Metzner und Geinsheim – leider nicht nur methodisch Inkorrekt
Ich und Ernst Erich Metzner werden in diesem Leben keine Freunde mehr. So viel steht fest.
Dieses Jahr feiert der Gesangsverein meines Heimatortes Trebur-Geinsheim sein hundertjähriges Bestehen und gleichzeitigfeiert man die Ersterwähnung zum 1250 mal, übergeht dabei drei Jahre aber das hat Tradition.
Aus diesem Anlass wurde eine Festschrift herausgegeben mit einer Anzahl von Beiträgen , darunter auch auch von Prof. Dr. Ernst Erich Metzner mit dem Titel “Geusem”: Hochbetagt, erinnerungsträchtig, unverwechselbar neben Ginsheim und Gimbsheim und Gennes-/Ginnesheim(+) Lang überfällig fach- und flussübergreifend zu Alter und Sprache, Namen und Wappen von Geinsheim
So eine Überschrift muss einem auch erst mal einfallen. Chapeau!
Zunächst einmal liest sich der Artikel extrem schwierig. Was allerdings weniger am Inhalt liegt. Besteht doch alleine schon der erste Satz des Artikels, der auch gleichzeitig den ersten Absatz bildet aus 128(!) Wörtern (Zahlen und Datumsangaben nicht mitgezählt) und kommt dabeimit nur 7 Kommata und einem Semikolon aus.
Ich werde mich den archäologischen und historischen historischen Aspekten des Artikels widmen, da ich nicht die Gewandtheit und dem Vorwissen eines Linguisten besitze, wie Metzner einer ist und er daher auch viel über Namen konstruiert.
Grundlegend ist aber schon einmal Metzners Eigenart der Quellenangabe. Es gibt keine! Und wenn er sie im Text erwähnt dann meist im Sinne von “Wie ich hier/da/dort/ in jenem Vortrag (oder sonstwo) bereits dargelegt/erörtert/erklärt/bewiesen habe”. Metzner gibt sich gerne selbst als Quelle an!
Doch nun zum Inhalt.
Auf S.21-22, der ersten Seite seines Aufsatzes, stellt Metzner die doch recht steile These auf das man im Südhessischen, also dem Oberrheingau und im Rheingau keinen Rheinfränkischen Dialekt spreche, sondern das Idiom und Bennennung der Orte links und rechts des Rheins, auf die, bis zum Rheinübergang von 406 rechtsrheinisch siedelnden Stämme wie Alamannen zurückzuführen sei. Dabei weist er darauf hin, dass die linksrheinischen Orte ähnliche Namenselement für Neugründungen verwendet “…wie sie bis ca. 400 n.Ch. rechts des Rheins übliche waren (…)”.
Hier ergibt sich bereits ein großes Problem. Was wir nämlich nach Metzner suchen müssten, wären Ortsnamen im Südhessischen die nicht römischen sondern germanischen Ursprungs sind, und bis 400n.Ch. erwähnt wurden. Hier tut sich bereits ein Problem auf. Offiziell gibt es diese gar nicht. Inoffiziel gibt es aber einige Aufsätze und Mitschriften von Vorträgen die dies proklamieren, allesamt geschrieben von Metzner selbst. Gleichzeitig schreibt er aber auf S.25 selbst “Bis zur Karolingerzeit darf das Fehlen von schriftlichen Nennungen nicht verwundern.” Dies bedeutet schon einmal das wir uns der Gnade Metzners ausliefern müssen um ihm zu folgen, ihm einfach blind vertrauen.
Auf S.22 gibt Metzner dann zu das Ortsnamen mit der -heim Endung in aller Regel den Franken zugeschrieben werden, führt aber aus das diese wohl auch den Alamannen zugeschrieben werden könnten und somit in die Zeit von ca. 260 – 450 datieren können. Seine Begründung erscheint auf den ersten Blick so simpel, wie logisch, da es“(…)durchaus möglich erscheint, auch den archäologischen Funden zufolge”.
Aha… Überspitzt könnte ich auf diese Weise argumentieren das der Glauberg eine griechische Akropolis war, weil dort Amphoren und auch eine griechische Münze gefunden wurden. Aber im Ernst. Es gibt sehr viele Funde der ehemaligen alamannischen Siedler im Oberrheingau, das ist richtig. Nur vergisst Metzner das Untersuchungen gezeigt haben das der Oberrheingau in der Zeit von 406 bis zur fränkischen Landnahme kaum noch besiedelt war1 Nur 2 Siedlungsplätze, darunter Trebur, scheinen überhaupt dauerhaft besiedelt gewesen zu sein. Die alamanischen Siedlungen bestanden, wenn nur noch in Einzelfällen. Ihre guten Siedlungseigenschaften hatten die Orte jedoch behalten und boten sich daher zwangsläufig für eine Neubesiedlung an ohne deren früheren Namen zu kennen.
Auf S24. bezieht sich Metzner nun auf die Urkunden die als Geinsheims Ersterwähnung gelten. Er nennt dort die Personen die dem Kloster Lorsch Grund schenken und bezeichnet diese als erste Geinsheimer, wenn diese denn nicht, wie von ihm postuliert, aus Ginsheim stammen würden. Ich hoffe er meinte dies mit einem Augenzwinkern, denn sollte er dies ernst gemeint haben zeugt das nicht unbedingt von seiner Kenntnis mittelalterlicher Besitzverhältnisse. Wenn ich etwas in Ort A zu meinem Seelenheil an ein Kloster schenke, bedeutet das nicht das ich auch dort wohne. Ich könnte genauso gut aus Ort D kommen. Einfaches Beispiel: 834 verschenkt König Ludwig Teile des Besitz der Pfalz Tribur an das Kloster Lorsch. Diese Teile liegen aber nicht in Trebur sondern sind der Ort Langen, satte 20km Luftlinie entfernt. Und es bedeutet auch nicht das Ludwig Langen jemals gesehen haben muss. Will sagen wir wissen nicht woher die genannten Personen der Urkunden kommen!
Auf S.25 bemängelt Metzner das nicht aufgefallen sei, das zwar in den Urkunden von 767,768 und 770 von Gemminisheim und Gemminesheim die Rede ist, in späteren Urkunden von 1093-1418, jedoch die -heim Endung nicht erwähnt wird. Hier unterschlägt er einen wichtigen Punkt, den er zwar zuvor angerissen hat, aber in diesem Teil nicht weiter aufgreift.
Die ersten drei Urkunden finden sich in der Umschrift des Lorscher Codex welche aus dem 12. Jahrhundert stammt. Der Scriptor dieser Zusammenfassung hat keinen latainisierten Namen verwendet, sondern diesen in sein Deutsch der damaligen Zeit übersetzt. Wir kennen weder die Herkunft, noch den Ursprungsdialekt des Scriptors, noch darf eine Kenntnis der Region zwingend vorausgesetzt werden. Was im Ursprungsdokument stand wissen wir daher nicht. Was wir aber wissen ist was in den späteren Dokumenten steht. Diese sind komplett in Latein verfasst und im Urtext bekannt. Dort sind eben nicht nur der Name Ginsin (1093) oder Gense (1112) aufgeführt. Der komplett Ortsnamen liest sich als villa Ginsin und villa Gense. Und genau in diesem kleinen lateinischen villa findet sich das -heim das Metzner so vermisst.
Somit ist die auf dieser Seite postulierte “…erste wichtige neue Erkenntnis: Geinsheim trägt ursprünglich keinen -heim-Namen. Und die erste Nennung erfolgt anscheinend erst 1093”, schlichtweg Falsch! Da hierauf auch der Rest seines Aufsatzes basiert ist er vollkommen für die Füße.
Über der von Metzner auf S.25 erwähnten und von ihm “erschlossenen fränkischen Fernstraße zwischen Worms und der Wetterau” vermag ich nichts zu sagen da sich die Fachliteratur ausschweigt. Jedoch ist mir bekannt das es eine Heerstraße Karls des Großen von Worms kommen durch den Oberrheingau gegeben haben soll und diese wurde auch mindesten seit den 1960er Jahren beschrieben oder theoretisiert,und wurde auch archäologisch druch einen Bohlenweg bei Langen, wenn ich mich recht entsinne, nachgeweisen und steht im Zusammenhang mit den Sachsenkriegen. (Quelle konnte ich leider nicht finden, es sollte sich jedoch um Marianne Schalles-Fischer Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969 handeln)
EDIT:Habe die Quelle nun gefunden, da ich sogar bereits darüber schrieb: Hier zu finden!
Was ich aber sagen kann das Metzner irrt, wenn er davon ausgeht ein Fernweg habe noch nicht vom Kornsand kommend über Geinsheim geführt und der Hauptweg hätte über die Nackenheimer Schwelle nach Trebur geführt. Einen Rheinübergang gab es bereits zu römischer Zeit wie das Kastell Kornsand zeigt, über das Dr. Thomas Becker ein paar Seiten vorher auch schreibt. Das dieser auch zur Zeit der Karolinger noch in Nutzung war zeigt der Fund eines Solidus Karls des Großen sowie weitere Funde entlang des Weges.
Auf Seite 27 streift Metzner kurz Trebur und verkündet den Zusammenfluss von Rhein, Neckar und Main habe es bei Trebur nie gegeben. Nun ja, in dieser Formulierung schon mal nicht denn Neckar und Main flossen und fließen in den Rhein, und wohl auch nicht in einem Punkt genau in Trebur, soweit hat er Recht. Jedoch taten sie es in unmittelbarer Umgebung nur eben schon vor guten 10.000 Jahren und nicht erst im Mittelalter. Und zu dem gilt die Darstellung auf dem Treburer Wappen, auf das sich Metzner hier bezieht , eher als Darstellung einen dreibeinigen Stuhles als Zeichen der Gerichtsbarkeit und nicht auf den Zusammenfluß.
Auf selber Seite erwähnt Metzner das eine Zuwanderung aus dem niederfränkisch-flämischen Raum “noch zur Heidenzeit um 450” wirklich “nachweisbar und vermutbar” scheint. Führt dies aber zu meinem bedauern nicht aus. Das ich mich an dem Begriff “Heidenzeit” stoße ändert aber nichts daran, das es dafür eigentlich einen Begriff gibt: “fränkische Landnahme” und zwar eben ab ca. 450, allerspätestens nach 496 um genau zu sein. Kamen doch die Franken aus ihrer, zu dieser Zeit angestammten Heimat, um Tournai. Und das ganze ist auch nicht singulär wie er das für Geinsheim sieht, um Änderung der Lautfolge zu begründen sondern passierte, wenn auch nicht sofort, Flächendeckend. Vielleicht hätte Metzner auch einmal nachlesen können das es nach 531 und dem Ende des Thüringischen Königreichs auch Umsiedlungen von Thüringern in die Region zwischen Worms und Mainz gab. Vielleicht sähen seine Theorien nochmal anders aus.
Weiterhin kommt Metzner auf S.25-28 zum Schluß das der Name Geinsheim tatsächlich sich von Gänsen (dem Tier) ableitet und zeigt ja auch das Gerichtssiegel von 1642 ein G mit Gans, das er als Beweis sieht, das die ursprüngliche Bedeutung des Namens zu dieser Zeit noch bekannt gewesen sei.
Ich hätte hier eher Ockhams Razor angesetzt. Geinsheim war arm. Es gibt viele Gänse und es gab viele Gänsehirten. Das Kaff war also bekannt für seine Gänse und sowieso waren die armen Schlucker alles Gänsehirten, also drücken wir denen einfach die Gans auf Siegel. fertig und unabhängig vom Namen.
Mit seinem Abschnitt III, den Metzner auf Seite 28 schon vorsorglich mit “Vorsichtige Ausblicke in die Vorvergangenheit” betitelt, driftet er vollends in Spekulation bis hin zu Fantasy Elementen ab.
Aus den vorigen Abschnitt nimmt er die Gans mit und kommt auf die Idee eines Gänse verehrenden Kultes oder einen entsprechenden Mythos den er in einer ehemaligen Rheinschlinge südlich von Geinsheim verortet. Für ihn wäre der schwer zugängliche Ort im Zentrum des kurzlebigen “almanischen bzw. ´deutschen´ Großreich“ (WTF!) der perfekte Ort für ein Donar Heiligtum. Die Nachwehen des Kultus bringt er in direkt in Zusammenhang mit dem dort gelegenen Camba und der dortigen Königswahl des Saliers Konrad II.
Er stellt die Frage ob die Althreininsel, nicht ein Heiligtum Donnars und seiner Frau war. Und ob dieses “zentrale Alamannenheiligtum” nicht eine Erinnerung an das von Tacitus erwähnte Sueben Heiligtum, dem Semnonenhain, sei.
Ganz davon abgesehen das mir “almanischen bzw. ´deutschen´ Großreich“ trotz Gänsefüßchen bei “deutschen” die Galle hochkommt, zumal das ganze noch in Verbindung mit germanischen Stämmen steht und irgendwelche ewig Gestrigen sich darauf einen schütteln könnten, hat auch hier die Theorie einer Althreininsel einen riesigen Haken!
Das Ding ist eine Rheinschleif, keine Insel. Sie ist bereits mehreren tausend Jahren verlandet. Zu keinem Zeitpunkt als die Alamennen in der Gegend waren war dies jemals eine echte Insel, sonder eher eine Ecke in der sich im regelmäßigen Abstand einige Feuchtgebiete auftaten und vielleicht einige Tümpel vorhanden waren. aber keine Insel!
Er beendet seinen Aufsatz sehr trefflich mit “Man muss wissen, dass man an bestimmter Stelle aufhören muss zu fragen”
Vielleicht hätte er gar nicht anfangen sollen?
Es tut mir leid. Selbst wenn Prof.Dr. Ernst Erich Metzner mit allem recht haben sollte, was er nun ja mit einigen Dingen nachgewiesener Maßen nicht hat, oder aber seine Conclusio daraus stimmen sollte, kann ich dieses Aufsatz nicht ernst nehmen.
Während Dr. Becker vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen für seinen Aufsatz über zweineinhalb Seiten Text für das Römerlager bei Geinsheim 7 Quellen angibt, finden sich zu den 8 Seiten Metzners keine einzige Quellenangabe, außer den Verweisen im Text zu dem was er mal irgendwo sagt! Aber ohne eine Möglichkeit dies auch nur im Ansatz nachzuvollziehen. Entschuldigung aber Wissenschaft geht anders und das ist nichts was ich von einem pensionierten Professor (nicht emeritiert, Metzner hat nicht habilitiert!) erwarte!
Metzner macht im Text auch deutlich, zumindest erscheint es mir so, bisher immer alle falsch lagen und nur er die Lösung weiß. So spricht er auf S.24 dem Deutschen Orstnamensbuch von 2012, anderen Historikern und Sprachwissenschaftlern, der Wikipedia sowieso, sämtliche Kompetenz ab und wirft den erstgenannten vor “selektiv und postulativ (zu) verfahren” ohne zu bemerken das er dies selbst tut.
Warum setzt er sich dann nicht mit diesen Leuten auseinander? Warum übernehmen diese Leute denn seine Theorien nicht? Sogar von mir wurden schon Theorien übernommen, warum verflucht nochmal nicht von ihm?
Aber um es mit E.E.Metzner zu sagen: “Man muss wissen, dass man an bestimmter Stelle aufhören muss zu fragen”
PPS: Vielleicht mal hier reinlesen/hören… und noch was zum Lesen
vgl. C.Singer “Die Vegetation des nördlichen Hessischen Rieds während der Eisenzeit, der Römischen Kaiserzeit und dem Frühmittelalter” Frankfurt am Main, 2006 https://d-nb.info/982436734/34 ↩
„Aus den vorigen Abschnitt nimmt er die Gans mit und kommt auf die Idee eines Gänse verehrenden Kultes“
Autsch, Travia-Anhänger in Südhessen. Wo soll denn ein Gänsekult überhaupt herkommen? So was kenn ich nur aus dem Schwarzen Auge und dieser einen, vermutlich unhistorischen Anekdote aus dem – ich glaube – ersten Kreuzzug. Und das dann im Zusammenhang mit einem Donar-Heiligtum? Aus dem Donnergott wird eine Gans?
Nur zwei Argumente: 1. Villa oder vicus bedeutet keineswegs „Heim“ sondern ist die allgemeine lateinische Bezeichnung für Ansiedlungen. Auch nicht -„heim“ Ortsnamen werden in lateinischen Urkunden so bezeichnet. Lediglich dort wo sie fränkische Namen latinisieren fällt dies zusammen. 2. In einet Urkundes des Klosters Eberbach wird Geinsheim nur in den einsilbigen „Gense“ Variante aufgeführt, während alle anderen entsprechenden Ortsnamen in der „-heim“ Form aufgelistet sind.
Sehr geehrter Herr Zwittmeier,
zur Ortsnamen-Geschichte von Geinsheim hier ein paar Anmerkungen.
Die Zuordnung der Namen Gemminesheim und Gemminisheim im Codex Laureshamensis Nrn. 194-197 aus den Jahren 767, 768 und 770 zu Geinsheim im Oberrheingau wird widersprochen von Franz Staab: Zur Methode der Identifizierung karolingerzeitlicher Ortsnamen in Lorscher und Fuldaer Überlieferung, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 30, 1980, S. 86-93, hier 67-71 und 90. Staab bezieht diese Nennungen trotz der Gauangabe „in pago rinensi“ auf Gimbsheim im Wormsgau. Er erklärt (S. 68-71) die unterschiedliche Gau-Zuordnung des Ortes durch eine Verlagerung des Rheinhauptlaufs, die er auf das Ende der 760er Jahre datiert. Gimbsheim, das vorher am rechten Ufer des Rheins gelegen habe, sei durch die damalige Veränderung des Rheinhauptbettes zu einem linksrheinischen Ort geworden. Neuere geologische Untersuchungen haben zwar gezeigt, daß die Eich-Gimbsheimer Altrheinschlinge schon in vorrömischer Zeit vom Hauptstrom abgetrennt wurde und dass das Terrain, auf dem sich der heutige Wohnplatz Gimbsheim befindet, seit antiker Zeit wohl niemals rechtsrheinisch gelegen hat (s. Isabel Kappesser: Römische Flussfunde aus dem Rhein zwischen Mannheim und Bingen, Bonn 2012, Kap.2.3 zur Rekonstruktion des antiken Flussverlaufs S.36-46, hier S.41-43), dennoch hat Staab mit seinem Gedanken, dass hier die Gauzuordnung vom Flussverlauf bestimmt wurde, wahrscheinlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Gemarkungen an Gewässern, konnten nämlich im Mittelalter, und zwar nicht nur bei Bächen, sondern auch bei Flüssen, Gebiete auf beiden Ufern umfassen, so daß es möglich war, daß eine Gemarkung von einer dem Gewässerlauf folgenden Gaugrenze durchschnitten werden konnte (vgl. Wilhelm Niemeyer, Der Pagus des frühen Mittelalters in Hessen, Marburg 1968, S.82, 84 f, 89, 90, 92, 200-202). Bei den am Rhein liegende Orten Hamm und Gernsheim ist durch neuzeitliche Quellen überliefert, dass diese Gemeinden durch Verlagerungen des Rheinbettes von Gemarkungsteilen abgeschnitten wurden, die auch danach noch zum Gebiet der jeweiligen Gemeinde gehörten (1200 Jahre Hamm am Rhein, Hamm 1982, S.74-82. Die dort auf S.74f erwähnte Urkunde von 1423 ist aber wohl eine Fälschung). Es ist daher im Fall von Gemminesheim im Oberrheingau in den obigen Schenkungen CL 194 – CL 197 anzunehmen, dass es dabei jeweils um Wiesengelände in der Rheinniederung oder auf einer Insel ging, das zwar zu Gimbsheim gehörte, aber jenseits eines großen Rheinarms lag und deswegen damals zum Oberrheingau gerechnet wurde. Der Zusammenhang mit Gimbsheim wird durch die Tradentennamen nahegelegt (Staab S. 69).
Auch Klaus Andrießen: Siedlungsnamen in Hessen, Marburg 1990, S. 112 bringt noch Gemminisheim aus CL 197 a. 767 als Erstnennung von Geinsheim, findet aber – ähnlich wie Staab – die Entwicklung des Namens, bei der das Bestimmungswort „heim“ im hohen Mittelalter wegfällt, um dann ab 1418 wieder aufzutauchen, als „nicht nachvollziehbar“.
Als älteste Nennungen von Geinsheim stammen laut Staab (S. 68) erst aus den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts und lauten Gense, Gensu bzw. Gensun (Mainzer Urkundenbuch, bearb. v. Manfred Stimming, Bd. 1, Darmstadt 1932, Nr. 457 und Nr. 498). Staab S. 68: „Wir haben hier also einen sogenannten unechten heim-Namen vor uns.“ Es gibt nämlich das Phänomen, dass bei Ortsnamen in späterer Zeit das Bestimmungswort (Suffix) wechselt, wegfällt oder hinzukommt, vgl. z.B. Elmar Neuß: Geschichtliche Entwicklung der Ortsnamen an exemplarischen Beispielen, in: Ernst Eichler u.a. (Hg.): Namenforschung – Name Studies – Les noms propres, Teilband 2, Berlin – New York 1996, S. 1392-1397, hier 1393-1395.