Keine „Alteburg“? – Ein Lehrstück in Quellenkritik
Ich schulde noch den zweiten Ulm Artikel, der kommt auch irgendwann noch, aber ich hab ´ne super Ausrede… …ich bin umgezogen , hatte Probleme mit dem neuen Internet, das Blog wurde gehackt und Corona bereitet mir nun, da sich alles beruhigt, beruflich noch mehr Stress als sonst Aber zum Thema…
Ich bin also Weg von einer Pfalz zu einer Ort mit einer ehemaliger Wasserburg, Johanniter Kommende und einem Burgstall. Und genau dieser Burgstall bereitet mir Kopfzerbrechen.
Schau ich aus meinem neuen Wohnzimmerfenster, ragt in 300m Entfernung ein bewaldeter Hügel auf, er trägt den Namen „Alteburg“. Dieser soll von einer Höhenburg stammen die sich dort befunden haben soll und ist eng mit einer Sage verbunden:
Zu Zeiten Friedrich Rotbarts war Berthold, Graf zu Nidda, ein Raubritter, hatte seinen Pferden die Hufeisen umkehren lassen, um die Wandersleute sicher zu berücken, und durch sein Umschweifen in Land und Straßen großen Schaden getan. Da zog des Kaisers Heer vor Altenburg, seine Raubfeste, und drängte ihn hart; allein Berthold wollte sich nicht ergeben. In der Not unterhandelte die Gräfin auf freien Abzug aus der Burg und erlangte endlich vom Heerführer, daß sie mit ihrem beladenen Maulesel und dem, was sie auf ihren Schultern ertragen könnte, frei herausgelassen werden sollte; mit ausdrücklicher Bedingung, daß sie nur ihre beste Sache trüge, auch der Graf selbst nicht auf dem Maulesel ritte. Hierauf nahm sie ihre drei Söhnlein, setzte sie zusammen auf das Tier, ihren Herrn aber hing sie über den Rücken und trug ihn den Berg hinab. So errettete sie ihn; allein bald ermatteten ihre Kräfte, daß sie nicht weiter konnte, und auch der müde Esel blieb im Sumpfe stecken. An der Stelle, wo sie nun diese Nacht zubrachten und ein Feuer angemacht, baute hernach die Gräfin drei Häuser ihren drei Söhnen auf, in der Gegend, wo jetzo Nieder-Nidda stehet. Die Altenburg ist zertrümmert, hat aber noch starke Gewölbe und Keller. Es geht gemeine Sage, daß da ein Schatz verborgen stecke; die Einwohner haben nachgegraben und Hufeisen gefunden, solche, die man den Pferden verkehrt aufnageln kann.
Ich kenne den Hügel schon mehr als 10 Jahren, hatte mich aber nie tiefer damit befasst weil die Information dazu sehr dürftig gestreut sind. Jetzt aber nehme ich mir dazu die Zeit.
Nach dem Lagis nicht viel hergab, außer der Information das 1464 die Bezeichnung „an der alden burg“ erwähnt wurde, führte mich meine Suche nach Informationen zur Wikipedia. Und schon der zweite Satz im Artikel bereitete mir Kopfzerbrechen:
Von der vermutlich im 11. Jahrhundert durch die Grafen von Nidda aus dem Hause Malsburg errichteten Anlage auf dem Gipfelplateau des gleichnamigen Hügels sind heute nur noch geringe Teile von Wall und Graben sowie einige Mauerreste inmitten eines Vogelschutz-Wäldchens erhalten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alteburg_(Kohden)
Zur Topographie komme ich noch. Was mir aber Kopfzerbrechen bereitet, ist die Angabe was es denn noch zu sehen Gäbe. Das Problem mit dem Text ist schnell erklärt. Als Quelle wird Rudolf Knappe: Mittelalterliche Burgen in Hessen angegeben. Zum Glück besitze ich dieses Buch und zwar exakt in der Ausgabe die als Quelle angegeben wird, so dass ich schnell einen Blick hinein werfen konnte.
Knappe schreibt, im Gegensatz zum Wikipedia Artikel:
Wälle und Gräben sind teilweise noch gut erkennbar. Am Anfang des 18. Jh. waren noch Gewölbe, Keller und Mauerreste vorhanden, die in der Folgezeit zur Steingewinnung abgetragen wurden.
Schon hier sieht man das es wohl gar keine Mauerreste mehr gibt. Und das kann ich bestätigen. Es gibt dort oben durch Verwitterung gebrochenes Gestein, sogenannte Wollsackverwitterung des dortigen Basalts, das den Eindruck von Mauerresten macht, ist aber vollkommen natürlichen Ursprungs. [Anmerkung : Die Quellen Knappes selbst sind nicht ergiebig und werden daher erst gar nicht betrachtet]
Interessant ist dann der zweite Literaturverweis in der Wikipedia: Ludwig Noack: „Ueber einige Lokalitäten von urzeitlicher Bedeutung im Bereich des Vogelsberges“, in: Archiv für hessische Geschichte und Alterthumskunde, Zehnter Band, Drittes Heft, Darmstadt, 1864 (S. 258)
Die Altenburg bei Kohden ist in diesen Blättern bereits mehr genannte Lokalität. Nach der Sage soll sie die frühere Burg der Grafen von Nidda gewesen sein. Möglich, daß dem so ist, erscheint aber auffallend , wie so wenige Reste einer alten Burgruine auf dem bis neuste Zeit wüsten Berggipfel zu sehen sind. Ich kann mir bei öfterem Bedenken die Vermuthung nicht versagen, daß wir es doch mit einem urzeitlichen Lokal und nicht mit einer mittelalterlichen Burgstätte zu thun haben, oder daß es sich nur um eine unbedeutende Burg (wie bei der Glauburg erwiesen ist )[Anmerkung: Hier irrt Noak] auf die keltischen oder germanischen Anlagen erbaut war, welche früh verlassen wurde.
Über die Formation des Berges, dessen Gipfel auffällig terassenförmig abgestuft ist, hat sich Diefenbach in seiner vorsichtigen Weise ausgesprochen. (…) Diesen Berg habe ich genau angesehen. Er ist auf seiner flach, gewölbten, etwas terassenförmig abgesonderten Kuppe mit Felsen bedeckt, deren Anhäufungen eine zweifelhafte Spur menschlicher Nachhülfe zur Herstellung von Ringwällen verrathen könnten, Das Plateau ist wüst und im Besitz der Gemeinde Kohden, welche seit langer Zeit an der Südseite Steinbrüche im Betrieb hat. (…)
Auch die Zweite Quelle ist nicht besser: Joh. Ernst Christian Schmidt, Geschichte des Großherzogthums Hessen, Zweyter Band: Geschichte der Provinz Ober-Hessen,Verlag Georg Friedrich Heyer, Gießen, 1819 (S. 254)
Schmidt berichtet über die Sage zur Altenburg und dem damit verbunden Grafen Berthold und erklärt:
Von diesem Berthold hat man eine Erzählung die hier Berücksichtigt werden muss; nicht, weil die Geschichte durch sie bereichert wird, sondern weil sie zur Vorsicht auffordert.
Er führt weiter aus das es zu dieser Sage keine einzige belastbare Quelle gibt und die als Beweis angeführten Autoren diesen Berthold und sein Raubrittertum nicht einmal erwähnen.
Ja, die Quellen sind nicht sonderlich positiv, was die Existenz einer Burg betrifft!
Was die Terassierung des Hügels angeht ist die Lösung übrigens ganz einfach. Es handelt sich um Terrassen, die für den Weinanbau genutzt wurde, aber bereits vor der Mehltaukriese (ab 1845) und Reblausplage (ab 1865) aufgegeben wurden aber zumindest wohl in Urkunden des 14. Jahrhunderts erwähnt wurden. Noch heute sind die Terassen im oberen Bereich der Südseite zu erkennen. Diese Art der Terrassierung findet sich hier im Bereich der Nidda an vielen Ost und Südhängen.
Auch im zeitlichen Zusammenhang scheint hier einiges nicht zu stimmen. Bereits um 1065 ist Volkhold I. von Malsberg Vogt von Bingenheim und verwaltet Fuldischen Besitz im Niddatal. Sein Sohn Volkhold II., erhält durch Heirat Land zu freiem Eigen im Raum Nidda und nennt sich ab 1104 Graf von Nidda wo er auch residiert. Entweder Volkhold I. oder aber Volkhold II. bauten den Vorgänger des heutigen Schlosses Nidda als Wasserburg zur Wegsicherung des Handelsweges über den Vogelsberg. Als nun der Sagen behaftete Berthold I. Graf von Nidda wird, existiert die Wasserburg bereits. Warum er sich daher eine möglicherweise ältere Höhenburg anstatt der direkt am Handelsweg liegende Wasserburg für Überfälle auf den Handelsweg aussucht bleibt ein Geheimnis. Auch hat jener Berthold I. den Johannitern in ihrer Kommende in Nidda Güterbesitz in Kohden, also unterhalb der Alteburg, übertragen. Ein Vorgang der unwahrscheinlich ist für einen „Raubritter“ und eine „Raubrittertätigkeit“ mit den Johannitern im Nacken hört sich auch nicht sehr wahrscheinlich an.
Übrigens verweist die Wikipedia im Artikel „Grafschaft Nidda“ im Teil zu Berthold I. als auch im Artikel „Berthold I. (Nidda)“ wieder auf den skeptischen Text von Schmidt als Quelle was das Raubrittertum Bertholds angeht. Man dreht sich also im Kreis und der Wikipedia Autor ignoriert die Skepsis von Schmidt.
Bleiben Gräben und Wälle!
Da ich mir die Alteburg als Laufstrecke für kurze schnelle Trailläufe ausgesucht habe, bin ich bereits mehrfach über und um das Gelände gelaufen. Tatsächlich gibt es hier wall- und grabenartige Strukturen. Jedoch ergibt dich weder bei den Wällen, noch bei den grabenartigen Strukturen irgendein sinnvolles Gesamtbild. Die Gräben erscheinen fast wie ungleichmäßige Bombentrichter, die wahllos im Gebiet verstreut liegen. Bei den Wällen erscheint es nicht anders. Wobei jedoch auffällt, das gerade auf der Südseite im Wall keine Wälle sondern eben Terrassen vorhanden sind – Reste des Weinbaus.
Eine Informationstafel auf dem Gelände zeigt einen Lageplan in dem die Wälle im rechten Winkel verlaufen – Teile der Wingerte des Weinbaus. An einigen Stellen ist die Deckschicht des Erdreiches der Wälle abgetragen. Darunter kommt kommt aber lediglich Basaltschotter zum Vorschein. Nichts was man Steinen aus einer Mauer zurechnen würde und selbst für einen keltischen Ringwall erscheint das Material viel zu fein. Auffällig ist auch das es nicht die Spur eines Walls oder Grabens von der flachen Westseite her gibt. Gerade hier sollte man die stärkste Verteidigungsanlage erwarten. Doch keine Spur davon.
Aber auch in diesem Zusammenhang gibt der Plan indirekt Auskunft. Das gesamt Gelände ist von ehemaligen Steinbrüchen durchzogen, was die Grabenstrukturen erklären könnte, aber auch die Wälle bei denen es sich dann um Abraum handeln würde.
Der Größte der noch erkennbaren Brüche ist über die Westseite zu erreichen. Hierhin führt auch der Zugangsweg , wo sich auch die Informationstafel findet.
Letztendlich bleibt nicht viel von einer alten Burg auf dem Alteburg! Alle Quellen drehen sich im Kreis, verlaufen im Sand und sind unzuverlässig. Suchen nach archäologischen Funden die dort gemacht worden sein könnten verliefen allesamt negativ. Es ist mit Sicherheit nicht davon auszugehen das hier im 11. Jahrhundert eine Burg stand. Schaut man sich zudem Burgen des 11. Jahrhunderts in näherer Umgebung an, wie etwa die Burg Arnsburg, so fällt auf das diese wesentlich kleiner waren (erste Bauphase Arnsburg ca.20x25m). Das Plateau der Alteburg hat dagegen monumentale 140x140m (man kann auch noch großzügiger messen als ich das gemacht habe…). Eine solche Anlage sollte auf jeden Fall irgendwo erwähnt worden sein.
Wenn nun tatsächlich einstmals irgendetwas dort oben gestanden haben sollte, dann wohl am ehesten etwas in der Richtung wie sie Noack Kelten oder Germanen vermutete, vielleicht noch ein Festes Haus als ursprüngliche Wegsicherung der Passstraße in Richtung Schotten über den Vogelsberg, wobei das im Tal hier wohl auch sinnvoller gewesen wäre.
Fest steht aber, man sollte bei allen Quellen immer hinterfragen und Klassiker wie etwa Knappes „Burgen in Hessen“ nicht blind vertrauen.
[…] None of this is recorded in known historical sources, but is quite plausible for several reasons. First of all,…
[…] historian linked to the Tribur Palts, provided a positive answer to this question. He reconstructed the itinerary of Emperor…
Auch Frau Danker wusste das der stählerne Glockenestuhl 1961 einen Stahlglockenstuhl ersetzt hat, Der alte Holzglockenstuhl von 1844 hat dem…
[…] Trackback: Geschichte und so Zeugs » Ein ♥ für Blogs […]
Hallo Herr Wittmer, Hallo Thomas, das stimmt und wieder nicht. Tatsächlich ist das Wappen in die Wappenrolle mit dieser Beschreibung…