Der karolingische Schild – Teil I – Die Informationssammlung
Es ist etwas das mir schon eine lange Zeit in der Seele brennt: Einen karolingischen Schild herzustellen, oder vielleicht besser gesagt einen gewölbten Rundschild. Ich habe lange überlegt ob ich mir etwas von der Stange kaufe, aber immer hab ich was auszusetzen, und wenn es nur das Gewicht ist. Deswegen möchte ich mich mal über einige Teile mit dem Schild, Quellen, möglichen Bauarten usw. auseinandersetzten.
Zunächst einmal habe ich zu diesem Thema eine kleine Sammlung angelegt mit Informationen zu Schilden, die ich für relevant halte für das Thema.
Die nordischen Schilde
In nordischen Sagas (Liederedda) werden immer wieder idealtypische Schilde beschrieben: aus Linde sollten sie sein, in mehreren Lagen gefertigt und mit 3 Metallstreben verstärkt. Nur aus dem Fundgut kennen wir die so beschriebenen Schilde nicht, was aber in dem Fall nichts heißen muss.
Wir kennen jedoch einige Funde von nordischen / Wikingerschilden und die haben nur bedingt etwas mit den Schilden gemein die man so “von der Stange” kaufen kann. Denn meist gibt es dort so 12-15mm starke Bretter mit Textilbespannung aus Leinen oder wenn man nicht hinschaut auch aus Baumwolle, vielleicht Rohautrand und Schildbuckel, doch die “echten” Schilde sind wesentlich leichter und elaborierter.
Die gefundenen Schild bestehen aus 6 bis 8 miteinander verleimten Brettern aus Weichholz. Dabei handelt es sich bei den nordischen Schilden durchgehend um Nadelhölzer, was aber wahrscheinlich nur auf deren Verfügbarkeit in kälteren Regionen zurückzuführen ist. Ihre durchschnittliche Stärke beträgt etwa 8-9mm , wobei es natürlich wesentlich Dünnere (4mm, Birka BJ 369A) und auch wesentlich Dickere ( 30mm, Angabe mit Griff anhand der Stärke des Niets, Myklebost Grabhügel 3 ) gibt. Jedoch sind die Schilde in der Regel nicht dicker als 10mm. Ihr Durchmesser liegt zwischen 75 und 90 cm. Dabei sind sie nicht exakt rund. Sie sind in der Regel minimal breiter als höher.
Etwa 6 bis 10 cm vom vor dem Rand verjüngen sich die Schilde auf eine dicke bis von 2 bis 6 mm. Ihre Stabilität erhalten sie von einer Leder oder Rohhaut, bzw. Pergamentbespannung die über den ganzen Schild reicht. Unter dieser kann noch eine Textilschicht zur Dämpfung liegen. Bei dem Schild von Tira in Lettland scheint sich Gras oder Bast unter der Lederschicht befunden zu haben.
Bei den bekannten Schilden gibt es in der Mitte ein 9-14cm breites Loch auf dem der Schildbuckel sitzt. Dies war mit 4-8 Eisennieten mit dem Schild verbunden, wobei meist 2 Nieten auch gleichzeitig durch den Hartholzgriff auf der Rückseite führten. Diese sparte Gewicht da man keine weiteren Nieten am Schild anbringen musste. Niete heißt in diesem Fall das es sich um einen umgekrampten Nagel handelt.
Um den Rand war Leder/Rohaut durch vorgebohrte Löcher vernäht. Diese Umrandung konnte noch durch durch Metallklemmen (z.B. Birka Bj850 ) verstärkt werden, die in regelmäßigen Abständen am Schildrand angebracht waren.
Das ich immer Rohaut und Leder gleichzeitig nenne hat einen Grund. Beides scheint Verwendung gefunden zu haben.Die Schilde von Baunegård and Tira besaßen eine Rohautbespannung, da die Haut ungegerbt war. Die Schildbespannungen von Borremose und Birka (Bj 850) waren dagegen gegerbt und somit aus Leder1
Für Verwirrung sorgt immer wieder der Gokstad Schild, der 1880 gefunden wurde und lange Zeit als Prototyp für einen frühmittelalterlichen Schild gesehen wurde. Der Schild besaß keine Bespannung aus Leder oder Rohhaut, sondern hatte eine Bemalung die direkt auf das Holz aufgebracht war. Man geht inzwischen davon aus das es sich um einen Bestattungsschild handelt, der exklusiv für die Schiffsbestattung angefertigt wurde und niemals zum Kämpfen gedacht war, weshalb man sich die Bespannung sparte. Auch verwirrt oftmals sein Präsentation, die auf auch Abbildungen zus sehen ist. Um den auseinander gefallenen Schild zu stabilisieren fügte man 3 Metallstreben quer zu den Planken auf der Rückseite an und ließ einen Metallreifen um den Schild laufen.
Genau diese 3 Metallstreben und den Metallring kann man aber bei einige Nachbauten (und 3D Modellen etwa hier für 9$ : https://free3d.com/de/3d-model/viking-shield-gokstad-1436.html ) finden. Es ist ein wenig wie mit den Hörnerhelmen die ihr Eigenleben entwickelt haben.
Der gewölbte römische Schild
Bei den nordischen Schilden, zumindest bei denen die wir kennen, handelt es sich nun komplett um flache Schilde. Im Fundgut findet sich hier kein gewölbter Schild wir er in den Abbildungen der Karolingerzeit zu sehen ist. Für diese müssen wir noch etwas weiter zurückgehen in die Zeit um 256 und uns lokal nach Syrien bewegen.
Im syrischen Dura Europos fanden sich mehrere erhaltenen römische Schilde. Darunter auch gewölbte Ovalschilde, die, über die Jahrhunderte unter dem Gewicht des Sandes flach gedrückt wurden. Es handelt sich dabei um Schilde römischer Auxiliartruppen, also Hilfstruppen denen mit dem Dienst in der römischen Armee das römische Bürgerrecht in Aussicht gestellt wurde. Auch Franken dienten den Römern als Hilfstruppen, aber natürlich nicht in Syrien…
Man geht davon aus das die Schilde von Dura Europos vor Ort in Syrien hergestellt wurden. Während das dort gefundene Scutum aus 3 Lagen von querverleimnten Pappelholzleisten (Sperrholz) mit einer Breite von 30-80mm und einer Dicke von 1,5 bis 3mm besteht, sind die gewölbten Ovalschilde aus einer Lage Pappelholzbrettern gebaut.
Sie wurden zunächst sorgfältig bearbeitet, wahrscheinlich über Dampf gebogen und passgenau auf einem formgebenden Gestell zusammengefügt. Die Bretter verliefen über die Länge des Schildes. In der Mitte war ein kreisförmiger Auschnitt eingefügt worden, wobei ein horizontaler Steg, als Griff, stehen gelassen wurde. Der Steg wurde später mit einem Metall als Griff verstärkt.
Die Schilde verjüngen sich zu ihren Rändern hin. Während im Zentrum ca. 7-9mm vorhanden sind, werden es zum Rand hin 3-5mm dünn.
Timothy James nennt als Grund für die Bauweise der gewölbten Schilde mit Brettern statt mit quer verleimten Hölzern (Sperrholz) die erhöhte Stabilität die durch die Wölbung entsteht. Somit wurde auf Querverleimung verzichtet, da diese einen Mehraufwand darstelle.2
Byzantinische Schilde
Bevor ich auf die byzantinischen Schilde eingehe, möchte ich kurz auf den regenschirmartigen Schild hinweisen, der im Stuttgarter Psalter zu sehen ist. Höchstwahrscheinlich ist diese Abbildung ebenfalls bei der Übertragung aus einem spätrömischen/byzantinischen Manuskript entstanden. Ein Hinweis hierzu findet sich in der Abbildung eines Schildes auf Terracotta Ikonen des 6. oder 7. Jahrhunderts. Die dortigen Schilde haben tropfenförmige Verzierungen, deren Spitzen zur Mitte des Schildes, zum Schildbuckel hinweisen. Auf einer der Abbildungen kann man den Schildrand nicht mehr richtig erkennen, wodurch der Eindruck eines Regenschirmes mit eingezogenem Rand entsteht. Während auf den Ikonen eine Frontalansicht zu sehen ist wird der Schild im Stuttgarter Psalter von der Seite gezeigt. Beide scheinen einen ähnlichen byzantinischen Schild zu zeigen!
Die byzantinischen Schilde orientieren sich im weitesten Sinne an ihren römischen Vorbildern. Sie sind meist rund oder oval, in der Regel erscheinen sie gewölbt.
Aus dem Peri strategis aus dem 6. Jahrhundert sind uns einige Größenangaben für Schilde überliefert. So gibt es einen Schild der nicht weniger als sieben Spannen bemessen haben soll (ca. 164cm). Dieser sollte von den vordersten Reihen benutzt werde. SeineGgröße erscheint mir für diesen Zweck hier nicht relevant, genauso wie der mindestens 6 Spannen (140cm) große Schild der leichten Lanzenträger.
Interessant wird es bei der Kavalerie deren Schilde 4-5 Spannen (93-117cm) groß sein sollte . Die Taktika Leos und das Sylloge tacticorum erwähnen zudem für die peltastoi ( Infantrie) Schilde mit 3 Spannen (70cm) im Durchmesser , oder aber ovale Schilde, die nicht länger als 4 Spannen (93,5cm) sein sollten.
Archäologische Funde ganzer Schilde sind mir dagegen nicht bekannt. Einzig ein Schildbuckel/ Umbo aus Ain-Dara (Syrien) aus dem 10.-11. Jahrhundert wird mit Byzanz in Verbindung gebracht. Der Schildbuckel aus vergoldeter Bronze besitzt einen konischen /gewölbten Rand der darauf Hinweisen könnte das er auf einem ebenso gewölbten Schild aufgesessen haben könnte. Dazu folgend mehr.
Sonstige Informationen
Archäologische Funde gewölbter Schilde aus dem Frühmittelalter in Zentraleuropa sind nicht bekannt. Jedoch gibt es immer wieder Funde vom Schildbuckeln deren Rand eine gewisse Wölbung aufweist. So z.B. ein alamanischer Fund aus Altdorf:
Schild aus Erlenholz, lederüberzogen. Vom Holz und Leder haben sich nur geringe Reste und Negativabdrücke erhalten. Die Bindungsart der quer zur Schildfessel laufenden Bretterbahnen (unterschiedlicher Breite?) ist unklar. – Aus einem Stück getriebener Schildbuckel aus Eisen (1, rekonstruiert), Rand schwach gewölbt, mit fünf scheibenförmigen Eisennieten. Höhe 8,0 cm; Durchmesser 18,6 cm. – Kurze eiserne Schildfessel (2) mit kleinen Grifflappen, im Innern Holzreste (zerstreutporige Laubholzstruktur, Erle?) und Spuren des Lederüberzugs im Schildinnern.
R. Marti , Das Grab eines wohlhabenden Alamannen in Altdorf UR-St. Martin S94
Obwohl Marti im darauf folgenden Text angibt das die ursprüngliche Form des Schilds nicht mehr rekonstruierbar ist, zumal das Schild möglicherweise bearbeitet wurde um überhaupt in das flache Grab zu passen, wird der Schild in der Rekonstruktionszeichnung durch S.Köhler als gewölbt dargestellt. Wahrscheinlich wegen der Wölbung des Schildrandes.
Wieder andere Autoren sehen in der Wölbung von Schildbuckelrändern eine “federnde” Wirkung bei einem direkten Treffer auf den Schildbuckel.
In Frühmittelalterliche Studien Vol.3 schreibt Kurt Tackenberg in seinem Beitrag “Über die Schutzwaffen der Karolingerzeit und ihre Wiedergabe in Handschriften und auf Elfenbeinschnitzereien” über die Schilde: “Nach dem vorliegenden Material liegt sie (die Stärke der Schilde) zwischen 0,8 und 1,6 cm. Das bedeutet, daß einem derartig dünnwandigen Holzschild keine große Widerstandskraft zugebilligt werden kann.” (Tackenberg geht später im Text sogar noch weiter und zeigt das das Wissen um die Schutzwirkung leichter Schilde vollkommen verkannt wurde : „Es ist erstaunlich, daß die Form des runden bis ovalen Schildes im germanischen Bereich ungefähr 1000 Jahre gleichgeblieben ist, ohne in größerem Umfang
abgewandelt zu werden. Infolge ihrer leichten Bauart boten die Schilde keinen wirksamen Schutz. Die Holzbretter sind zu dünn gewesen, als daß sie gegen Hieb und Stich wesentlich abzusichern in der Lage waren. Da Panzer und Helme aus Eisen in karolingischer Zeit nur von verhältnismäßig wenigen Männern getragen wurden und die Schilde nicht ausreichten, besonderen Schutz zu gewähren, haben die Krieger der fraglichen Zeitspanne in überwiegender Zahl ohne ausgeprägte Verteidigungswaffe zu kämpfen gehabt.“ ) Zusätzlich gibt er eine Stärke der Mitte mit 0,8-1,5cm und eine Randstärke von 0,5-0,8cm an. (Seine Quellen sind übrigens M.Jahn Die Bewaffnung der Germanen in der älteren Eisenzeit von 1916!)
Er denkt weiterhin dass man “häufiger als früher (..)über das Holz eine Rinderhaut gespannt” hat und spricht von einer “flachen Wölbung” als Standard der Karolingerzeit. Heute wissen wir aber das die Bespannung elementarer Bestandteil des Schildes ist und diese in Kombination mit der Wölbung den Schild sehr stabil macht, was nicht zuletzt auch emsige Reenactor immer wieder bewiesen haben!
Dies ist uns aber auch aus Textquellen des Mittelalters bekannt: So beginnt Strophe 1035 des im 10. Jahrhunderts entstandenen Heldengedichts Waltharius mit dem Satz: “Sed retinet fractum pellis superaddita lignum.” und sagt uns das der Schild trotz gebrochenen Holzes noch durch die Haut zusammengehalten wird.
Als Holz selbst für die Schilde kommt im Grunde das selbe Holz zu tragen, welches auch für Schwertscheiden verwendet wurde. Neben den bereits erwähnten Nadelhölzern im Norden, Pappel, Erle und Linde, kommen hier noch Esche, Weide und Buche aus dem Fundgut hinzu. Wichtig ist das das Holz leicht sein sollte und langfaserig, damit es nicht zu schnell bricht. Den einen Schild aus Eichen der jemals gefunden wurde ignorieren wir, da wir kein gesondertes Krafttraining damit machen wollen.
Was Schildfesseln angeht, werde ich darauf noch einmal gesondert eingehen. In der Allgemeinheit sollten diese aus (Hart-)Holz gefertig gewesen sein. Es gibt jedoch auch einige aus Metall. Ein lokaler Fund in meiner Nähe, und dazu noch ein recht bekannter, stammt aus Frankfurt Harheim. (fränkisches Männergrab St. 71, erstes Drittel 8. Jahrhundert )
Auch zum verwendeten Klebstoff der Schilde gibt es eine, wenn auch spätere, Quelle. Theophilus Presbyter gibt uns im Kapitel 17 seiner im 12. Jahrhundert entstandenen „de diversis artibus“ ein Rezept für einen Kaseinleim. Diesen empfiehlt er nicht nur für Türen sondern auch explizit für Schilde, da weder Hitze noch Feuchtigkeit diesen Klebstoff wieder lösen könne. So schreibt er auch das damit noch feuchte Rohhaut aufgeklebt werden kann, was mit einem Haut-/Knochenleim schwierig werden kann.
Abschließend möchte ich noch diesen Blogartikel verlinken in dem bemerkenswerte Schildrekonstruktionen zusammengetragen wurden: https://mennytaika.blogspot.com/2021/11/best-viking-age-shield-replicas-of-today.html?fbclid=IwAR0R9SHIHREA65I8Lx5aqZMXCkR_xmoMEHHIv0ILnp1xR3kmmtYcA9nenU0
vgl. R.F.Warming, R. Larsen, D.V.P. Sommer, L.O. Brandt, X.P. Jensen Shields and hide – On the use of hide in Germanic Shields of the Iron Age and Viking Age, in Bericht der römisch-germanischen Kommission Band 97 2016 ↩
Alle Angaben nach: Simon Timothy James, The Arms and Armour from Dura-Europos, Syria ↩
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…