessanter Weise wurde bei den Untersuchungen in Bamberg aber ein weitere halbrunder Mantel enttarnt, dessen Form ursprünglich eine andere war. Es ist der weiße Kunigundenmantel. Auch er war ursprünglich Rechteckig. Zwar könnte es sich auch hier um einen Rechteckmantel handeln, denkbar ist aber auch das dieses weiße Seidengewebe mit Herrscherrabbildungen und Text identisch ist mit einer Grabdecke die in Texten erwähnt wurde. Diese bedeckte, ähnlich einem Tischtuch, die ursprüngliche Grabtumba des Herrscherpaares im Bamberger Dom.
Quelle: a N.Jung, H.Kempkens (Hrsg.) Die Bamberger Kaisergewänder unter der Lupe – Methoden und Ergebnisse der aktuellen Forschung
Ergänzend: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Mittelalterliche_Kaisergew%C3%A4nder_in_Bayern
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…