Tintagel: Starker Herzog, schwacher König und der Traum von Artus
Wer Cornwall besucht und sich für Burgen und Sagen interessiert kommt eigentlich nicht um Burg Tintagel herum.
Je nach dem von wo man kommt kann schon die Anfahrt ein kleines Abenteuer sein. Auf schmalen Hohlwegen, im Linksverkehr und Bussen im Gegenverkehr…
Wer diese Hürde gemeistert und auf einem der Long Stay Parkplätze sein „Show and Display“ Ticket gezogen hat muss es dann noch schaffen unbeschadet an bergeweise Souvenirläden vorbei zukommen. Diese Verkaufen übrigens billige Dekoschwerter zum doppelten Preis eines einfachen Paul Binns!!
Nun kann man mit dem Abstieg beginnen. Einen halben Kilometer lang ist der Weg der einem Bachlauf folgt bis man das kleine Besucherzentrum des Heritage erreicht welches in den ehemaligen Lagergebäuden eines Schieferbruchs liegt. Der Schiefer wurde hier schon seit römischer Zeit gebrochen, ebenso wie Kupfer und Zinn aus dem Boden gefördert wurde.
Mein Bild von Tintagel war bisher geprägt von Simon Marsden Photographien und einigen Dokus. Meist sah man Felsen im Sturm, es war düster und immer wieder war ein Tor zu sehen. Als ich dort ankam, war wunderschöner blauer Himmel und das Meer schillerte türkis und das Tor vernachlässigbar. So viel zu Erwartungen.
Und dennoch sind mehr Spuren verschiedener Zeitstellungen erkennbar als man zunächst glauben mag. Doch fangen wir dort an wo der Boom Tintagels begann.
Es war Geoffrey von Monmouth der Tintagel im 12. Jahrhundert wieder populär machte. In seiner „Historia Regum Britanniae“ (Geschichte der Könige Brittaniens) nannte er Tintagel als den Ort an dem König Artus gezeugt wurde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Geoffreys Buch war ein Renner seiner Zeit. Dieses Buch war wohl auch dem zweiten Sohn von König Johann Ohneland bekannt, dem Bruder von König Heinrich III. von England , Richard dem ersten Earl von Cornwall, Graf von Poitou und erfolgloser König der Römer. In Deutschland einfach bekannt als König Richard von Cornwall.
Im Gegensatz zu seiner erfolglosen Regentschaft als römisch-deutscher König in Folge der Doppelwahl von 1256/57 war Richard in England höchst erfolgreich und ist noch heute populär. Populärer als sein königlicher Bruder.
Von Geoffrey von Mornmouth inspiriert beschließt Richard sich im Glanz von König Artus zu sonnen und auf Tintagel eine Burg zu errichten. Doch keine normale Burg. Er errichtet eine Anlage ohne Verteidigungstürme, mit dünnen Mauern und ohne Donjon/Keep, abseits von allen auch nur einigermaßen wichtigen Verkehrswegen. Richard baute sich ein Märchenschloss!
Genau wie Ludwig II. von Bayern inspiriert von Wagner Märchenschlösser baute, schuf sich Richard sein Camelot (Mit dem Unterschied das Richard das Geld dazu besaß) um sich im Glanze Artus zu sonnen.
Richard lies auf einer felsigen Anhöhe vor der Insel eine Vorburg errichten. Sie war geschützt durch einen Graben der in die Spätantike datiert. Der höher liegende Teil wird als Oberer Festlandhof (Upper Mainland Courtyard) , der Niedrigere durch ein Tor erreichbare als Unterer Festlandhof (Lower Mainland Courtyard) bezeichnet. Der Untere Hof war über eine natürliche schmale Landzunge mit der eigentlichen (Halb-)Insel verbunden. Hier gab es ein weiteres Tor. Hatte man dieses durchquert, erreichte über eine schmale Felszunge den Haupthof der auf einer Ebene unter dem eigentlichen Plateau der Insel liegt. Hier befand sich eine Great Hall. Durch ein Tor (eben jenes bekannte Tor) konnte man das Plateau besteigen, das aber nicht bebaut war, oder aber den Abstieg in Richtung der Bucht wagen, wo Schiffe geschützt ankern konnten.
Richards Burg hatte in dieser Form jedoch keine hundert Jahre bestand. Wind, Wetter und Wellen forderten ihren Tribut. So stürzte die gesamte Westseite der Vorburg ins Meer, genauso wie die Ostseite der Great Hall und die dortigen Westmauern. Man baute in leicht veränderter Form wieder auf bis um 1540 die verbindende Landzunge durch die Erosion zerstört wurde und das Tor der Hauptburg vom Meer verschlungen wurde.
Tintagel wurde in der Folge (1580er) als befestigter Landeplatz für Schiffe genutzt, da man in England einen Angriff der spanischen Armada fürchtete. An den Klippen wurden einige kleinere Kanonenstellungen errichtet, die aber nie zum Einsatz kamen.
Die Befestigungen verfallen mit der Zeit, der natürliche Hafen wird zum Verladen von Schiefer genutzt. Durch die Wellen natürliche geschaffene Höhlen werden auf der Suche nach Zinnadern erweitert.
Im 17.und 18. Jahrhundert gewinnt Tintagel wieder an Bedeutung als Ziel für den beginnenden Tourismus. So erwähnt Alfred Lord Tennyson Tintagel in einem Gedicht, genauso wie andere. 1899 entsteht auf dem Festland das King Arthur´s Castle Hotel (heute Camelot Castle Hotel und war schon mal Deko für einen Horror Film).
1930 fanden erste archäologische Grabungen statt. Der Zufall führte in den 80ern zu erneuten Grabungen. Damals kam es zu einem Feuer im trockenen Gras auf dem Felsen. Der trockene, ungeschützte Boden wurde in der Folge weggeschwemmt und zu Tage kamen eine Vielzahl von Hausgrundrissen. In Folge dessen und mit der Gesamtheit der archäologischen Funde zeigte sich nun ein wesentlich komplexeres Bild der Anlage.
Zwar lassen sich keine eindeutigen Funde in die englische Eisenzeit (ca. 700 v.Chr- 100 n.Chr) finden, aber ähnlich gelegene Anlagen in der Umgebung legen nahe das sich bereits zu dieser Zeit eine befestigte Anlage befand.
Auch Hinweise auf eine direkte römische Besiedelung fehlen, aber an Tintagel führte eine Römerstraße vorbei. Dies beweist ein Wegstein der bei der 500m entfernten Kirche gefunden wurde.
Richtig los geht es dann in der post-römischen Ära, den Dark Ages. Eben genau jener Zeit die König Artus zugeschrieben wird. Zu dieser Zeit musste sich auf Tintagel ein bedeutender Fürstensitz befunden haben. Zahlreiche Scherben deuten auf international Beziehungen hin in den kompletten Mittelmeerraum. Glas aus Gibraltar, Öl aus Nordafrika, Wein aus Byzanz und Kleinasien.
Wahrscheinlich war Tintagel eine Festung des keltischen Königreichs von Dumnonia. Leider wissen wir über dieses Reich nur sehr wenig. Einige Könige, wie Constantin und Geraint, sind uns bekannt, weitere zwar in Betracht gezogen jedoch sehr unsicher (Siehe Wikipedia: List of Kings of Dumnonia ). Vieles ist hierbei von Mythen überlagert. So soll Constantin einmal Nachfolger Artus sein, dann wieder Identisch mit Marc von Cornwall, dem Onkel von Tristan und Ehemann von Isolde (Tristan und Isolde spielt übrigens in späteren Legenden auch auf Tintagel)
Das Reich ging 709/710 unter, als sie durch die Angelsachsen aus Wessex erobert wurden. In jener Zeit wurde auch Tintagel verlassen. Eine einsame Münze Alfreds des Großen und nur wenige Scherben aus dem Bereich der Kapelle auf dem Berg sind das einzige was sich aus jener Zeit fand.
Ob nun tatsächlich ein Artus, wenn es ihn denn so gab, sich hier aufhielt oder gezeugt wurde sei dahin gestellt. Dennoch war die Anlage eine bedeutende Festung jener Tage, wie geschaffen für einen bedeutenden Fürsten jener Tage, aber auch das Märchenschloss eines Fürsten des Hochmittelalters im Selbstversändnis seiner Zeit.
Sehr geehrter Herr Zwittmeier, zur Ortsnamen-Geschichte von Geinsheim hier ein paar Anmerkungen. Die Zuordnung der Namen Gemminesheim und Gemminisheim im…
Danke Christian, tatsächlich war ich vor 2 Jahren dort, muss aber gestehen das ich den Textilien wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.…
Hi. Bin grad über den Artikel gestoßen. Wenn du mal in die Nähe von Hildesheim kommst: Im dortigen Domschatz befinden…
Nein aktualisiert nicht. Die müsste noch in der Variante wahrscheinlich noch irgendwo in meinem Archiv schlummern
Hallo Markus, hast du die Karte zwischenzeitlich zufällig für einen anderen Post/Vortrag/Ausstellung aktualisiert?