Zur deditio
Zur Zeit lese ich Otto III. von Gerd Althoff und ich muss sagen er liest nicht ganz so flüssig wie sein Kollege Weinfurter. Eines von Althoff Liebengsthemen ist die deditio , dem klassischen mittelalterlichen Unterwerfungsakt. Kein Wunder, mit dieser hat er sich ja bereits gesondert und eingehend befasst.
Die deditio ist eines der zentralen Elemente um einige Handlungen, die sich auch in den Regesten finden, zu verstehen. Bei den Ottonen sind es meist die lieben Verwandten aus Bayern, die den Aufstand gegen den König proben und immer wieder (oder zumindest meistens ), nach einem Unterwerfungsakt, ihre Stellung im Reich zurückerhalten.
Althoff wird dabei nicht müde dem Leser dieses Ritual zu vermitteln, die Diplomatik dahinter zu erleutern und dabei auch seine, für heutige Menschen, Fremdartigkeit zu betonen.
Ganz ehrlich weiß ich nicht ob ich eine Ausnahme bin, aber so fremdartig ist die deditio für mich nicht wirklich.
Nur kurz möchte ich auf den Vorgang als solches eingehen. Nach Althof baut sich die detitio in verschiedenen Vorgängen auf. Zunächst findet eine Art Verhandlung statt in der die Konditionen (conditio) für die Buße ausgearbeitet werden. Dann wird eine entsprechende Gelegenheit zur Durchführung gesucht, z.B. ein kirchliches Fest, wobei gilt je mehr Zuschauer/Öffentlichkeit, desto größer der Bußakt. Es folgt die Durchführung, also der Fußfall mit dem Eingeständnis der Fehler, woraufhin Gnade gewährt wird.
Tatsächlich hat der eigentlich Vorgang der Unterwerfung sein Vorbild in der Bibel. Im Grunde könnte man am „Aufführungsort“ ein Schild hinhängen mit der Aufschrift „Heute Neuinszenierung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn – in den Hauptrollen: König XYC und Herzog ABC“…
Der Vorgang des Fußfalls ist tatsächlich nur die nachgespielte Version des Verlorenen Sohns. Der verlorenen Sohn kehrt, in Lumpen und Barfuß, vor den Vater zurück. Dort bittet er nur um eine Anstellung als Knecht, wird aber gefeiert, beschenkt, neu eingekleidet und erhält alle Prevelegien zurück. Gleiches geschieht beim Unterwerfungsakt. Der König zeigt damit die Güte die Jesus im Gleichnis predigt, womit er natürlich auch sein Gott gegebenes Königtum betont.
Selbstverständlich wählt Althof Heinrich den Zänker als Beispiel, denn er spielt ja eine entscheidende Rolle in der Machtübernahme Ottos III.
Taktisch gesehen ist für mich das Verzeihen und das Wiedereinsetzten Heinrichs in Bayern die einzig zu erwägende Möglichkeit! Heinrich hatte nicht nur in Bayern, sondern auch in Sachsen eine bedeutende Anhängerschaft. Hätte man Heinrich entgütig Abgesetzt oder etwa hinrichten lassen, hätte man die Führungsperson seiner Anhängerschaft und damit die Kontrolle über diese verloren. Ganz zu schweigen von dem Verlust religösem Ansehen!
Aber ich bin auch der Meinung das sich heute noch „Nachwehen“ der deditio finden. Im Hochmittelalter schleppt der Büßende schon mal Schwert und Rute mit sich herum, die er Symbolisch anbietet und damit dem Vergebenden symbolisiert, dass er sein Leben in die Hand des Vergebenden legt. Das Schwert als Zeichen des Richt(er)schwertes. Später dann übergeben die besiegten (adeligen) Offiziere ihren Degen/Säbel dem dem Feind, als Zeichen das sie sich unterwerfen. Und wieder symbolisiert die Waffe diese Unterwerfung, wofür sie dann eine Sonderbehandlung bekommen. Quasi der Überrest der Vergebung und Wiederaufnahme.
Dagegen gibt es natürlich auch die Möglichkeit das der Säbel/Degen zerbrochen wird, also die Unterwerfung nicht angenommen wird.
Da diese Waffen heute in der Regel (in Deutschland) keine Verwendung mehr finden, ist dieses Ritual zumindest bei uns ausgestorben. (Ich weiß aber nicht ob es das vielleicht noch in England oder Schweden gibt, wo man ja noch heute mit Säbel hantiert.) Übrig geblieben ist aber die Sonderbehandlung von Offizieren in der Haager Landkriegsordnung und Genfer Konvention.
Otto I. war ja auch ein Fan des „Hundetragens“, um aufmüpfige Adelige büßen zu lassen.
Aus heutiger Sicht eine besonders skurrile Maßnahme, um seinen Untergebenen zu
zeigen, wo der Barthel den Most holt 🙂