Wohn- und Wehrtürme – Teil II – Beispiele
Im heutigen zweiten Teil der Turm-Reihe möchte ich mich mit einigen Beispielen auseinandersetzten. Ich habe mir Türme ausgesucht die möglichst alle Zeiten und Varianten abdecken. Zudem habe ich Türme gewählt zu denen ich eigene Fotos bieten kann, also Türme die ich selbst schon irgendwann und irgendwie mal in Augenschein genommen habe. (Ausnahmen bestätigen hier die Regel)
Die Wohntürme am Züricher Münster
Die Wohntürme im Bereich des Zürcher Münsterhofes sind leider nicht erhalten und nur archäologisch ergraben worden. Auf diese Weise konnte ich sie schlecht fotografieren als ich in Zürich war, aber zumindest drüber laufen… Dennoch sind sie gut erforscht. Sie sind für mich ein wenig der Prototyp des Wohnturm des späten 11. Jahrhunderts. Sie sehen weniger aus wie echte Türme und wirken eher wie “normale Häuser” Dreistöckig wobei die ersten beiden Stockwerke aus Stein und der oberste Stock wahrscheinlich in Fachwerk ausgeführt wurden. Das Erdgeschoss diente als Lager, während die oberen Stockwerke als Wohnraum dienten. Es gilt als gesichert in diesen Gebäuden Wohnhäuser von Ministerial zu sehen, die im Dienst des Münsters standen, Zumal diese textlich überliefert sind. Einen eingetieften Keller, etwa mit Gewölbe besaßen diese Bauten nicht. Als Keller (vom Lateinischen cellarium= Lagerraum) diente das flach gedeckte Erdgeschoß. Das kleinste der drei Bauten ist Bau III. Seine ergrabenen Grundmauern hatten eine Stärke von ca. 90cm, bei einem Grundriss von 5,7x7m. Damit ist es das kleinste der drei Steinhäuser am Münster. 1
Wie Kelleruntersuchung in Aschaffenburg zeigten waren die frühen, romanischen Gebäude in aller Regel, wenn denn unterkellert, nicht mit Gewölben ausgestattet.2 Vielmehr waren hölzerne Flachdecken das Mittel der Wahl. Dies zeigt sich auch beim Erfurter Latrinensturz, als 1184 60 Adelige beim Sturz durch 2 Stockwerke in die zu unterste liegende Latrine elendig ums leben kamen. ( Ich hatte hier darüber geschrieben )
![](https://i0.wp.com/www.tribur.de/blog/wp-content/uploads/2021/08/Trier.png?resize=800%2C346&ssl=1)
Die 3 erhaltenen Trierer Wohntürme
Trier besaß eine ganze Reihe von Wohntürmen mit Wehrfunktion, von denen jedoch nur 3 bis in unsere heutige Zeit bestand haben. Ihre Wehrhaftigkeit wird zum Teil damit begründet das Trier zum Zeitpunkt ihrer Erbauung kein Stadtmauer besaß und bis auf den Dombezirk nach außen offen war. Spätere Türme wie „die Steipe“ besitzen keine Wehrfunktionen mehr und fallen daher aus meiner Liste. (Außerdem hab ich sie nicht fotografiert als ich in Trier war) Diese 3 Wehrhaften Türme sollen hier nun chronologisch aufgeführt werden
1.Turm Jerusalem
Ältester der 3 erhaltenen Türme ist der Turm Jerusalem, auch Kurie Jerusalem genannt. Es handelt sich nicht um einen Adels oder Ministerialensitz. Das Gebäude wurde von Domkanonikern und ihrem Personal genutzt, woher auch der Name als Kurie rührt. Er entstand bereits im 11. Jahrhundert und besaß 5 Stockwerke, von denen heute nur die mittleren(!) Drei zu sehen sind. Das Erdgeschoß liegt im Boden versteckt und sitzt direkt auf römischen Schichten auf. Durch Erhöhung des umliegenden Bodenniveaus verschwand dieser Stock in der Erde. Auch dieses Erdgeschoss diente wohl als Lager oder Kellerraum. Das Gebäude war wie üblich über einen höher gelegenen Eingang zugänglich. Innerhalb der Mauern befand sich eine Wendeltruppe die die Stockwerke verband. Auch hier finden sich keinerlei Gewölbe.
Der Turm Jerusalem lag, wie auch die Türme am Zürcher Münsterhof, am Rand des Domberings und gehörte noch zur Domimunität. Er lag im Zentrum eines Hofes und war umgeben von weiteren Stallungen und Wirtschaftsgebäuden. Bei dem Turm Jerusalem wird angenommen das es sich um ein in der Gesta Treverorum erwähnten Bau handelt, der bereits 1147 verfallen war und innerhalb von 6 Wochen für den Besuch von Papst Eugens III. wieder hergerichtet wurde.
Sein ursprüngliches aussehen wird wie das des Frankenturmes rekonstruiert, mit umlaufendem Zinnenkranz.
2. Frankenturm
Der Frankenturm wird auf das Jahr 1100 datiert. Der Name geht auf einen Besitzer des 14. Jahrhunderts zurück: Franco von Senheim.
Der Turm besitzt eine Grundfläche von 9 x 16,5m, der Eingang befand ich im ersten Obergeschoss und war über eine Treppe erreichbar. Beim Bau wurden antike Bauweisen nachgeahmt, sind aber tatsächlich nur vorgeblendet und nicht funktionell. Bei dem Frankenturm handelt es sich wahrscheinlich um einen Adelsitz, ohne das seine ursprünglichen Besitzer tatsächlich bekannt wären.
3. Dreikönigshaus
Das Dreikönigshaus, das seinen Namen vom Gasthaus „Zu den drei Königen“ 1680 erhielt, wurde um 1200 begonnen und um 1231 fertiggestellt. Das prachtvolle Haus, dessen Zugang im ersten Stock noch heute klar zu sehen ist, wurde durch einen reichen Patrizier an prominenter Stelle inmitten der Stadt erbaut. Hier taucht zum ersten mal ein echtes Kellergewölbe auf. Bei diesem Haus zeigt sich ein gewisser Wandel. Die Wehrhaftigkeit, die auch noch mit dem erhöht liegenden Eingang zu erkennen ist, wird durch eine prachtvolle Durchfensterung aufgebrochen, die die Formen eines adeligen Saalbaus aufgreift. Die leuchtende Farbfassung basiert auf den gefundenen Farbresten
Haus zum Stein Mainz
Im 12. Jahrhunderts entstand in Mainz, im Randbereich der Stadt ein ursprünglich drei stöckiger Wohnturm, der 1250 durch Eberhardus de Lapide (Eberhard vom Stein) um ein Stockwerk weiter erhöht wurde, was ihm einigen Ärger einbrachte. Als Bauherr wird die adlige Patrizierfamilie Familie Judd vom Stein, aus der auch Eberhardus stammte, eine zum christlichen Glauben konvertierte ehemals jüdische Familie, vermutet.
Nach der französischen Revolution und der französischen Besetzung Mainz wurde das Gebäude 1793 bei der Rückeroberung schwer beschädigt. Das Obere Geschoß, das wahrscheinlich aus einem großen Saal bestand, wurde zerstört und durch einen Fachwerkaufsatz mit Giebel ersetzt. 1981 bis 83 wurde der Turm auf Grund der erhaltenen Fenster der Nordseite rekonstruiert.
Der Turm ist etwas über 20m hoch und hat einen Grundriss von 11,2m x 16,3m. Die Kellerräum in Form eines Tonnengewölbes liegen nur gering eingetieft. Die Geschoßhöhen liegen zwischen 4 und 5 m.
Das Haus zum Stein steht hier exemplarisch für eine Reihe von massiven und beeindruckenden Wohntürmen die bereits seit dem Ende des 11. Jahrhundert auftauchen, so zum Beispiel auch in Trier und Halle. Aber wohl auch bereits im 10. Jahrhundert existierten wie ein Beispiel aus dem Kloster Müstair zeigt, wobei letzter eher als Fluchtburg diente.
Wohnturm Senheim/Mosel (Bild 2017)
Die Datierung ist sich ein wenig uneins, wobei die Denkmalpflege auf Grund einer dendrochronologischen Datierung von einer Entstehung um 1240 ausgeht. Senheim selbst gibt auf ihrer Webseite 1220 an. 1307 wird der Turm Teil der Stadtbefestigung und wird später Vogtei. Der Turm besitzt 3 Geschosse, sowie einen tonnengewölbten Keller, bei 12m Höhe, auf einem Grundriss vom 7,7m x 9,5m.
Das Templerhaus Amorbach
Das Templerhaus Amorbach gilt als ältestes Fachwerkhaus Bayerns. Das Fachwerkgeschoß, auf steinernem Unterbau mit Tonnengewölbe im Erdgeschoss, datiert dabei auf das Jahr 1291.
Ursprünglich war der steinerne Unterbau höher, war jedoch bei der Erbauung des Fachwerkgeschoßes abgetragen worden. Folglich entstand das Gebäude noch vor 1291, wobei jedoch unbekannt ist wann. Bis etwa 1286 diente der Bau der Adelsfamilie Rüdt von Collenberg als Sitz, bevor diese die Burg Bödigheim errichteten.
Das Gebäude wird mitunter mit dem Weiherhaus Topplerschlösschen verglichen wegen eines ähnlichen Aufbaus. Es kann jedoch keine Aussage getroffen werden wie die Umgebung des Templerhauses aussah, ob es etwa eine Palisade oder Graben gab. In der Reihe der bisherigen Turmbauten ist das Templerhaus das erste Gebäude dessen Mauern sich nach oben nicht verjüngen. Bisher lagen die Deckenbalken immer auf den Mauerrücksprüngen auf, oder war in der Wand vermauert (Zumindest soweit ich das erörtern konnte). Wie hier die ursprüngliche Deckenauflage aussah lässt sich aber nicht rekonstruieren, da dieser Teil durch das neuere Fachwerkgeschoss abgeschnitten ist.
Wie auch bei dem durch dendrochronologie des Dachstuhls auf 1378/79 datierten Tempelhaus Erbach haben beide Wohntürme und Wehrtürme nichts mit den Templern zu tun. Die Namen erhielten die Gebäude erst im Historismus.
![](https://i0.wp.com/www.tribur.de/blog/wp-content/uploads/2021/08/Kemenate.png?resize=400%2C322&ssl=1)
Die Kemenate Hagenbrücke (Braunschweig)
Die Kemenate Hagenbrücke steht exemplarisch für eine Vielzahl von klassischen Kemenaten z.B. in Braunschweig und Osnabrück die im 12 bis 14. Jahrhundert entstanden. Die Kemenate stammt aus dem 13. Jahrhundert und da ich selbst noch nicht vor Ort war habe ich ein 3D Modell dazu erstellt.
Als Grund für die zahlreichen Kemenaten in Osnabrück werden die häufigen Stadtbrände genannt, die die Händler in der Stadt an wichtigen Handelswegen zwangen ihre Güter besser zu schützen. Zu diesem Zweck entstanden steinerne Speicherbauten die auch zu Wohnzwecken genutzt wurden und daher wie die Kemenate Hagenbrücke im Obergeschoss mit einem Kamin ausgestattet wurden.
Kemenaten finden sich aber in vielen Städten, so auch z.B. Goslar (siehe PDF weiter unten). Es wird angenommen, das sie sich aus reinen Speicherbauten entwickelte in die später auch Wohnräume integriert wurden.
Die Kemenate befand sich im Hinterhof und schloss sich direkt an das giebelständige Fachwerkhaus an, das bis zur Straße reichte. Sie besaß einen Kellerraum der mit einer flachen Balkendecke versehen war. Fachwerkhaus und Kemenate standen dabei direkt auf der Grundstücksgrenze, wie allgemein bei den Kemenaten üblich. Der Vorteil solcher Gebäude war für die Kaufleute zudem, dass sie mit nur 2 Geschossen keine Genehmigung nach dem Festungsrecht brauchten, wie es im Sachsenspiegel vermerkt ist.
Es gab aber auch Varianten in denen lediglich eine einstöckige Steinkammer in ein Fachwerkhaus eingebaut war.
Ergänzende Literatur: Elmar Arnold, Aus Stein gebaut – Goslars mittelalterliche Wohnhäuser in Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar Band 56, online als PDF sowie Siedlungsforschung Band 5 ab S50 online als PDF
Die Kemenate Melsungen
Bei der Kemenate Melsungen handelt es sich nicht um eine Kemenate im eigentlichen Sinn, denn es fanden sich in ihrem Inneren keine Hinweise auf einen Kamin oder eine andere Heizmöglichkeit.
Bei dem Bau handelte es sich ursprünglich um einen Wehrspeicher auf dem Burgmannensitz der Familie von Röhrenfurt, dessen Raumaufteilung anders war als er sich ab der Mitte des 14. Jahrhunderts darstellte und für uns ersichtlich ist .
1358 stiftete Otto von Röhrenfurt, ein Kanoniker zu Mainz, einen der Maria und hl. Elisabeth geweihten Altar. Diese Altar gehörte zu einer Kapelle, die in diesem Turm eingerichtet wurde.
Dendrologische Untersuchungen am Holz des Dachgeschoss ergaben dass dieses 1361 gefällt wurde. Möglicherweise fand zu diesem Zeitpunkt die Umgestaltung zur Kapelle statt.
(Lit: D.Wolf Melsungen – Eine Kleinstadt im Mittelalter S102)
Tempelhaus Erbach
Das Tempelhaus Erbach, auch Templerhaus genannt, trägt eigentlich den Namen „Steinernes Haus“. Wie einige weietere Gebäude in Erbach handelt es sich um ein Burgmannnenhaus. Es diente dem Ministerialengeschlecht Echter, die den Erbacher grafen und den Mainzer Ezbischöfen diente, als Wohnstatt. Als Erbauer gilt Conrad Echter. Die Dendrochronologie ergab eine Erbauung 1378/79.
Wie auch das Burgmannenhaus Pavey in Erbach, sitzt auch das Tempelhaus auf der Stadtmauer auf und dient somit auch Verteidigungszwecken der Stadt
Pfortenturm Wickstadt
Wickstadt ist eine kleine Siedlung in der an der Nidda bei Niddatal gelegen. 1231schenckte Heinrich von Wickstadt dem Kloster Arnsburg seine dortigen Eigengüter.
Im Grunde stellt es sich heute als ein großes Gehöft mit Herrenhaus, einigen umliegenden Häuser und einer Kirche dar, ehemals von einem durch die Nidda gespeisten Wassergraben umgeben . Am westlichen Rand der Siedlung befindet sich der als Pfortenturm bezeichnete Turmspeicher, der nach 1400 entstanden sein soll.
Die Bauern des Guts konnten ihre Erträge einlagern und sich im Notfall in dem Turm verschanzen.
Der Wehrturm Rosbach vor der Höhe
Auf einem Grundstück, das einmal der 1644 in den Adelstand erhobenen Falimilie Fabricius von Westerfeld gehörte steht ein steinerner Wehrturm, d.h. wahrscheinlicher ist, das dieser auch als Wohnturm genutzt wurde, denn er besitzt einen einen Kamin. Erbaut wurde er vor 1500, so die hessische Denkmalpflege. Die Tafel am Turm gibt dagegen an “im 13. oder 15. Jahrhundert erbaut”.
Ursprünglich diente es neben der Funktion als Wohnturm auch als Fruchtspeicher und gehörte wohl zunächst zum Nassauer, später dann zum Trierer Amtssitz in Ober-Rosbach.
Festes Haus aus Ransbach (heute Hessenpark)
Das Feste Haus aus Ransbach, das heute im Hessenpark steht, ist eigentlich keine Festes Haus. Auch dieser Turm um 1504/1505 errichtete Turm ist ein Speicherturm, der aber Elemente des Weiherhauses aufgreift und in einem kleinen Teich liegt.
Gleichzeitig zeigen aber die Scharten im Erdgeschoß schon ein Wandlung, hier konnten damalige Hightechwaffen wie die Hakenbüchse zur Verteidigung genutzt werden.
Das vorliegende Foto ist schon etwas älter und damals noch mit herkömmlichen Film geschossen, dafür war aber noch nicht die heutige Schutzverkleidung über dem Fachwerk, weshalb ich mich für dieses Bild entschied.
Nach 1500 werden kaum mehr Turmbauten, weder zum Wohnen, zur Verteidigung noch zum Lagern errichtet. Hintergrund ist die veränderte Situation in der Wehrtechnik. Feuerwaffen, speziell schwere Geschütze finden immer weitere Verbreitung und ein hoher Turm gibt immer ein gutes Ziel ab! Aber mehr noch. Wer sich einmal alte militärische Situationskarten ansieht, wird feststellen das auf diesen bei Orten meist der Kirchturm anschaulich dargestellt ist. Mit Kanonen schießen ist ein gewisse Kunst, war eine Stellung bezogen musste die Kanone eingeschossen werden um sich auf das Ziel zu kalibrieren. Hohe, markante Gebäude wie Kirchtürme boten sich als Ziel für die Kalibrierung an. Wenn man also bei einer städtischen Belagerung vermeiden wollte das das eigene Hab und Gut schon dem Einschießen der Kanonen zum Opfer fiel, sollte man Speicher und Wohntürme tunlichst vermeiden. Das oben genannte Haus zum Stein fiel etwa einer solchen Kanonade 1793 zum Opfer.
Sehr sehr schöner Artikel! Da sie, wie man sieht, sehr reiselustig sind, … Ich fand einen Turm in Polen, ungefähr 30 km hinter Jelenia Gora, in Siedlęcin, ganz aus Stein, mit einem ebenerdigen Eingang (!?), der sehr gut rekonstruiert worden ist. Mit der erhaltenen mittelalterlichen Wandgestaltung in Form von Fresken, die Szenen aus der Artussage wiedergeben. Schon ungewöhnlich. Wenn es Sie mal dahin verschlägt…
Alles Gute!