Eigentümliche Fibelabbildungen auf Herrscherbildern der Karolingerzeit
Scheibenfiebeln sind im gesamten Frühmittelalter nichts ungewöhnliches. Wir kennen wunderbare große Modelle aus Gold und Almandin aus der Merowingerzeit, wir kennen wunderbare Kreuzfibeln, Scheibenfibeln mit Emaileinlage aus der Karolingerzeit und Salierzeit usw. Und dennoch wurde mir kürzlich eine interessante Frage gestellt:
In karolingischen Abbildungen sieht man oft Mantelträger, deren Mantel mit einer großen, seltsamen Fibel geschlossen ist. Was ist das für eine Fibel?
Die Antwort ist doch leicht! Das ist eine… Das ist… Ähh…
Bevor ich versuche eine Antwort zu bekommen schauen wir uns zunächst einmal die Handschriften an in denen eine solche Fibel erkennbar ist.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit, werde ich nur einige der Abbildungen direkt anführen, bzw. bebildern. Der Stuttgarter Psalter, wohl eine der bekanntesten Handschriften zeigt bisweilen Fibeln an den Mänteln. Da die Zeichnungen zwar ausführlich, aber nicht detailreich sind (Fibeln erscheinen nur als kreisförmige Gebilde ohne weitere Details) lässt es sich schwer sagen ob hier einfache Scheibenfibeln oder größere, aufwendigere Modelle dargestellt sind, auf deren Suche ich mich ja befinde.
Die Herrscherdarstellung des Codex Aureaus von St. Emmeram (ca.870Reims) zeigt Karl den Kahlen auf dem Thron sitzend. Auf seiner rechten Schulter ist ein Objekt, welches als Fibel identifiziert werden darf. Bei dieser Darstellung gibt es jedoch Auffälligkeiten die darauf hinweisen das es sich nicht um eine „profane“ Scheibenfibel handelt. Dieselbe Auffälligkeit findet sich auch im Psalter Lothars (Tours ca. 850).
In beiden Darstellungen steht die Fibel von der Schulter ab. Im Falle des Lothar Psalters erscheint es sogar als wäre der Mantel mit einer Dreiknopffibel der Völkerwanderungszeit geschlossen, deren Knöpfe jedoch nach oben zeigen entgegen der üblichen tragweise nach unten, während im Codex Aureus von St. Emmeram am Ende des Bügels etwas wie ein Vierpass zu erkennen ist.
Erkennbar ist diese Art der Fibel auch in der Bibel von St. Paul vor den Mauern (Tours ca. 870). Hier ist fol CCCXXIV Karl der Kahle abgebildet, dessen Mantel mit einer kreisrunden Fibel geschlossen wird, aber wieder drei Finger nach oben abstehen und die nach unten rechteckig ausläuft. Mein erster Gedanke es könne sich um kunstvoll nach oben gedrehte Mantelteile handeln, die mit einem Band umwickelt wurden auf das dann die Fibel gesteckt wurde, musst ich nach einer genauen Prüfung von Drucken mit dem Fadenzähler fallen lassen (siehe Bild ).
Ebenfalls in der Bibel von St. Paul vor den Mauern ( fol. CCCXXXIV)findet sich eine Abbildung König Salomons. Hier ist ein rechteckiges Gebilde als Schließe erkennbar, das recht sicher als Gleicharmfibel identifiziert werden darf.
Das Lothar Evangeliar (ca. 850 Tours) zeigt den Herrscher, gerahmt von Creti und Pleti, mit einer scheibenförmigen Schließe auf der rechten Schulter, aus der zwei goldenen Bänder herab hängen.
In gleicher Art ist auch die Fibel in der Herrscherdartstellung Karls des Kahlen in der Vivian Bibel (ca. 845 Tours)dargestellt. Eine Verzierte Scheibe auf goldenen Bändern.
Im Sakramentar Karls des Kahlen (ca. 870 Tours) ist wieder der Herrscher mit einer scheibenförmigen Fibel dargestellt die den Mantel schließt. Sie erscheint zwar größer als die einer einfachen Scheibenfibel, aber auch nicht sonderlich dominant groß oder prunkvoll (Vergleiche hier die Darstellung der Riemenzunge zur Fibel).
Fassen wir also zusammen: Große (Prunk-)Fibeln finden sich auf Herrscherdarstellungen. Es scheint 2 dominante Typen zu geben:
- Eine Form der Bügelfibel im weitesten Sinn, die auf Grund ihrer Verzierung von mir zuerst der Begriff „asymetrische Gleicharmfibel“ in den Sinn kam( lassen wir mal Salomon außen vor). Diese erscheint lediglich im Psalter Lothars, Codex Aureus von St. Emmeram. Aber auch in der Bibel von St. Paul vor den Mauern. Auf diese Fiebeln muss genauer eingegangen werden muss
- Große Scheibenfibeln. Sichtbar in Handschriften unterschiedlichster Herkunft
Während sich groß, bzw. größere Scheibenfibeln (Durchmesser >4cm ) recht leicht als byzantinische Importe, oder etwa byzantinisch inspirierte Werke angesehen werden können1, verhält es sich mit erstgenannten Fibel anders.
Vom Grundaufbau sollte es sich zunächst um Bügelfibeln im weitesten Sinne handeln. Doch allein schon mit dieser Begrifflichkeit verzettele ich mich in Wiedersprüche, denn die Bügelfibel war Bestandteil der Frauentracht und kam zudem im 7. Jahrhundert auf dem Kontinent aus der Mode. Unsere Abbildungen stammen jedoch aus der aus der Mitte des 9. Jahrhunderts! Eine Zeit in der lediglich die gleicharmige Bügelfibel noch auftritt, aber im Fränkischen Reich auch nur noch in Nordhessen, den Küstengebieten und Ostsachsen.2
Ein anderer Ansatz ist nun die Herkunft der Abbildungen und ihren Hintergrund zu erfragen. So stammen alle drei Abbildungen aus den Werkstätten der Hofschule, bzw. deren Nachfolge nach der Zerstörung von St. Martin Tours durch die Nordmänner. Trotz umfangreicher Suche konnte ich diese Fibeldarstellung auch nur bei den Brüdern Lothar I. und Karl dem Kahlen feststellen. Bei anderen karolingischen Herrschen waren nur Scheibenfibeln zu erkennen, dies gilt sowohl für illuminierte Handschriften, als auch für Siegel und Münzen.
Am ehesten ähnelt das Objekt auf Lothars Schulter einer angelsächsischen Breitkopffibel. Doch auch die wurden in aller Regel von Frauen getragen und waren längst aus der Mode. Auch kann es sich nicht um ein englisches „Erbstück von der Oma“ handeln, da noch keine engeren Verwandtschaften nach England bestehen. Und doch könnte dies einen entscheidenenden Hinweis geben! Denn tatsächlich gibt es im Norden, vorallem in Skandinavien noch die Nutzung von Bügelfibeln, den sogenannten disc-on-bow brooches bis etwa 10503.
Aber fassen wir bis hier noch einmal zusammen: Die Brüder Lothar I. und Karl der Kahle, lassen sich in der Zeit von 840-8704 von Mitgliedern der Hofschule bzw. deren Nachfolge mit Fibeln abbilden, die aus der Zeit geschlagen zu scheinen.
Beide müssen etwas gemein haben, das sie von ihrem dritten Bruder Ludwig dem Deutschen unterscheidet. Etwas das so einschneidend ist das man auf repräsentativen Darstellungen nicht etwa byzantinische Scheibenfibeln mit Pendilien trägt, sondern eben Fibeln deren Art, die für den Kontinent eigentlich als veraltet gelten.
Theorie: Hier könnte das Schlüsselwort tatsächlich Skandinavien, bzw. Wikinger oder Nordmänner sein.
Ab den späten 830 Jahren wird Westfranken und Lothars Mittelreich wiederholt das Ziel schwerer Einfälle der Nordmannen, während das Ostreich nur am Rande betroffen ist. Dorestadt wird mehrfach geplündert und 863 zerstört, Paris 845 schwer in Leidenschaft gezogen, Rouen 855 geplündert und vor allem wird die Hofschule in St. Martin in Tours 853 zerstört.
Mir erscheint es zur Zeit so als wurden die beiden Herrscher zu einer Zeit der Wikinigereinfälle entweder mit Beutestücken dargestellt um sich als Sieger über die Feinde aus dem Norden darzustellen ( Vergleiche hier Arnulf von Kärnten und die Ausstellung erbeuteter Banner der Nordmänner in St. Emmeram in Regensburg ) , oder aber die Mönche, die die Abbildungen fertigten, fügten diese als kleine Spitze ein um den Herren zu mahnen aktiv gegen die Feinde vorzugehen.
Das nun ausgerechnet die ach so „männlichen“ Wikinger mit einer Frauenfibel herum gelaufen sein sollen, ließe sich auch mit dem Beinamen der oben abgebildeten Fibel begründen. Diese oben abgebildete Fibel wird mit Brisingamen gleichgesetzt. Dabei handelt es sich um ein mythisches, von Zwergen geschmiedetes Kleinod , welches in aller Regel auch als „Halsschmuck“ bezeichnet wird. Auch im Beowulf taucht ein Schmuck namens Brosinga mene auf, den König Ermanrich am Ende besitzt. Sollten nun solche Fibeln mit dem Brisingamen Freyas gleichgesetzt gewesen sein, ließen sich diese als Abschiedsgeschenk der daheim gebliebenen Frauen erklären , denn Freya war es die die die Hälfte der in der Schlacht gefallenen Krieger beanspruchen darf und wird auch mit Bifrost in Verbindung gebracht.
Aber auch byzantinische Anleihen des Schmuckes halte ich dennoch nicht ausgeschlossen, auch wenn ich für die Fibeln keinerlei byzantinisches Vorbild fand , denn der Hof Karls des Kahlen galt als Zentrum der Byzantintisierung. Es wird berichtet das Karl sich 869 als novus constantinus ausriefen lies und in Ponthion graecisco more paratus et coronatus – nach griechischer Art gekleidet und gekrönt auftrat.5
Dies ist nur eine Theorie! Ich bitte das zu beachten und würde mich freuen wenn jemand andere Theorien hat. Ich bin definitiv für alles offen und auch letztendlich nicht ganz zufrieden mit meiner eigenen Begründung.
vergleiche hierzu auch Mechthild Schulze-Dörrlamm „Eine goldene, byzantische Senkschmelzfibel mit dem Bild der Maria Orans aus dem 9. Jahrhundert- Entstehung und Deutung karolingischer Heiligenfibeln“ ↩
Fibel und Fibeltracht S. 178 ↩
letzte Funde aus Gotland, verschwinden der disc on bow brooch mit der Christianisierung ↩
Bevor jetzt einer mault: Natürlich ist Lothar bereits 855 gestorben… ↩
Ute Schwab , Die vielen Kleider der Passion in Theodisca S.323 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…