Fluss im hessischen Ried zu Büchners Zeiten – Hessischer Literaturtag 2019
Am 26.5.2019 war ich zur Wissensvermittlung bei Veranstaltung im Rahmen des hessischen Literaturtages durch Peter Brunner vom Büchnerhaus Goddelau angefragt worden.
Thematisch war der Literaturtag mit „Stadt, Land, Fluss“ überschrieben. Während in Darmstadt das Thema Stadt abgehandelt wurde, War die Büchner Bühne in Leeheim für das Land zuständig und zuletzt das Büchnerhaus in Goddelau für das Thema Fluß. Und hier trat ich nun in Erscheinung.
Während Peter Brunner über das Leben und Lebensumstände Büchners und seiner Familie im hessischen Ried referierte und entsprechende Textstellen rezitiert, waren Wolfgang Roth und ich für die Fragen rund um die Flusslandschaft zuständig.
Obwohl ich recht kurzfristig dazu kam und bis zur Veranstaltung die ganze Woche beruflich im nördlichen Schwarzwald verbracht hatte, hatte sich in meinem Kopf eine ganze Menge zum Thema Fluss in Büchners angesammelt . So viel das ich gar nicht alles anmerken konnte. Also nutze ich die Möglichkeit hier nochmal alles so runter zu tippen, was mir einfiel.
Wasser und Fluss zur Zeit Büchners im hessischen Ried
Die Situation
Georg Büchners (*1813, +1837) Zeit war eine Zeit der Veränderungen. Während in den Köpfen der Intellektuellen noch der Gedanke der französischen Revolution auf Erfüllung hoffte, warf bereits die industrielle Revolution ihre Schatten vorraus.
In Ratingen war bereits 1783 die erste Fabrik auf dem europäischen Festland entstanden. Newcome hatte 1712 bereits die Dampfmaschine erfunden, die Watt 1769 entscheidend verbessert hatte. Der neu entstandene Deutsche Bund erholte sich langsam von Napoleons Feldzügen, dessen letzte Auswüchse plündernde Kosaken im Jahr 1813/14 waren, die das Fleckfieber nach Südhessen brachten.
Und Obwohl 1813/14 das Fieber grassierte und das Militär plünderte war die Bevölkerung im Ried langsam, aber stetig angewachsen , das Großherzogtum Hessen und bei Rhein „durch Napoleons Gnaden“ groß geworden.
Aber auch sonst hat das hessische Ried so seine Probleme. Bei der Schneeschmelze quellen die Altläufe des Neckars und die Bäche über, der Rhein überschwemmt die Auen und bei stärkeren Hochwassern auch das Hinterland.
Bei den Sommer- und Herbsthochwässern verwandeln sich die Altläufe in morastiges Sumpfland, dessen stehendes Wasser perfekte Brutkolonien für Stechmücken ist, die das Sumpffieber (Malaria) übertragen.
Schon seit dem Mittelalter gab es Bemühungen die sumpfigen Niederungen mittels Gräben trocken zu legen, so etwa durch die Mönche in Lorsch oder durch die Eberbacher Mönche im Mönchbruch. Der wiederhergestellte Landgraben hilft seit spätestens 1582 das Wasser der Schneeschmelze aus dem Odenwald abzutransportieren. 1772 wurde der Gedanke geboren den mittlerweile zu verlanden drohende Landgraben wieder herzurichten und ihn bis zum Darmstädter Schloss zu verlängern um dort einen Hafen anzulegen, denn Darmstadt war die einzige Residenzstadt ohne direkte Flussanbindung. (Ich hatte hier darüber geschrieben)
Auch wenn dieser Plan verwegen klingten sollte, wird das 19. Jahrhundert noch viel verwegenere Pläne Umsetzten.
Der Rhein
Der Rhein selbst erscheint allen als das Hauptproblem allen Übels. Der mäandrierende Fluss verlagert ständig seine Position im Rheintal. Untiefen entstehen und verschwinden wieder. Dabei sind auf Grund gelaufene Schiffe noch das kleinste Problem. Die Anreinerorte des Rheins verlieren durch die Umverlagerungen des Rheins Land, während andere Orte wieder neues Land hinzugewinnen. Die Gerichte der Fürsten müssen sich mit Prozessen um Entschädigungen herumschlagen.
Im badischen Karlsruhe wird daher 1809 der erste Plan einer Rheinbegradigung vorgelegt, darüber hinaus sollen Dämme errichtet und der Rhein vertieft werden um Hochwasser entgegen zu wirken. 1817 einigen sich Baden und Bayern auf einen Plan und Johann Gottfried Tulla kann mit seiner Arbeit beginnen.
Da das Großherzogtum Hessen natürlich nichts mit Baden oder Bayern zu tun hat, beginnt hier Krönke erst 1828 den Kühkopf zur Binneninsel zu machen.
Bessere Schiffahrt, weniger Rechtsstreit und besserer Hochwasserschutz sind das Ziel.
Die Bäche und Gräben
So nervig die ständigen sumpfigen Gräben und Altläufe sind, so nützlich sind sie auch. Denn die Überflutungen lassen im Frühjahr grüne Wiesen sprießen. Für Ackerbau ist es zu feucht, aber für das Vieh ist es perfekt. So erinnern noch Flurnamen wie Ochsenlache oder Ochsenbruch an diese Situation.
Die Landschaft am Fluss
Versucht man sich die Landschaft von damals vorzustellen tappt man fast unwillkürlich in die Falle sich den Kühkopf vorzustellen. Unberührter Auwald, dichtes Unterholz und Büsche. Sumpfige Flächen mit Ried und Gräsern bestanden, Wasserläufe, Reiher…
Vergessen wir das Mal!
Zwar gab es den Auwald auf dem Kühkopf, doch glaubt man den Karten war er wesentlich kleiner. Zudem war er Jagdgebiet des Großherzogs und damit Bannforst. Für den „Normalbürger“ nicht erreichbar.
Die kleinen Wälder, die frühere Karten noch zeigen, sind im 19. Jahrhundert fast vollständig verschwunden. Einzig einige Hecken stehen noch an den Gräben, oder die klassischen Kopfweiden als Nutzpflanzen darin.
Zwar ist das hessische Ried schon seit der Zeit der Römer keine Naturlandschaft, sondern Kulturlandschaft, aber im 19. Jahrhundert wird nun wirklich alles was geht für Ackerbau und Viehzucht genutzt. Die kleinen Pappelwäldchen und Alleen an Feldwegen, die man heute zum Teil sieht, sind meist Ergebnisse der Nachkriegszeit in der schnell wachsendes Holz benötigt wurde. Gefolgt von kleineren Aufforstungen im Rahmen der Flurbereinigung der 50er Jahre.
Büchners Lebensraum am Fluß ist eine Landschaft im Umbruch. Verhaftet in einer Zeit die längst vorüber ist, die aber noch nicht den Sprung in die Gegenwart geschafft hat hat. Ironischer Weise ein Spiegelbild für die gesamte Situation Büchners in der sich langsam verändernden Welt.
Danke für diesen schönen Bericht. Jetzt noch einige Bildhinweise oder Verweise auf zeitgenösische Landkarten und ich wäre wunschlos glücklich.
Gruß!
Karte 1. Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1:50.000 (1832-1850)
Karte 2. Rheinauenplan von 1738 (ULB Darmstadt
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Rest folgt….
Vielen Dank für Deine Beteiligung, Deine Beiträge und für diesen Text. Es war am Sonntag nur wenig Zeit, hier habe ich ein bisschen berichtet:
http://geschwisterbuechner.de/
Auf bald!
Peter Brunner