Wie man mit einem „verfälschten“ Zitat Trebur zum Narren hält
In einigen Texten zur Pfalz Tribur taucht ein Text auf. Es heißt er stamme von einem Abt Chlodwig aus Mainz und diente als Reisebeschreibung für die anreisenden Bischöfe und Äbte zur Synode von 895. Der Text wird immer so abgedruckt:
Die königliche Pfalz, nicht weit vom Rheine, welche fast verfallen, keinen merkwürdigen Ursprung, außer verfallene Befestigungen, liegt zwischen Oppenheim und Mainz am Rheine und den umliegenden Orten , auf der rechten Seite des Rheines, ein Dorf, wo vorher die kaiserliche Besatzung mit einem Lager und einem Kloster gelegen.
Na das ist doch mal ´ne Reisebeschreibung, liest sich mehr wie ein Rätsel von Dan Brown! Das eigenartige an diesem Text ist für mich aber das ich noch nie irgendeine Quelle dazu gefunden habe! Wie selbstverständlich wird dieser Text abgedruckt als wenn man ihn kennen müsste!
In meiner Vorlage stammt der Text nun aus dem „Heimatspiegel – Blätter zur Pflege der Heimatkunde und Heimatliebe im Gerauer Land“ (Jahr Leider nicht bekannt, da die Angabe auf der Kopie fehlt, sollte aber nach dem Layout aus den 60ern oder 70ern stammen) und wurde von Hch. Engel geschrieben. Engel entfaltete in seinem Text unter dem Titel „Tribunos – Triburias – Trebur?“ ein wahres Feuerwerk an Gerüchten.
Er bemüht den keltischen Stamm der Boier , eine „Gottheit“ Namens Triao, den suebischen Stamm der Triboker und natürlich auch das Munimentum Trajani für eine mögliche Namensherleitung und nimmt anschließend Stellung zu dem oben genannten Zitat. Ich zitiere kurz und gebe zu bedenken das obige Zitat stammt (angeblich) von 895:
Ist es nicht merkwürdig, daß Abt Chlodwig von „verfallenen Befestigungen“ spricht? Der kaiserliche Palast wurde etwa 200 Jahre vorher unter Karl dem Großen gebaut.
Kurz Rechnen: 895-200=695 und 695 dachte noch niemand an Karl! Das nur am Rande.
Engel führt aus das er nicht davon ausgeht die Pfalz sei verfallen gewesen, etwas dem ich nur zustimmen kann, da man in solch einem Umfeld keine Synode abgehalten hätte. Auch die genannte „kaiserliche Besatzung mit einem Lager“ sieht aber nicht als karolingisch sondern eher als römisch an, da die Karolinger kein stehende Heer im eigentlichen Sinn hatten, schließt aber das Kloster in karolingischer Zeit nicht aus. Engel bemüht Ammianus Marcellinus und das Zusammentreffen von Makrian und Caeser Julian um eine römische Befestigung nach Trebur zu legen, gibt aber zu bedenken das es keine Funde dazu gibt.
Und das Kloster, gab es das? In Trittenheims Hirsuaer Annalen heißt das es das gäbe. Wahrscheinlich bezieht es sich aber nur auf die Besitzungen der Klöster. Auch A.König, ehemaliger Vorsitzender der Gesellschaft Heimat & Geschichte, hatte sich dieses Kloster in den Kopf gesetzt. Zum einen wegendes oben stehenden Zitats, zum anderen wegen der Gemarkung Nollböhleck. Er verkündete das dies der Ort des Klosters sei, da er im Grimmschen Wörterbuch den Ausdruck Nollbruder als Laienbruder gefunden habe. Das stimmt auch, es steht so drin, aber dort steht auch das Nollbruder sich auf den begriff Noll für Null bezieht also „Nichtbruder“ oder eben „keine Mönch“ , aber zum einen entstand der erst im 14. Jh. zum anderen wäre ein Nollböhl dann ein Nicht-Hügel! Das Althochdeutsche Wörterbuch spricht bei Nollo von Hügel und bei nol von Gipfel, Scheitel oder Spitze eines Hügels. Nollböhl scheint also lediglich der höchste Punkt eines Hügelchens zu sein, was er auch ist , und nicht der Ort eines Kloster!
Aber zurück zum Eingangszitat. Interessanterweise zitiert keiner der sonst üblichen „Hauptverdächtigen“ wie Diefenbach oder Zeller diesen Satz. Prof. Dr.-Ing. Adolf Zeller veröffentlichte 1939 bei de Gruyter in der Reihe „Forschung an karolingischen Bauten im Rheingau und in Rheinhessen“ das Heft 4 „Alt-Frankfurt und Trebur“ wo er direkt Bezug auf die Quellen zur Synode von 895 nimmt. Hier wird das Eingangszitat mit keinem Wort erwähnt!
Woher kommt es also?
Werfen wir einen Blick auf Trittenheims Hirsauer Annalen:
Ludovicus Rex generalem Conventum Principum habuit apud Triburias, villa regia non longe a Moguntia super Rhenum, quae modo (1502) deserta nullum pristini honoris vestigium tenet, praeter muros Castelli dirutos. Est autem inter Oppenheim et Moguntiuam per Rhenum descendentibus ad manum dextram locus, ubi quondam haec villa imperialis cum Castro et Monasterio pulcherrimo sita fuerant, pauculas modo habens domunculas rusticorum
Mein Latein ist zwar rudimentär , aber so einiges ist doch verständlich: non longe a Moguntia super Rhenum = nicht weit von Mainz am Rhein, Est autem inter Oppenheim et Moguntiuam per Rhenum = liegt zwischen Oppenheim und Mainz am Rhein, villa imperialis cum Castro et Monasterio = kaiserlicher Ort mit Festung und Kloster = wo vorher die kaiserliche Besatzung mit einem Lager und einem Kloster gelegen usw.
Da hat irgendjemand, irgendwann Trittenheims Text irgendeinem (wohl) fiktiven Abt Chlodwig in den Mund gelegt und damit in Trebur und Umgebung einige Leute zum Narren gehalten! Tja, und das zieht sich bis heute! Gerade gestern hatte ich noch mal eine Reihe von alten Vorträgen aus den 70ern durchgesehen die in Trebur gehalten wurden und auch da taucht der Mist gelegentlich auf.
Eine Antwort
[…] da zu sitzen. Ich hatte mich bereits einmal mit der Aussage der Hirsauer Annalen befasst (hier), aber die Quelle die ich zur Verfügung (Wenck) hatte scheint auch nur Stuss gewesen zu sein, da […]