Wohn- und Wehrtürme – Teil III – Und Treburs Turm?
Fassen wir zunächst einmal die Information zu dem turmartigen Gebäude in Trebur zusammen: 1960 wird das Geländer der „Bau und Handelsgenossenschaft“ bzw. „Bau und Agrargensossenschaft“ kurz Raiffeisen um ein Grundstück erweitert, wozu ein Fachwerkhaus niedergelegt werden muss. Dabei stellt sich heraus, dass der hintere, mit Tonnengewölbe unterkellerter Teil ein eigenständiger, zweistöckiger turmartiger Bau aus Bruchstein ist.
Dr. Jorns vom Amt für Bodendenkmalpflege im Regierungsbezirk Darmstadt, der Wallerstädter Lehrer und Heimatforscher Walther und eine Namenlose Person der Denkmalpflege im Auftrag von Dr. Otto Müller (hatte 1953/1954 die Bauuntersuchung an der Laurentiuskirche durchgeführt) besichtigen den Bau und schließen nicht aus das es sich um einen karolingischen Bau handeln könnt, was sie am Aussehen des Mörtels im Kellergewölbe festmachen. Aber man könne nichts genaues sagen ohne weitere Untersuchungen. Dennoch wird der Bau abgerissen. Gerüchteweise liegt das Kellergewölbe noch unter den Betonplatten des Hofes.
Die Beschreibungen des Turms lauten wie folgt: 5,8m bis Traufkante hoch, Größe 6,27 x 7,01m breit. Die Decke die Erdgeschoss und Obergeschoß voneinander trennen, soll nachträglich eingezogen sein. Einer weiteren Skizze zu folge hatte das Obergeschoss etwa eine Höhe von 3m, das Untergeschoss wäre dann etwa 1,8m hoch, da der Keller über den Boden hinausragt.
Die Decke des Obergeschosses soll dieser Skizze zufolge von Kragsteinen getragen gewesen sein. Inwiefern diese Skizze von tatsächlicher Aussagekraft ist sei dahingestellt. Sie entstand nach dem Abbruch, wahrscheinlich in den 70er Jahren.
Weitere Information zu dem Gebäude: Im Brandkataster von 1777 wird das Grundstück mit 25,5 Ruten Größe angegeben, von denen 6,5 Ruten auf das Haus entfallen. Der Versicherungswert Beträgt 250 Gulden und stellt damit nichts außergewöhnliches dar. Es gibt auch keinen weiteren Vermerk in den Akten, die dem Haus eine Besonderheit zuschreiben würden. Zum Vergleich beim Großen Haus gibt es den Vermerk „Ein Haus 2 Stock in Mauer“, womit explizit auf die steinerne Bauweise hingewiesen wird.
Besitzer ist zunächst ein Christian Schickedanz, ab 1825 Friedrich Lösch, ebenfalls 1825 Peter Merschheimer (Schuster), im selben Jahr noch Johannes Fückel III. Auch hier nichts relevantes.
Fachwerkhaus
Wie auch das südlich liegende Fachwerkhaus, kragt der erste Stock geringfügig hervor. Schon die Hervorkragung zeigt das es sich nicht um einen Ständerbau handelt, eher bewegen wir uns, was den Fachwerkbau angeht in einer Zeit nach 1500. Das Nachbargebäude ist anhand einer Inschrift 1733 von Peter Dörr erbaut worden. Beide Gebäude haben etwa identische Abmessungen und Bauform, soweit dies anhand der Bilder zu beurteilen ist.
Das Fachwerk im Giebel des Steinbau wirkt einfach und hat Ähnlichkeiten mit dem Fachwerk der nach Norden verlaufenden Scheune auf dem Grundstück. In der Fotographie ist zu erkennen das die Fache mit (Back-?)Steinen gefüllt sind. Einige Gefache scheinen noch verputzt, Aber auch eine Ähnlichkeit mit dem Ostgiebel des alten Rathauses ist zu erkennen.
Auch hier ist keine genauere Aussage zu treffen, jedoch erscheint wahrscheinlich das der Fachwerkbau im frühen 18. Jahrhundert entstand.
Grundriss/Kataster
Im Gegensatz zur zum südlich liegenden Fachwerkhaus Groß-Gerauer Straße 13 ist das Fachwerkhaus das an den Steinbau Anschloss leicht gedreht, die Gebäude stehen nicht parallel. Auch steht das Fachwerkhaus des Steinbaus nicht auf der Grundstücksgrenze. Nur die süd-westliche Ecke des Steinbaus steht auf der Grundstücksgrenze. Die Ausrichtung des Fachwerkbaus ist bedingt durch die Ausrichtung des Turms, da der Fachwerkbau sicherlich als jünger einzustufen ist, selbst wenn er einen Vorgänger ersetzte. Jedoch ist unser zu betrachtender Bau gegenüber dem Nachbargebäude etwas zurückgesetzt, was wohl auf den Anbau an den Steinbau zurückzuführen ist und der Fachwerkbau sonst sehr langestreckt wäre.
Mauerstärke
Auch die Mauerstärke scheint bei näherer Betrachtung kein Argument für eine Verteidigungsanlage zu sein. Auch das Alte Rathaus von 1577 besitzt an der Süd-Ost Ecke eine Mauer die auf der Südseite eine Stärke von 80cm Stärke und 3,60m länge aufweist, die sich mit 60cm Stärke auch auf der Westseite über ca. 1,5m fortsetzt, bevor das ursprüngliche Fachwerk des Erdgeschosses (später komplett durch Stein ersetzt) fortsetzt, wie ein 1903 aufgenommen Grundriss zeigt.
Kommen wir nun zu den Theorien
Die karolingische Turm Theorie
Nach Entdeckung des Turmes wurde in der Presse die Idee verbreitet bei dem Turm könne es sich um einen Eckturm der karolingischen Pfalz Tribur handeln. Grund war das der Turm sich fast genau in der nord-westlichen Ecke der von Görich theoretisierten „fränkischen Curtis“ lag, verbunden mit der Idee es handele sich um karolingischen Mörtel. Das die Idee der Curtis falsch war, ändert allerdings erst mal nichts an der Idee einer Ecke an dieser Stelle (siehe dazu hier)
Das Problem ist jedoch es gibt keine vergleichbaren Türme, wobei angemerkt sein muss es gibt überhaupt keine erhaltenen Türme die als karolingische Wehrtürme einer Befestigung gelten! Der Granusturm war wohl eher Treppenturm und Verbindungsbau zur Stadtmauer, die runden Türme der Pfalz Ingelheim sind Blender, die auf die Außenwirkung abzielen und waren im Inneren mit fließend Wasser ausgestattet. Die Grundrisse der Türme/ Wehrbauten am südlichen Zangentor der Kesterburg auf dem Christenberg haben dagegen wesentliche stärkere Mauern und besaßen keine Keller.
Die Türme an den Mauern ottonischer Pfalzen in Sachsen sind halbrund. Und zudem sind die Mauerstärken all dieser Türme größer als in Trebur und keiner der genannten Bauten besitzt ein Tonnengewölbe.
Die salische Wohnturm Theorie
Die Theorie, die ich aufgebracht habe, es könne sich um einen salischen Wohnturm eines Adeligen handeln hat auch ihre Fehler wie ich inzwischen bemerkt habe. Zum einen ist der Grundriss zu klein, die Mauern nicht stark genug. Zu dem sind die Stockwerke nicht eingerückt wie bei den späteren Vergleichsbauten. Auch besaßen die Türme des 11. Jahrhunderts keinen unterirdischen Keller und wenn es so etwas in diese Art gab, war er flachgedeckt und nicht tonnengwölbt. Zudem besitzt der Treburer Turm einen außenliegenden Kellerzugang, der die Verteidigungsaspekt ad absurdum führt. Alles in allem hab ich mich geirrt. Der Turm war kein Wohnturm des 11. Jahrhunderts!
Doch was war der Turm dann?
Nach den Vergleichen des vergangenen Beitrags ( Link ) erscheint mir am wahrscheinlichsten ein Gebäude in Form einer Kemenate, Steinwerk oder Wehrspeichers. Wobei es keine Informationen zu einem Kamin gibt, was für die Situation eines Speichergebäudes spricht. Leider sind auch keine Überlieferungen zu Fenstern vorhanden, da dies mehr Aufschluss bieten könnte. So besitzen Speicherbauten, wie etwa die Kemenate Melsungen, Schlitzfenster zur Durchlüftung.
Der steinerne Turmsockel Obere Pforte 2 dagegen besitzt genau ein solches Schlitzfenster etwa in Überkopfhöhe, jedoch abgeschnitten durch das später aufgesetzte Fachwerk.
Versuch einer zeitlichen Eingrenzung
Mit so wenig Informationen lässt sich schwerlich eine Datierung durchführen, jedoch kann ich versuchen die Zeit etwas einzugrenzen.
Zunächst kann davon ausgegangen werden das die Turmbauten in Trebur noch vor dem Ortsbrand von 1540 erbaut wurden. Zu jener Zeit ist Trebur wohl nicht mehr wirtschaftlich stark genug um solche Bauten zu benötigen. Jedoch wissen wir durch die Erwähnung Treburs im Tafelgüterverzeichnis des 12. Jahrhunderts das Trebur regional immer noch wirtschaftlich stark gewesen sein muss. Am wahrscheinlichsten erscheint mir daher das die Bauten aus dem späten 12. oder 13. Jahrhundert stammen. Wohl aus der Zeit als Trebur als Pfalz bereits verpfändet worden war und der staufische Burgraben gerade im entstehen oder bereits abgeschlossen war.
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…