Wohn- und Wehrtürme – Eine Suche – Teil I
Meine Visualisierung Treburs im 11. Jahrhundert zwingt mich dazu mich noch einmal eingehend mit der Frage nach den turmähnlichen Gebäuden in Trebur zu befassen. Wurde bei der Entdeckung des turmartigen Baus auf dem heutigen Raiffeisen Gelände großspurig getönt man könnte einen Teil der karolingischen Pfalz gefunden haben, nur um alles abzureißen, habe ich schon lange Zweifel an dieser Datierung. Zur Pfalzzeit Ausstellung in Trebur entschied ich mich daher den Turm eher in das 11. Jahrhundert zu setzten und mit den Wohntürmen in Zürich zu vergleichen.
Doch auch hier habe ich inzwischen so meine Zweifel. Und bevor ich nun alle Modelle in meinem 3D Modell endgültig platziere oder weitere baue, möchte ich mich daher nochmals mit der ganzen Geschichte von Türmen als Wohn und Wehrbauten auseinander setzten.
Ursprünglich wollte ich alles in einem Post unterbringen. Aber ich stellte für mich fest, dass es doch mehr Begrifflichkeiten als nur Turm oder Woh- und Wehrturm gibt. Da ich nicht einfach nur mit den Begriffen um mich schmeißen wollte und mich das Thema schon lange interessiert, dachte ich das ganze etwas genau unter die Lupe zu nehmen und ausführlicher zu behandeln.
Im heutigen ersten Teil will ich mir daher einmal die Begrifflichkeiten ansehen. Es wird also relativ viel Text und “bla bla” geben. Der Zweite Teil wird dann dagegen Beispiel und bringen, wobei ich mir auch die zeitliche Datierung der Türme ansehen möchte. Ich werde dazu nach Möglichkeit Türme wählen die ich mir bereits einmal angeschaut habe (weshalb ich davon auch eigne Bilder habe) und die ich zum Teil in diesem Text schon erwähnen werde. In Teil drei plane ich dann meine Schlüsse daraus zu ziehen.
Doch zunächst zu den Begrifflichkeiten. Ein Gebäude gilt zunächst dann als Turm wenn es höher als breit ist. Das ist schon ein bisschen eine Binsenweisheit. Aber Turm ist nicht gleich Turm:
Wohn- und Wehrturm ist wohl der Allgemeinste der Begriffe. Wie die Namen schon erklären dient der Wohnturm primär dem Wohnen, besitzt dabei aber auch Eigenschaften die die Verteidigung möglich machen. Als ältester Vertreter dieser Art in Deutschland wird gerne der Granusturm der Pfalz Aachen genannt, doch wird diese Deutung mittlerweile in Frage gestellt. Da der Turm keinerlei Heizmöglichkeit besaß, nicht wirklich Winterfest war, dafür aber im Erdgeschoss, wie die Türme in Ingelheim, eine wassergespülte Latrine besaß, diente er wohl eher als reiner Treppenturm in den Vorbau der Aula mit Verbindung zur spätantiken Stadtmauer. Auch der Römerturm in Regensburg ist nur schwer in karolingische Zeit zu datieren, besitzt doch sein unterer Teil Buckelquadern die auf eine staufische Epoche verweisen , dafür aber Besitzt Regensburg eine Vielzahl von Wohntürmen, sogennanten Geschlechtertürme.
Bekannt sind auch die Geschlechtertürme in der Toskana, die ebenfalls zu den Wohntürmen zählen. Klassische städtische Wohntürme finden sich zum Beispiel noch heute in Trier und Regensburg aber mit dem Haus zum Stein auch in Mainz. In aller Regel endet die große Zeit der großen wehrhaften städtischen Wohntürme, die Fast wie Hochhäuser wirken, mit dem Ende der Staufer.
Der Wehrturm (franz. Donjon) hingegen dient der Verteidigung und ermöglicht aber auch im Notfall die Möglichkeit dort übergangsweise zu wohnen, bzw. sicher seine Zeit im Fall einer Belagerung auszusitzen. Auch der Bergfried einer Burg gehört zur Klasse der Wehrtürme. Jedoch ist der Übergang zwischen den Bauten mitunter fließend, bzw. kann über viele Gebäude keine klare Aussage getroffen werden.
Das Feste Haus wird als solches des öfteren auch Synonym für steinerne Turmbauten oder steinerne Häuser allgemein genutzt. Dabei handelt es sich aber allgemein um einen Wohn- und/oder Wehrturm der sich in adeligem Besitz befindet. So wird etwa die ursprüngliche Burg (Festung) in Rüsselsheim als Festes Haus angesprochen,
Dennoch wird etwa das “Feste Haus aus Ransbach” von 1504/1505 im Hessenpark als solches bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Turm um eine Wehrspeicher/Turmspeicher.
Der Begriff “Festes Haus” findet aber auch Verwendung bei Turmhügelburgen mit Steinernen Türmen, bzw. allein stehende, befestigte Türme, so zum Beispiel bei dem sogenannten “Templerhaus” in Amorbach (vor 1286). Bauliche Typen wie das „Templerhaus“ werden auch als Weiherhaus bezeichnet. Das Weiherhaus steht, wie der Name schon andeutet in einem Weiher. Im Grunde sieht sie damit aus wie eine kleine Turmhügelburg, nur ohne Hügel und Vorburg. Ein bekanntes Beispiel wäre hier das Topplerschlösschen bei Rothenburg ob der Tauber. Es entstand um 1388 durch den Rothenburger Bürgermeister Heinrich Toppler und ähnelt in seinem Aufbau dem Templerhaus.
Die Kemenate bezeichnet zunächst einmal einen beheizbaren Raum. Der Name leitet sich vom lateinischen caminus ab, dem Wort für Kamin oder allgemeiner Feuerstelle. Der Begriff Kemenate findet auch Anwendung für die beheizbaren Räume einer Burg und gilt dort als der klassische Raum für die Damen.
Im städtischen Umfeld, hier vor allem im Norddeutschen Raum, wird mit Kemenate ein steinerner Turmbau bezeichnet, der direkt an ein Fachwerkhaus anschloss. Gelegentlich wird für die Kemenate auch der Begriff Steinwerk verwendet.
Es waren Bauten im Besitz von Patriziern und Händlern. Im Keller und Erdgeschoss wurden die Waren der Händler gelagert, die im Fachwerkvorderhaus verkauft wurden. Im Obergeschoß konnte sich das beheizbare Schlafzimmer mit Kamin befinden. Es finden sich auch Kemenaten in denen das Obergeschoß mit einem Gewölbe versehen ist und ihm damit ein besonderer Brandschutz zugeschrieben wird. Die Räume waren durch das Fachwerkhaus erschlossen und nicht direkt von außen zugänglich.
Der Steinbau bot in erster Linie Schutz der Waren, sei es durch die natürliche Kühlung, die das Mauerwerk bot, aber auch vor Tieren und gegen Brände.
Lokal am nächsten konnte ich dabei die Verwendung des Begriffes in der Kemenate in Melsungen finden, wobei auf diese noch einzugehen ist, zumal es sich nicht um eine Kemenate im eigentlichen Sinn des Begriffes handelt, auch wenn sie optisch den Kemenaten sehr ähnelt.
Wehrspeicher sind in erster Linie Speicherbauten für Waren und Güter. Sie waren jedoch so errichtet das sie im Fall einer Gefahr auch als Rückzugsort dienen konnten. In aller Regel sind sie aus Stein, jedoch gibt es ebenfalls Varianten aus Fachwerk, dann mitunter auch Bergfriedhaus genannt, die der bäuerlichen Bevölkerung dienten. Ein solcher ist der im 14. Jahrhundert errichtete “Berfes” in Kempen-St.Hubert. Hier konnten die Bauern sicher ihre Erzeugnisse lagern und sich im Verteidigungsfall zurückziehen . Einen vom Typus ähnlichen Bau findet sich in Hessen in Wickstadt mit dem Turmspeicher Pfortenturm aus dem 15. Jahrhundert. Er besitzt 2 steinerne Sockelgeschosse, auf denen nochmals 2 Fachwerkgeschosse ruhen. Und auch die Kemenate Melsungen gehört tatsächlich zum Typus des Wehrspeichers.
Ein Sonderfall, der für mich eigentlich keine Bedeutung hat aber trotzdem erwähnt werden soll, ist der Breitwohntum. In aller Regel handelt es sich dabei um übrig gebliebene Wohntürme von Burgen. Sie besitzen eine lange/breite und eine wesentlich schmalere Seite, daher der Name, und finden sich in Sachsen und Thühringen, vereinzelt auch noch in Hessen. Meist werden die Breitwohntürme ebenfalls als Kemenate bezeichnet, da auch sie einen beheizbaren Raum besaßen, aber sonst auch gar nichts mit dem Typus der Kemenate gemein haben. Ein klassisches Beispiel hierfür wäre die Kemenate Orlamünde.
Sollte ich einen Turm vergessen haben, würde ich mich freuen wenn man ihn einfach in die Kommentare schreibt, damit ich das entsprechend ergänzen kann.
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…