Die Pfalz in Worms II
Während die karolingische Pfalz Worms nicht greifbar ist, wird die Pfalz in spätottonischer / frühsalischer Zeit sehr gut fassbar.
1018 wird der Dom Burchards I. unter Anwesenheit Heinrichs II. geweiht. Burchard war Parteigänger Heinrichs II. gewesen und hatte diesen aktiv bei der Königswahl unterstützt. Er konnte sich somit mit dessen Unterstützung sicher sein, so wie Willigis in Mainz auch.
Dieser neue Wormser Dom besitzt schon viele Gemeinsamkeiten mit dem heute erhaltenen und ist dessen direkte Grundlage. Er besitzt zwei Westtürme, zwischen denen sich eine halbrunde Apsis presst. Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten Pfeiler vor dem Querhaus, also auf Höhe der Marien- und Georgskapellen, die im Gesamtgrundriss wie ein frühes Querhaus wirken.
An diese “Querhaus” schloss sich wahrscheinlich ein gestelztes Chorjoch mit halbrunder Apsis an.
Schon unter Burchard II. erfolgt ab 1130 der Neubau des Doms. Vom Vorgänger bleiben die Untergeschosse der Westtürme und die Langhausfundamente erhalten, auf denen auch das neue Langhaus aufsitzt. Zudem auch die Schatzkammer, auf die heute aber von der weitaus größeren Nikolauskapelle überdeckt wird. Der heutige Dom entsteht.
Erst mit dem Bau Burchards II. wird die Pfalz im Dombezirk wirklich greifbar, denn ihre in Nord-Süd- Richtung verlaufenden Gebäude sind im Nordwesten mit dem Dom verzahnt. Sollten also mindestens zeitgleich mit diesem entstanden sein. Ihre Abbruchstelle ist noch heute erkennbar und zeigt sich neben der Verzahnung auch an zwei Türen.

Wahrscheinlich aber existierte diese Verbindung bereits beim Dom Burchhards I. von 1018, denn die Anlage die sich hier zeigt, erscheint fast wie eine 1:1 Kopie der Bamberger Anlage Heinrichs II. und spricht somit auch die Formensprache anderer Pfalzen der spätottonisch-salischen Zeit, wie etwa Goslar und Speyer. Zu dieser Parallele trägt auch die Stephanskirche /Stephanshofkirche am nördlichen Ende des Gebäudekomplexes bei, die einer Inschrift nach bereits 1055 geweiht wurde. Walter Burandt vermutet in “Die Baugeschichte der Alten Hofhaltung in Bamberg” für die Worms Pfalzanlage ein Zeit zwischen 1005 und 1010.1
Das Gebäudeensemble ist auch bekannt als Bischofshof und diente auch den Bischöfen als Stadtresidenz. Mehrfach wurde er umgebaut, behielt aber in etwa seinen Grundriss. Die Kirschgarter Chronik berichtet, dass die Anlage nach einem Brand durch Bischof Reinhard von Sickingen ( 1445-1482) wieder aufgebaut wurde, jedoch ohne weitere Informationen zu liefern. Letztendlich brannte er 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg nieder, wurde durch eine barocke Anlage und später dem Heylshof ersetzt, der aber im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde.
Es existieren jedoch einige Stadtansichten Johann Peter Hammans (1624-1692), die zwar direkt nach der Zerstörung der Stadt 1689 entstanden, die Stadt jedoch auch in ihrem Zustand um 1630 zeigen, da “die Stadt noch in gutem Flor gestanden(…)”, wie Hamman schreibt.
Während des Baus der barocken Anlage wurde um 1743 ein Grundrissplan der Anlage aufgenommen . Wobei angemerkt sein sollte, dass der Grundrissplan wohl eher ein Fundamentplan ist, da zu dieser Zeit der Neubau fast fertiggestellt war.
Vom Dom aus erstes Gebäude in der Reihe ist die aula minor, später auch als Königinnenbau bezeichnet. Sie besitzt sowohl im Erdgeschoß, als auch im Obergeschoss einen Zugang zum Dom. Der untere Zugang führte direkt ins Seitenschiff, während der obere Zugang in die Mauer zu den Treppentürmen führt, von wo aus man ebenfalls in das Seitenschiff des Domes gelangt. Dieser erhöhte Zugang wurde jedoch erst nachträglich hinzugefügt. Der Gang, der dabei durch die Mauer in den Treppenturm führt, wird durch ein kleines Fenster nach außen und durch eine Balustrade ins Innere des Doms beleuchtet.
Zum Teil wurde überlegt ob der aula minor, wie der gesamten Gebäudefront, ein Gang vorgelagert war, der die Räume erschloss. Jedoch wäre davon auszugehen, dass dieser Gang eine spätere Zutat ist, da diese in aller Regel erst Ende des 11. bis 12. Jahrhunderts erscheinen. (vgl. z. B. Palas der Wartburg). Es scheint jedoch eher wahrscheinlich, das diese Mauer die im Grundrissplaneingezeichnet ist, nur eine Einfriedung der Pfalzanlage ist, die ebenfalls eine spätere Zutat ist. Dabei muss es sich um eine Mauer handeln, die in einer Ansicht Peter Hammans zu sehen ist, auf die gleich noch einzugehen sein wird.
An die aula minor schließt eine überbaute Toreinfahrt an, die sich in ähnlicher Position so auch in Bamberg findet. Für dieses Tor ist auch der Name Hovedor, also Hof Tor, überliefert. Hier zeigt sich wieder eine Parallele zur alten Hofhaltung in Bamberg, durch die ebenfalls ein Tor führte.
Nach dem Hoftor folgte die aula maior, der Große Saal. Dieser besaß eine große Freitreppe mit Altan nach Osten, die Saalstiege. Von hier aus erfolgten öffentliche Verkündigungen.
Es gibt eine Aufzeichnung der Räume mit ihrem Inventar aus dem Jahr 1632. Im Grunde wird dort alles Mögliche an Räumlichkeiten aufgezeichnet: “Im Kaiserbau in der Kaiserstube, In des Kaisers Kammer, In der Kreiskanzeleistube, In der vorderen Kammer,” (…) usw. Was es jedoch nicht gibt, ist ein Saal.
Entweder wurde dieser einfach nicht erwähnt, oder was wahrscheinlicher ist, zugunsten einzelner Räume aufgegeben, da sich die Verhältnisse im 17. Jahrhundert einfach geändert hatten. So sah etwa Adolf Heiß den Saal in einem Ost-West verlaufenden Gebäude, das um 1630 die Saalstiege, bzw. den Altan zum Teil überbaute und sich auf dem Isometrischen Plänen Hammans findet.2 Ein Model von Heiß Vorstellung findet sich heute im Dom als hölzernes Modell.
Dieses Gebäude lässt sich aber nicht mit dem Grundrissplan in Einklang bringen, da es nach dem Grundrissplan nur in der Flucht der Kapelle eine entsprechende Freifläche geben könnte, den Abbildungen Hammans allerdings wäre die Nordmauer des Gebäudes in der Flucht der Südmauer der Kapelle. Die Lösung des Problems selbst liefert eine weitere Zeichnung Hammans, die in London verwahrt wird ( British Library, London MS Add. 15709, fol 4 ) Hier ist das Fragliche hinter St. Stephan angeordnet. Auch die aufwändige Renaissancefassade, die Heiß der aula major verpasst hat, löst sich auf dieser Abbildung auf und scheint lediglich aus einem gotischen Erker bestanden zu haben.
Die Reihe an Gebäuden findet ihren Abschluss mit der Stephanskapelle. Die Datierung der Stephanskapelle, auch als Palastkapelle bezeichnet, ist etwas problematisch. In vergoldeten Kupferbuchstaben soll an der Kirche lesbar gewesen sein, dass diese 1055 geweiht wurde. Erst Erwähnt wurde sie jedoch erst 1216. Sie sprang von den eigentlichen Pfalzgebäuden etwas vor, war aber mit einem Hof verbunden, ganz so wie in Goslar. Im Westen besaß die Kirche zwei Türme und im Osten einen eingezogenen Rechteckchor.
Die Ansicht der Kirche, sowie ihr Verhältnis zu den den Pfalzgebäuden lässt Analogien zur Pfalz Goslar und der Liebfrauenkirche erkennen, aber auch die Bamberger Hofhaltung besaß an dieser Stelle die Thomaskapelle. Auch Kaufungen mit der Georgskapelle könnte eine ganz ähnliche Struktur besessen haben. Ebenso Trebur mit der Marienkapelle.
Wie auch die Liebfrauenkirche in Goslar mit Westbau und zwei Westtürmen ausgestattet, war die Stephanskapelle eine Doppelkapelle, also eine Kapelle mit zwei Stockwerken, deren Obergeschoss dem Herrscher vorbehalten war.
Das Vorhandensein von 2 Kirchen, also Dom und St. Stephan im Kontext einer Pfalzanlage weisen auf den Brauch des “Unter der Krone gehen” bzw. der Festkrönung hin. Ich hatte bereits einmal darüber geschrieben, daher hier nur kurz: Bei diesem Ritus wurde der König/Kaiser in seiner privaten Kapelle bekleidet und rituell erneut gekrönt. So ausgestattet zog er von der Privatkapelle zur zweiten Kirche und zeigte sich dabei der Öffentlichkeit, im Wormser Fall zum Dom, und wohnte dabei einem Gottesdienst bei.
Zwar wurde die Anlage zum Reichstag 1521 renoviert, aber hatte Bestand bis zum 31. Mai 1689. Um 16:00 Uhr dieses Tages legten die französischen Truppen, die Worms besetzt hatten, in der Stadt Brände. Fast die ganze Stadt brannte neben der Pfalzanlage nieder. 1719 wurde mit dem Bau eines neuen Residenzschlosses begonnen. Der Platz der Pfalz wurde planiert, das Schloss bis nach Westen an die Stadtmauer herangerückt. Der Neubar war 1732 größtenteils Nutzbar, wurde aber schon wieder 1735 im Polnischen Erbfolgekrieg schwerbeschädigt. 1744 war der Bau dann endgültig fertiggestellt. 1794 wurde das Schloss dann durch französische Revolutionstruppen niedergrebrannt. 1801 wurde das Bistum Worms aufgelöst, das Gelände 1805 vom Kaufmann Cornelius Heyl gekauft. 1867 baute die Familie Heyl dort ein Stadtpalais, das noch einmal 1881 erweitert wurde. Freiherr Cornelius Wilhelm von Heyl zu Herrnsheim, die Familie war mittlerweile geadelt und hatte entsprechend geheiratet, vermachte 1926 den Heylshof mit seiner Kunstsammlung der Stadt Worms. Bei einem Luftangriff 1945 wurden die Gebäude schwer beschädigt, das vordere Palais wurde nur noch verkleinert wieder aufgebaut, während der Heylshof im Nord-Westen des Areals.
1953 gab es noch einmal Grabungen im Areal, bei der einige der Grundmauern ergraben wurden. Einzig am Heylschen Eiskeller3 wurden Mauern gefunden die im 45 Grad Winkel zum Dom oder zur Pfalz verlaufen, aber nicht datiert wurden. Innerhalb des heutgen, längeren Westchores, fanden sich Mauern mit einer ähnlichen Ausrichtung. Im Grabungsplan, den Kautsch 1938 abdruckte4 , werden diese als römisch angegeben.
W. Burandt, Die Baugeschichte der Alten Hofhaltung in Bamberg, S167 ↩
A. Heiß, Versuch einer Rekonstruktion der Wormser Königspfalze, in Der Wormsgau 2 ↩
Wikipedia nennt das Ding im Artikel zum Heylshof ”Kellereingang zum Dom”. Wer kommt denn auf so einen Käse? ↩
W.Kautsch, der Doms zu Worms – Tafelband I ↩
Hi, zur Baugeschichte des Doms: „Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten Pfeiler vor dem Querhaus..“ würde mich die Quelle interessieren. Ist das aus dem Wormsgau? 😉 Vielen Dank und viele Grüße, Martin Steinberg
Sorry, hat etwas gedauert… Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch Wormsgau Band 34, 2018, S104 findet. Ich hoffe ich habs nicht falsch beschrieben …