Des Kaisers neue Kleider IV – Der Herrschermantel
Dieser Post über Herrschermäntel ist tatsächlich der größte in der Reihe. Um ehrlich zu sein habe ich auch mit diesem als erstes begonnen zu schreiben, denn aus irgendeinem Grund, der sich mir selbst nicht erschließt, finde ich die Mäntel spannend.
In einem gefühlt anderem Leben hatte ich mir einemal die Fibelabbildungen auf Herrschbildern angesehen1 Was ich damals nicht bedachte, zwar vermutete, aber nicht in Verbindung brachte, war die Antikenrezeption der Abbildungen. Man hatte die Bilder nicht nur im Aufbau von antiken Vorlagen kopiert, man hatte sie wirklich eins zu eins übernommen und somit auch spätantike Fibeln abgemalt.
Das bedeutet, wieder mal, dass die Bilder nicht zuverlässig sind. Wie also sah nun der karolingische Herrschermantel, bzw, der Herrschermantel im mitteleuropäischen Frühmittelalter aus?
Zunächst einmal möchte ich einige Begriffe definieren, die uns in diesem Zusammenhang begegnen. Dabei wissen wir allerdings nicht genau ob jeder in diesem Begriff auch das Gleiche verstand. Aber das wird uns noch begegnen.
sagum, chlamys und paludamentum
Die drei Begriffe, die uns hier interessieren sollten, sind sagum, chlamys und paludamentum. Bei dem sagum handelt es sich um den klassischen Rechteckmantel, der in der spätantike sowohl von römischen Legionären, als auch den germanischen Hilfstruppen und den germanischen Stämmen allgemein getragen wurde. Es ist ein praktisches Allzweckkleidungsstück. Es kann als Mantel benutzt werden, als Decke und zur Not kann man auch einen Unterstand damit errichten.
Etwas verwirrender ist es dagegen mit chlamys und paludamentum. Im antiken Griechenland entsprach die chlamys dem lateinischen sagum, war also ein einfacher Rechteckmantel. Bei der Übernahme des Kleidungsstücks durch die Römer wurde der Mantel jedoch größer bis er dem paludamentum entsprach, bzw. sich zu diesem entwickelte und in der Folge, dann im Frühmittelalter, die Begriffe chlamys und paludamentum für ein und dasSelbe Kleidungsstück verwendet wurden2 auch wenn Isidor von Sevilla dies anders definiert (Chlamys = Aus einem Stück, nicht genäht, geschlossen mit einer Schließe; plaudamentun = Herrschermantel in Scharlach und Purpur und Gold )
Dabei war das paludamentum ein Offiziersmantel der römischen Armee, quasi ein übergroßes sagum mit Repräsentationsfunktion, das auf der linken Schulter getragen wurde und dabei elegant um den Arm drapiert wurde. Die wachsende Übergröße machte es dann schlichtweg nicht brauchbar im Militäralltag, weshalb es nur bei Paraden oder anderen offiziellen Veranstaltungen getragen wurde.
Es wurde ebenfalls zu einer Insignie des Kaisers, der damit auch seine militärische Gewalt zeigen konnte. Die Feldherren trugen meist ein rotes paludamentum, während das klassische kaiserliche paludamentum im Normalfall purpurfarben war. Jedoch sind alle Farbabstufungen zwischen Rot, Purpur und Blau möglich. Je nach Farbstoff, Färbetechnik usw.
Was trägt Karl denn da?
Wieder einmal greife ich nun auf Einhard zurück. Dieser beschreibt in Kapitel 23 seine Vita Karoli Magni, das Aussehen Karls des Großen und nennt auch zwei mal einen Mantel.
In der Beschreibung von Karls Alltagskleidung nennt Einhard einen “sago veneto” , übersetzt als “blaues sagum”.
Dabei soll zunächst kurz auf die Farbe eingegangen werden. Einhard nutzt das Wort “veneto” für blau, nicht das übliche “caeruleum”. Ein Begriff der mitunter als Azurblau übersetzt wird. veneto dagegen bezieht sich auf Venedig, Venetien oder den Volksstamm der Veneter. Woher der Name von Venedig und Volkstamm der Veneter ursprünglich stammt, ist nicht klar, eine Theorie sieht den Begriff mit Wasser verwandt (die blaue Lagune…), was das Blau erklären könnte. Andererseits könnte Einhard damit aber auch ein spezielles Blau, ein “venetianisches Blau”, ein Begriff der seit der frühen Neuzeit für die venetianische Glasproduktion mit Kobaltblau verwendet wird und von dunkelblau bis zu blau mit leichtem Lilaspekt reichen kann, bezeichnet haben. Auch könnte damit ein Blau gemeint sein, das über Venedig importiert wurde, etwa echtes Indigo. In diesem Fall wäre dies durchaus relevant, war doch Venedig ein Stützpunkt der Byzantiner. Diese Idee hat übrigens bereits 1905 Heinrich Kretschmayr in seiner “Geschichte von Venedig” niedergeschrieben.3. Auch wurde “veneto” in einer älteren Übersetzung derVita als “meeresgrün” übersetzt. Wir behalten diese Farbaspekte zunächst einmal im Hinterkopf.
Im Text wird kurz darauf noch einmal ein Mantel erwähnt. Dort heißt es sinngemäß, dass obwohl die ausländische Kleidung sehr schön war, diese von Karl abgelehnt wurde und trug sie nie, nur einmal in Rom habe er auf bitten Papstes Hadrian (+795) (Vorgänger von Leo IX. der Karl zum Kaiser krönte) lange Gewänder und eine chlamys getragen.
Einhard verwendet hier den griechischen Begriff der chlamys und meint damit ein paludamentum. Der Begriff der chlamys wird von karolingischen Autoren generell bevorzugt. Die ausländische Kleidung, bzw die Ausländer die Einhard meint sind die Byzantiner, dies erschließt sich durch die Verwendung eines griechischen Begriffes, die Beschreibung als “lange Gewänder” und die Nutzung dieser Kleidung in Rom das zuvor ebenfalls von Byzanz verwaltet worden war.
Quellenkritik my dear Watson!
Bei den Beschreibungen Einhards ist wie immer Quellenkritik angebracht. Einhard schrieb nach Karls Tod. Seine Beschreibung nutzt einen offensichtlichen Bescheidenheitstopos. Wie auch später Notker von St. Gallen nutzt Einhard Karl den Großen als Vorbild und zur Ermahnung auf die Rückbesinnung auf fränkische Werte (wie auch immer diese waren..). Je nachdem wie man die Vita datiert, es sind Zeiträume von 817 bis 836 im Gespräch, könnte Ludwig der Fromme oder seine Söhne hier gemahnt sein.
Folglich sollten diese durchaus byzantinische Kleidung getragen haben, was Einhard, wie später auch Notker, durch die Blume anmahnt.
Tatsächlich zeigen die Münzportraits Karl den Großen ab 812 Karl als römischen Feldherren bzw. Kaiser mit Paludamentum.4
Was schreiben die Anderen? Thegan? Ermoldus? Notker?
Auch der Biograph Ludwigs des Frommen, Thegan, schreibt über die Kleidung Ludwigs. Wie auch schon Einhard versucht sich Thegan am Bescheidenheitstopos, was ihm aber nach meinem modernen Empfinden nicht ganz so gut gelingt, wenn er schreibt:
Er war gemäßigt in Essen und Trinken und unauffällig in seiner Kleidung. Er stolzierte nie in goldener Kleidung umher, außer allein an den höchsten Festtagen, wie es seine Vorfahren taten. Selbst an jenen Tagen trug er nichts weiter als ein Hemd und eine Hose, die mit Gold gewebt und gesäumt war und mit einem goldenen Schwertgürtel, einem glänzenden Goldschwert, goldenen Beinschienen und einer mit Goldfäden gewebten Chlamys verziert war. Er trug eine goldene Krone auf seinem Kopf und hielt einen goldenen Stab in seiner Hand. (Zynische Anmerkung: Hat Thegan irgendwann jemals Gold erwähnt?)
Ermoldus Nigelus berichtet in seinem Gedicht über Ludwig den Frommen, das dieser Harald Klak Halfdanson bei dessen Tauf unter anderem eine mit Edelsteinen besetzte, purpurfarbene (murice rubro), mit Goldrand gefasste Chlamys geschenkt habe. 5
Das Ludwig Harald Klak einen Purpurmantel schenkte bedeut nicht dass er seinen Mantel verschenkte. Dies wäre als Abtreten der Macht verstanden worden, Ludwig hatte also mindestens 2 entsprechende Mäntel. Vielmehr zeigt die Übergabe eines Purpurmantels, das Ludwig nun Harald nach seiner Tauf als gleichberechtigt betrachtete, sowie als militärischen Verbündeten, da er ihm auch eines seiner Schwert schenkte.
Notker verwendet für den Mantel immer wird das Wort pallium, was nicht wirklich falsch aber normalerweise keinen frei hängenden Mantel bezeichnet sondern, das römische Manteltuch das um den Körper gewickelt wird und dessen Ende auf dem linken Arm ruht (griech. : himation ) und in der Zeit Notker bereits das Pallium des Bischofs bezeichnet, was gar nichts mehr mit einem Mantel zu tun hat. Notkers Eigentümlichkeiten zeigen sich auch wenn er die Farben der Mäntel der Franken beschreibt: Er nutzt die Worte canus und saphirinum. canus (“hundisch”) ist wohl ein Verschreiber und sollte granum meinen, was Getreidefarben bedeuten würde, aber meist mit weiß übersetzt wird. Es ist wohl ein Naturweiß gemeint. Saphirinum bedeutet Saphirblau. Möglich, dass Notker hier Bezug auf Einhards “venetianisches Blau” nimmt.
Im Übrigen nennt Notker kurz zuvor noch einen weiteren Mantel, von dem er jedoch nichts mehr weiß, da dieser Mantel wohl aus der Mode gekommen scheint. Er schreibt: (…) Karl nutzte für die nächtlichen Lobgesänge einen schwingenden und äußerst tiefen Mantel, dessen Gebrauch und Name bereits vergangen waren 6
Byzantinische Paludamentum/Chlamys
Nun findet man bei einer Onlinesuche immer wieder die Abbildungen eines byzantinischen Paludamentums mit einer Längsseite kürzer als der anderen und versehen mit den Tablion, jenen, typisch für byzantinische herrschaftliche Mäntel , quadratischen Besätze. Diese scheinen alle auf das Buch “Costume and Fashion. The Evolution of European Dress trough the Earlier Ages” von Herbert Norris aus dem Jahr 1924 zurück zu gehen.
Anders sieht es dann das “Dictonary of Costume” von 1969. Das Werk von R. Turner Wilcox sieht den byzantinischen Herrschermantel als halbrunden Mantel. Dem schließt sich im Grunde auch “Dress and personal appearance in late antiquity” von 2018 an, wenn sie in ihrem Versuch ein paludamentum halbrund, mit 380cm x 150cm und 60cm reserviert für den Halsbereich (30cm von der Mitte Anbringung der Fibel) an einem 180cm großen Mann testen. 7, welches entsprechenden Darstellungen entspricht.
Auch der archäologische Fund einer Chlamys aus Ägypten spricht für die halbrunde Form8
Abbildungen
Auf Abbildungen, allen voran natürlich die touronischen Abbildungen, also das was aus Tour und den Nachfolgeorten stammt, wie die Werke Karls des Kahlen oder Lothars, zeigen den Herrscher im paludamentum, dem großen Feldherrenmantel, der Stilvoll drapiert fast den ganzen Körper bedeckt. Dabei sind diese Abbildungen aus antiken Vorlagen übernommen, schließen jedoch nicht die Verwendung solcher Mäntel für Repräsentationszwecke aus, wie uns auch Einhard gezeigt hat.
Ihre Grundform ist jedoch nur schwer auszumachen. Auch wenn die Abbildungen der Vivianbibel aus antiken Vorlagen stammen, sollen diese als erste betrachtet werden. Die Personen zur Linken und Rechten Karls des Kahlen scheinen am klarsten erkennbar. Hier könnte es sich um halbrunde Mäntel handeln. Der Mantel wird auf dem linken Arm drapiert und verdeckt so eine Ecke des Mantels. Er läuft in einer Bogenform an der Rückseite der Beine entlang, endet in einem spitzen Winkel und verläuft zur Schulter, wo er mit Bändern, auf denen eine Scheibenfibel sitzt, geschlossen wird. Auch bei dem aMntel Karls des Kahlen ist nur ein Winkel des Tuchs zu erkennen, wobei anzunehmen ist dass das ein zweiter Winkel sich unterhalb des Szepter haltenden Armes verbirgt.
Das gleiche Bild wie bei den Begleitern der Vivianbibel zeigt sich bei Karl dem Kahlen in dessen Sakramentar und bei den Begleitern im Codex Aureus von St. Emmeram.
In den Abbildungen karolingischer Handschriften ist des Weiteren bis auf eine Ausnahme kein Tablion zu erkennen. Bei dieser Abbildung handelt es sich jedoch nicht um einen karolingischen Herrscher. Es ist die Darstellung des biblischen König Salomon in der Bibel von St. Paul vor den Mauern. Während Salomon in der Bibel mit Vollbart gezeigt wird, was dem Topos des Propheten entspricht, ist Karl der Kahle in derselben Handschrift mit typisch fränkischem Schnauzbart dargestellt. Sein Mantel scheint zwar denselben Faltenwurf aufzuweisen (mit der Ausnahme, dass das linke Bein zu sehen ist), doch ein Tablion ist auf dem Mantel nicht zu erkennen.
Als Farben dominiert in aller Regel ein Rotton, der aber Goldschattierungen enthält. Diese sollen wohl den Glanz des Textils darstellen. Man kann daher davon ausgehen das es sich um Seide handelt. In der Vivian Bibel ist Karls des Kahlen Mantel weißlich / gelb dargestellt und nur im Lothar Evangeliar ist der Mantel Lothars als ein dunkelrotes Violett zu bezeichnen (Hier kommt es allerdings darauf an welche Reproduktion der Abbildung verwendet wird.) .
An dieser Stelle muss auch erstmals der älteste erhaltene Kaisermantel erwähnt werden: Der blaue Reitermantel Heinrichs II. besteht aus dunkelblauem Seidenstoff, sowohl im Futter als auch auf der Außenseite.
Purpur ist aber nicht Purpur ist nicht violett
Echter Purpur aus der Purpurschnecke ist nicht zwingend purpurfarben! Verschiedene Arten der Purpurschnecken erzeugen verschiedenen Farbtöne, von rot, über fuchsia, über purpur bis blau und allem dazwischen. Hinzu kommen die verschiedenen Arten der Verarbeitung, Überfärbungen und Farbmischungen.
So wurde Purpur auch imitiert, indem zum Beispiel Krapp und Indigo gemischt wurden. Die Bamberger Kaisergewänder Sternenmantel und Reitermantel sind indigogefärbt mit einem Anteil an Krapp um einen leichten Violettton zu erzeugen.9
Sonstige Zier der Mäntel
Eine Randeinfassung der Mäntel ist im Codex Aureus von St. Emmeram, der Bibel von St. Paul und der Vivian Bibel zu erkennen. Die anderen Abbildungen kommen ohne eine solche aus.
Während die Randverzierung in der Vivian Bibel lediglich durch Punkte und Schraffuren auf gelblichem Grund angedeutet ist, sind bei den anderen beiden Abbildungen ein goldener Rand zu erkennen, der mit ovalen und rechteckigen Schmucksteinen in grün , rot und blau besetzt ist.
Auch eine Verzierung des eigentlichen Mantels, etwa durch Seidenbrockat oder Stickerein ist nicht zu erkennen. Lediglich das Tablion König Salomons in der Bibel von St. Pau zeigt weißlich hervorgehobene Kreisformen und angedeutete Rechtecke, die als Brokatstoffe interpretiert werden können.
Der Grundstoff des blauen Reitermantels besteht aus einem Seidenstoff in Samitbindung, wobei die Bindung eine Wabenstruktur wiedergibt. Diese wäre auf einer illuminierten Handschrift nicht oder kaum darstellbar. Aber auch hier wurde kein Brokat verwendet. Die goldenen Reiter auf dem Mantel wurden in Anlegetechnik mit Goldlahn aufgestickt. Ihre Form und ihr Aussehen imitiert aber die Formen der bekannten Brokatmedaillons. Es wird jedoch kein spezielles Textil kopiert, den die Darstellung ist ein Mix aus byzantinischen (Kaiser reitet über Feinde) und sassanidischen (Löwenjagd ) Motiven, bringt aber westliche Element mit ein wie den Falken, der nicht zur Löwenjagd eingesetzt wurde und einem Blütenstab ( Lilienzepter ) der nicht in byzantinischen Abbildungen verwendet wird. Man hat hier also einen Purpurstoff mit Färbung und mit den Stickereien Brokat imitiert.
Formen und Größen anderer Mäntel
Ältester erhaltener Herrschermantel ist wahrscheinlich der blaue Reitermantel Heinrichs II. auch wenn dessen Form nachträglich verändert wurde. Ursprünglich handelte es sich um einen Rechtekmantel der in seiner Ursprünglichen Form eine Größe von ca. 303cm x 182cm besaß10 Also ein durchaus beeindruckendes Stück in seiner Größe. Obwohl es sich um einen Rechteckmantel handelte, könnte dieser an den unteren Enden abgerundete Ecken besessen haben. Zudem scheint dieser Mantel oft genutzt worden zu sein, denn bereits im 11. Jahrhundert wurde das Futter erneuert. Es könnte sich also um einen Mantel handeln, der nicht nur bei speziellen Anlässen genutzt wurde, sondern öfters zum Einsatz kam.
Zwar wurde er direkt als kirchliche Stiftung als Glockenkasel geschaffen, dennoch soll der ungarische Krönungsmantel nicht unerwähnt bleiben. Er ist halbrund und wurde 1031 gefertigt. Noch vor 1100 soll er als Mantel umgearbeitet worden sein, andere Quellen nennen dagegen das 13. Jahrhundert.. Auf einem byzantinischen blau-violetten Seidengewebe mit Rosettenmuster befinden sich aufwändige Goldstickerein. Seine Größe beträgt 268cm x 134cm und ist damit der kleinste der Mäntel. Seine Größe ist bestimmt durch die ehemalige Form als Glockenkasel.
Noch breiter ist der halbrunde Krönungsmantel der Reichskleinodien mit 345cm x 146cm. Seine Farbe erhält er durch Kermes und Rotholz. Kermes (Schildlaus) diente hier in der Färbung als Ersatz für echten Purpur. Er entstand 1133/34 in Sizilien.
Anfang des 13. Jahrhunderts entstand der Adlermantel, sogenannter Mantel Karls des Großen. Halbrund mit einer Größe von 304cm x 142cm besteht er aus einem roten ungemusterten Seidenköper und Stickerei in Anlegetechnik. Er besaß ursprünglich eine breite, mit Edelsteinen besetzte Goldborte, die aber in der französischen Revolution abgeschnitten wurde. Auch soll er ursprünglich die Form eines halben Achtecks besessen haben.
Der im Grab Philipps von Schwaben gefundene halbrunde Mantel entstand vor 1208, besteht aus goldfarbenem oder hellbeigem Samit und besitzt eine Größe von 305cm x 140cm.
Zeitlich als letztes folgt der Mantel Ottos IV., der vor 1218 entstand und eine Größe von 308cm x 140cm besitzt. Er ist der einzige der Mäntel der möglicherweise eine echte Purpur Färbung besitzt ohne das ich diese Angabe gegenprüfen konnte.
Bis auf den Mantel Philipps von Schwaben versuchen alle Mäntel einen Purpurfarbton zu imitieren ohne dabei tatsächlich dem Idealbild des lilanen Mantels aus byzantinischen Abbildungen nahe zu kommen, was durchaus interessant ist.
Fazit
Die tatsächliche Formgebung des karolingischen Herrschermantels ist letztendlich schwer zu entscheiden. Die Darstellungen der illuminierten Handschriften würden für eine halbrund Chlamys/ Paludamentum sprechen. Der älteste uns überkommene Befunde, der Reitermantel Heinrichs II. (vor 1024), besitzt dagegen die Form eines Rechtecks, jedoch mit möglicherweise abgerundeten Ecken an der Unterseite.
Mit einer rekonstruierten Größe von ca. 303cm x 182cm für den blauen Reitermantel, hätte Heinrich ca. 210cm groß sein müssen damit wenigstens die kurze Seite auf der linken Schulter nicht auf dem Boden schleift. Heinrich besaß die Größe jedoch mit Sicherheit nicht.11 Wahrscheinlich war die Übergröße repräsentativ zu verstehen, dabei wurde der Mantel beim Stehen über die Arme drapiert und somit das Schleifen auf dem Boden verhindert. Eher aber wurde er Sitzend getragen, wobei sich der König, ganz ähnlich den Abbildungen Karls des Kahlen darin quasi einwickelte.
Ein Test mit einem großen Rechteckmantel und einem halbrunden Mantell mit 140cm x 280cm zeigte jedoch das das Aussehen der Abbildungen nur mit einem halbrunden Mantel erreicht werden kann.
Verzierungen der Mantelfläche scheinen noch nicht eingesetzt worden zu sein, sie sind erstmals auf dem Fragment aus Chantilly des Gregormeisters (um 983) auf dem Mantel Otto II. in Form von kleinen Kreuzen erkennbar ( Goldlahn mit Perlen?) und finden sich in ähnlicher Form auch auf dem Bild Thronbild des Evangeliars Otto III., hier trägt jedoch der armiger (Schwerträger) einen solchen Mantel. Eine streifenartige Verzierung auf einem Purpurmantel ist im Gebetbuch Otto III. zu erkennen. Ab diesem Zeitpunkt scheint sich das Konzept der Verzierung zu verstärken bis dann im Regensburger Sakramentar Tunika und Mantel mit Kreisförmigen Verzierungen, scheinbar aus Goldlahn und Perlen zu erkennen sind und somit die die Brücke zum Reitermantel Heinrichs II. schlägt.
Für die karolingischen Mäntel ist eher von einem einfarbigen Stoff, wahrscheinlich einfarbiger Samit auszugehen, bei dem eine einfarbige, kleinteilige Musterung vorhanden gewesen sein kein könnte. Solch eine Stoff könnte in der Musterung vergleichbar mit der Willigiskasel sein.
Farblich zeigen sich die Mäntel mit einem Goldschimmer, der entweder den Glanz von Seide darstellen soll, oder aber gleich mit brokatierter, mit Goldfäden durchwirkte Seide (Brokat od. Lamee) symbolisiert. Als Grundfarbe sind Rottöne erkennbar, die wohl dem Purpurspektrum zuzurechnen sind.
Hier wäre auch denkbar, dass in den Handschriften eine Mischfarbe aus zwei Farben verwendet wurde (blau / rot) deren Bestandteile jedoch unterschiedlich auf Alterung /UV Licht reagierten und somit nur den stabileren Rotton zurück ließen. Eine Untersuchung der verwendeten Pigmente liegt mir jedoch nicht vor.
Der Verschluss des Mantels erfolgt immer mit antikisierenden Fibeln, oftmals Bügelfibeln, später unter den Ottonen mittels Scheibenfiebeln. Das Problem stellt hierbei dar, dass das feine Gewebe durch die Nadel der Fibel und das Gewicht leicht reißen könnte. Auf anderen Darstellungen sind dagegen immer Bänder zu sehen, auf denen dann die Fibel aufsitzt. Entweder wurden die Bänder bei den Herrschermäntel nach Innen verlegt, so dass sie nicht sichtbar waren, nicht dargestellt, oder das Textil wurde zwischen Seidenfutter und Seiden Deckstoff mit einem anderen Material, beispielsweise einem Einsatz aus Leinen, stabilisiert.
https://www.tribur.de/blog/2016/06/01/eigentuemliche-fibelabbildungen-auf-herrscherbildern-der-karolingerzeit/ ↩
F. Pennick Morgan, Dress and personal appearance in late antiquity S.15 ↩
H. Krezschmayr , Geschichte von Venedig S.179 u. S.186 ↩
I.H. Garipzanov, The image of authority in Carolingian coinage , S210 ↩
Ermoldui Nigelli Liber III 375 ↩
Notker Lib I 30 S.96 (,,,)Karolus ad nocturnas laudes pendulo et profundissimo pallio, cuius iam usus et nomen recessit , utuabatur. ↩
F. Pennick Morgan, Dress and personal appearance in late antiquity S.137 ↩
https://bildlexikon-kleidung.uni-bonn.de/items/image_084.html im Bild ist die doppelt gelegte Chlamys aufgeklappt, wodurch eine oval Form entsteh ↩
N.Jung H. Kempkens, Die Bamberger Kaisergewänder unter der Lupe, S111 f ↩
Ich hatte darüber hier geschrieben https://www.tribur.de/blog/2022/05/13/der-rechteckmantel-heinrichs-ii/ ↩
vgl. die oben, unter dem Abschnitt Byzantinische Paludamentum/Chlamys genannte Rekonstruktion einer Chlamys aus “Dress and personal appearance in late antiquity” ↩
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…