Fibeln sind überbewertet – oder wie schließe ich einen Mantel
Dieser Artikel ist im Grunde die Fortsetzung, oder Erweiterung zweier Artikel aus dem Jahr 2011: Von Recherche, Kleidung und Bändern, als auch von Mantel reloaded . Aber als ich den Artikel über Heinrichs II Rechteckmantel fertig hatte, bemerkte ich das da noch etwas offen ist.
Nun gut, die These “Fibeln sind überbewertet” ist natürlich nicht ganz so provokant gemeint wie sie sich im ersten Moment erscheint. Fibeln bilden ganze archäologische Leitlinien, etwa in der Völkerwanderungszeit und während der fränkischen Landnahme, wenn etwa im Rheingau nach den Thüringerzügen der Franken in (Frauen-)Gräbern die Fibeln der zwangsumgesiedelten/deportierten Thüringer auftauchen.
In karolingischer Zeit dominieren Fibeltypen wie etwa Rechteckfibel und Bügelfibel die erstmalig ab etwa 650 auftauchen. Kreuzfibeln, Emailscheibenfibeln und Blechfibeln finden sich ab 800.
Wenn diese Fibeln einmal in Gräbern auftauchen, dann in Frauengräbern. So etwa bei Grab 55 (2 Rechteckfibeln) und Grab 37 ( eine Kreuzfibel) von Wünnenberg-Fürstenberg (jeweils vor 800 und um 800) 1
In Männerngräbern, so auch in den Gräbern des Mährerreiches fehlen Fibeln hingegen. Wir kennen sie nur von Abbildungen. Und hier auch nur an Mänteln. Kein Kragen, keine Tunika scheint mit ihnen geschlossen zu sein.
Mit den filigranen Nadeln und Nadelrast der Scheibenfibeln und Braktaten der Karolingerzeit taucht aber auch ein Problem auf.
Verwendet man zum Schließen des Mantels nur die Fibel, besteht die Gefahr das das Gewicht des Mantels die Nadel aufbiegt, die Rast bricht, oder aber das Gewebe gedehnt wird und letztendlich reißt. Gerade letzteres kann leicht bei den filigranen Seidengeweben geschehen, wir sie etwa der Recheckmantel Heinrichs II aka der Reitermantel Heinrichs II zu bieten hat.
Aus karolingischer Zeit gibt es wenige Abbildungen die die den tatsächlichen eigentlichen Verschluss zeigen. Um diesen jedoch näher zu bringen, bzw. auch eine Entwicklung aufzuzeigen habe ich mich entschlossen in der Zeit rückwärts zu gehen und bei den Tasselmänteln zu beginnen, was am Ende noch einmal wichtig wird.
Die bekanntesten bildlichen Darstellung von Tasselmänteln sind sicherlich die Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Stifterfiguren des Naumburger Doms. Hier allen voran Uta von Naumburg und Riglindis, deren Mantel durch ein Band geschlossen wird, welches in Tasselscheiben auf dem Mantel ausläuft, sowie Sizzo, Ekkehard II von Meißen und Wilhelm von Camburg deren Band auf dem Mantel mit Tasseln, also Quasten endet.
Wir sehen dabei eine geschlechtliche Unterscheidung. Die Damen nutzen Tasselscheiben, während die Herren recht schmucklos mit den Tasseln genannten Bommeln daher kommen. Bei anderen bildlichen Darstellungen von Tasseln und Tasselscheiben erfolgt diese Unterscheidung jedoch nicht.
Prinzip des Verschlusses mit Tasselscheibe und Tassel/ Bommel/Quaste sind identisch. Im Mantelstoff befand sich ein gesäumter Schlitz, durch den ein Band, ca. 2cm breit und höchstwahrscheinlich aus Textil, geführt war. Das Ende des Bandes lief in der Quaste aus, oder war durch einen Durchzug an der Rückseite der Tasselscheibe befestigt.
Die Scheibe oder Quaste wirkt dabei nicht wie ein Knopf, der durch ein Knopfloch gedrückt würde. Dazu wäre beides zu groß. Sie dienten eher als Schmuck, Zierde und Halt, waren jedoch fix und nicht zum entfernen gedacht. D.h. Band und Scheibe/Tassel verblieben an ihrer Stelle und der Mantel wurde über den Kopf gezogen.
Die gleiche Weise einen Mantel zu schließen hat auch der Bamberger Reiter vom Anfang des 13. Jahrhunderts: Ein Band das von innen durch den Mantel läuft und dann in Tasseln endet. Klar sind hier Falten im Mantel erkennbar, die durch den Zug der Tasseln auf den Mantelstoff entstehen. Daneben sieht man am Bamberger Reiter noch einen Fürspann der als Schließe des Schlüssellochausschnitt der Cotte dient.
Zeitlich etwas früher, nämlich um 1170/80, ist ein Büstenaquamanile aus dem Aachener Domschatz. anzusetzen Das Besondere ist nun das die Männerbüste einen Rechteckmantel, bzw. einen auf der rechten Schulter geschlossenen Mantel trägt. Dieser Mantel wird ebenfalls durch ein Band geschlossen.
Dieses Band ist jedoch nicht durch den Mantel geführt. Der Mantelstoff ist zu einer Art Dutt hochgedreht und dann mit dem Band umwickelt. Die Enden des Bandes hängen nach vorne und hinten herab. Sie haben fast die Breite des Mantelsaumes, etwa Daumendick. Hinter dem Knoten befindet sich ein Niet, der jedoch konstruktionsbedingt scheint und wohl nichts mit dem eigentlich Mantelverschluss zu tun hat.2
Eine weitere Darstellung, der hl. Martin an der Fassade der Kathedrale von Lucca, trägt ebenfalls einen Rechteckmantel, jedoch konnte ich leider keine Detailaufnahme des Verschlusses finden. Es scheint eine Scheibe auf den Verbundenen Ecken des Mantels zu liegen. Interessant wäre diese Darstellung allemal!
Auch die Miniatur Friedrich I. Barbarossa aus der Historia Hierosolymitana des Roberts von Saint-Remi von 1188/8934 könnte man dahin interpretieren das der Mantelstoff zu einem Knoten gedreht ist.
Andere, zeitlich nahestehende Abbildungen des Herrschers lassen jedoch wieder kreisförmige Verzierungen (Fibel? ) erkennen.
Das Speyerer Evangeliar zeigt Heinrich III ebenfalls mit auf der rechten Seite geschlossenem Rechteckmantel. Von einer kreisförmigen, goldenen Verzierung auf der Schulter hängen hier zwei goldene Bänder herab, die am Ende T-förmig verbreitert sind. Hier scheint tatsächlich eine Fibel auf den Bändern aufzusitzen.
Hier ist jedoch das generelle Problem zu beachten das die Abbildungen in Miniaturen vereinfacht sind. So etwa auch bei den Abbildungen der Bamberger Apokalypse (um 1000) wo der einer der vier Reiter der Apokalypse und auch der Herrscher im Krönungsbild Mantel tragen.
Beide Mäntel sind rot mit einem weißen Streifen um den Saum. Auf der rechten Schulter zeigt sich ein Kreis. Er ist im selben Farbton wie der Mantel dargestellt und ebenfalls mit der weißen Saumlinie umrandet. Gleiches gilt auch für 3 weitere Reiter mit braunem, grünem und blauem Mantel. Dies gilt für alle Mäntel in der Bamberger Apokalypse und das obwohl die Farbpalett durchaus weiß für Silber, oder Ocker und Gelb für Gold hergegeben hätte. (Achtung in einer Darstellung sieht man einen Mann mit geöffnetem Mantel und einem Band. Es scheint ein Priester zu sein, da es sich bei dem Band um ein Pallium handelt) Es könnte sich also einfach um zusammengedrehten und geknoteten Stoff handeln. Die Bänder wurden nicht dargestellt oder waren einfach sehr kurz, zumal es sich nicht um Herrscher handelt.
Otto II. wird in der Chantilly Handschrift ( Trier, Stadtbibliothek, Hs. 171/1626 ) klar mit einer Schmuckscheibe / Fibel auf der Schulter dargestellt, jedoch sind keine Bänder erkennbar.
Werfen wir nun einen Blick auf die Karolingerzeit. Auch hier gibt es das Problem des mangelnden Details der Darstellungen. Außergewöhnlich erscheint dabei die Abbildungen der Mäntel in der Vivian Bibel ( BNF Lat. 1 ) im bekannten Stiftungsbild.
Karl der Kahle, Graf Vivian von Tours und alle anderen Mantelträger tragen Rechteckmäntel die mit deutlich sichtbaren Bändern geschlossen sind, und mit einer Fibel dekoriert sind. Andere Darstellung auf denen Bänder erkennbar sind ist etwa der weltliche Stifter von St. Benedikt Mals.
Ich glaube jedoch das es beim Verschließen des Mantels mit dem Band mindestens zwei Versionen gab, denn man muss mindestens zwischen zwei Manteltypen unterscheiden.
Da ist zum Einen der einfache Alltagsmantel. Jenes Stück Stoff das als Wetterschutz dient, aber auch als Decke benutzt werden kann. Hochgedreht, Band drum, fertig. Funktioniert!
Im Gegensatz dazu wird der Adel auch Mäntel besessen haben die nur zu speziellen Anlässen getragen wurden, etwa wie gute 170 Jahre später der Mantel Heinrichs II. weshalb ich nach einer zweiten Variante gesucht habe.
Dies ist auch Ausschlag gewesen warum ich diese Herleitung über die Stauferzeit gemacht habe. Grundproblem war bei der ersten Manteltragweise, zumindest bei mir, mit dem hochgedrehten Teil, dass der Dutt/Knoten/Zipfel immer recht groß wurde um das Tuch sicher zusammenzuhalten. Die Fibel saß dann immer etwas seltsam schief auf, was mich nach einer Weile nicht mehr befriedigte. Dabei nahm ich auch kleiner Lederschnüre statt eines breiten Textilbandes, was auch nicht half.
Die Idee statt dessen Bänder anzunähen hatte ich bereits früher und setzte diese nun als Dummy um. Auf dem Teil des Mantels, der später unten liegen wird ist ein langes Band halbiert befestigt. Dies kann mittels annähen erfolgen, aber auch durch zwei versäuberte Schlitze durch die das Band gezogen wird. Nun wird in dem Teil des Stoffes, in dem sich ein versäuberter Schlitz befindet und der die obere Lage, also die Vorderseite des Mantels bildet, aufgelegt. Die Bänder werden durch den Schlitz gezogen. Das Band wird zu einer Schlaufe geknotet. Damit sich das Band nicht durch das Loch zieht wird nun die Fibel durch die Schlaufe gesteckt und befestigt.
Somit haben wir eine Konstruktion die eines Tasselmantels mit Tasselscheibe ähnelt.
Das ganze resultierte auch aus der Überlegung zur Entstehung des Tasselmantels. Werden die Textilien nicht eng mit dem Knoten Verbunden, entsteht eine Distanz zwischen den Textilien, bei denen die Bänder zwischen den Stoffen offen sichtbar sind. Im Grunde habe ich damit bereits ein Tasselband mit einer Tasselscheibe!
Eine weitere Inspiration für diese Verbindung waren die asymmetrisch geschlitzten Kleidungsstücke, etwa die Tunika Heinrichs II, oder die blaue Tunicella und die Alba aus den Reichskleinodien. Der Kragen dieser Kleidungstücke wurde ebenfalls mit Bändern und nicht mit Fibeln oder einem Fürspan geschlossen.
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 8, Fibel und Fibeltracht 2. Auflage S190 ↩
Bilder der Büste finden sich beim Bildindex hier: https://www.bildindex.de/document/obj20185046/?medium=fmc1850030 , https://www.bildindex.de/document/obj42112749/?medium=mi00010g01 https://www.bildindex.de/document/obj05140255/?medium=rba_c003847 ↩
Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Lat. 2001, fol. 1r ↩
Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(HRR)#/media/Datei:Barbarossa.jpg ↩
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