Die karolingische Tunika V: Ein Ausflug zum heiligen Ulrich
Eine weitere Form der Verzierung erscheint gelegentlich in Abbildungen.Sie betrifft in der Regel Kleriker. Diese tragen statt einer zentralen Clavus zwei von den Schultern herablaufende Clavi.
Eigentlich wäre ich wegen der Kleriker Geschichte gar nicht auf die Tunika eingegangen, wenn es hier nicht ein schönes Beispiel gäbe an dem sich viele der Beobachtungen an karolingischen Tuniken wieder finden, selbst wenn das betreffende Kleidungsstück nicht mehr karolingisch ist.
Es handelt sich um die Dalmatik des 973 verstorbenen Bischofs Ulrich von Augsburg. (Leider verschwand die Albe im Halleschen Heiltums, es wäre interessant wenn diese auch erhalten geblieben wäre).
Die Dalmatik ist aus byzantinischer Seide gefertigt, wohl aber nicht in Byzanz, sondern im Fränkischen Reich. Besonders die Clavi können über den Stoff berichten. Es handelt sich dabei um Samit mit Ritzmuster der wohl beim Schneidern der Kasel Ulrichs übrig blieb und nun auf der Dalmatik als Clavi Verwendung fand.
Der Samit zeigt einen gekrönten Herrscher mit Nimbus. Dieses Motiv lässt es wahrscheinlich werden, das der Stoff ursprünglich vom byzantinischen Königshof als Geschenk an Kaiser Otto I. gelangte. Vielleicht in Folge der Schlacht am Lechfeld erhielt Ulrich die Stoffe als Geschenk und lies prunkvolle Messgewänder daraus fertigen in denen er letztendlich bestattet wurde.
Das Kleidungsstück weist eine Breite von 202cm und eine Länge von 143cm auf. Die Ärmel entsprechen nebeneinander gelegt der Breite der Dalmatika an ihrer breitesten Stelle. Demnach ist die Stoffbreite etwa 101cm, die Länge eines Ärmels ca 50,5cm. Die beiden Ärmel wurden demnach aus einem Teil der Stoffbahn geschnitten.
Was zunächst einmal auffällt sind die Maße des Kleidungsstück, von dem die Veröffentlichung „Die Heiltumskammer, der mittelalterliche Reliquienschatz von St. Ulrich und Afra“ das es eher einer Tunika gleiche denn einer Dalmatik, obwohl immer so genannt wurde. Sie sind ungewöhnlich groß.
Zum vergleich meine Tunika (und ich bin bei Gott nicht schlank) eine Gesamtbreite von 172cm, Länge 105cm und einer Bahnbreite von 62cm. Nur mal zum Vergleich, der ehemalige Schwimmstar Michael Groß, genannt der Albatros, besitzt auf eine Körpergröße von 201cm eine Armspannweite von 213cm (inkl. Hände). Demnach dürfte ihm die Dalmatik nach heutigem Verständnis ganz gut gepasst haben.
Nun ist aber vom heiligen Ulrich weder bekannt das er ein Riese gewesen wäre, noch das er besonders fettleibig war. Im Gegenteil wird er als asketischer Mensch beschrieben, der auf dem Teppich schlief!
Natürlich dürfte einer der Gründe für extreme Größe des Gewandes gewesen sein kein Zoll des kostbaren Stoffes zu verschwenden und so mit Status zu demonstrieren. Aber auch Die Weite die die Oberteile mitunter in Illuminationen haben und die geschoppten Ärmel könnten sich in diesem Kleidungstück finden.
Das Schnittmuster ließ sich für mich in Teilen anhand des Bildes nachvollziehen und erweist sich als durchaus Aufschlussreich. Gerade die Konstruktion der Ärmel hat es mir angetan.
Der ca. 50cm lange Ärmel (Stoffbreite ca. 35cm ungefaltet) wird auf einer Länge von etwa 25cm ein bogenförmiges Stück ausgeschnitten. Das nun schmale Stück wird den Ärmelsaum bilden. Die Ausgeschnittenen Stücke werden am Oberarm angenäht und bilden nun die Verbreiterung am Oberarm. Ihre Funktion ist ähnlich den Keilen unter der Achsel die uns gewöhnlich später begegnen. Der Stoff der Ärmel wird aus der vollen Stoffbreite geschnitten.
Auch der Halsabschluss ist interessant. Er ist eng ausgeführt, der Auschnitt liegt auf der Schulter und wurde dort geschlossen, wie mir gesagt wurde.
Das oben gezeigte Bild zeigt im Übrigen die Rückseite der Dalmatik, da diese wesentlich besser erhalten ist. Aus der Vorderseite wurden zudem einige Stücke als Reliquien heraus geschnitten. Urspünglich soll sie an den Seiten offen gewesen sein. Die breiten Saumborten stammen erst aus dem 14. Jahrhundert. Die Kleidungstücke des heiligen Ulrichs waren bereits 1183 nach einem Brand aus dem Grab geborgen worden und werden seit dem verehrt. Im Heiltumsblatt von ca. 1500 wird das Stück auch mit offenen Seiten und den breiten Säumen gezeigt (wobei ich mich frage ob die Saumborten nicht angefügt wurden nachdem das Kleidungstück begann zu zerfransen als man aus der Seite Reliquienstücke schnitt) und ist mit der Beschreibung versehen „Das ist die Dalmatic oder Sarok von Ulrich(s)…“
Zum einen überlege ich im Moment die Dalmatik zu Experimantalzwecken aus billigem Leinenstoff grob nachzuschneidern um einfach die zu erfahren wie der Stoff fällt, zumal ich mit 172cm in etwa der Durchschnittsgröße des Frühmittelalters entspreche. Zum Anderen bin ich ab Freitag in Bamberg und kann mir endlich die Kleidung von Heinrich II, Kunigunde und Papst Clemens II. ansehen, wovon ich mir zumindest ein paar Erkenntnisse oder Ideen verspreche.
Sehr geehrter Herr Zwittmeier, zur Ortsnamen-Geschichte von Geinsheim hier ein paar Anmerkungen. Die Zuordnung der Namen Gemminesheim und Gemminisheim im…
Danke Christian, tatsächlich war ich vor 2 Jahren dort, muss aber gestehen das ich den Textilien wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.…
Hi. Bin grad über den Artikel gestoßen. Wenn du mal in die Nähe von Hildesheim kommst: Im dortigen Domschatz befinden…
Nein aktualisiert nicht. Die müsste noch in der Variante wahrscheinlich noch irgendwo in meinem Archiv schlummern
Hallo Markus, hast du die Karte zwischenzeitlich zufällig für einen anderen Post/Vortrag/Ausstellung aktualisiert?