Herrschaftslegitimierung und Adel
Ursprünglich war geplant, einen Text zu verfassen, der sich rein mit dem Adel und dessen Entstehung befasst. Grund dafür ist, dass ich mir selbst einige Grundlagen schaffen wollte, um mich dem Thema der Freieheit/Unfreiheit/Halbfreiheit usw. zu widmen. Doch das Ganze lief etwas aus dem Ruder. Daher finden sich hier einige Infos zu Ethnologie, Soziologie und Herrschaft und hin und wieder findet man noch die Einsprengsel von Adel in der ganzen Sache, die zum Ende hin wieder etwas zunehmen.
Einleitung
An dieser Stelle machen wir einen Sprung ins Hochmittelalter. Der Staufer Friedrich II. Herzog von Schwaben war Sohn Friedrichs I. von Schwaben und Agnes von Waiblingen, einer Tochter des salischen Kaisers Heinrich IV.
Als der Salier Heinrich V. 1125 ohne Erben starb, zählte Friedrich II. zu den aussichtsreichsten Kandidaten auf die Thronfolge, unterlag aber Lothar III. (Lothar von Süpplinburg). Zwar akzeptierte Friedrich die Wahl Lothars, doch zwischen beiden entbrannte Streit um Güter.
Durch den Streit sah Friedrich II von Schwaben erneut eine Möglichkeit, doch noch den Thron zu erlangen. Dem wurde jedoch 1127 ein schnelles Ende gesetzt, denn Friedrich II. verlor eine Auge im Kampf. Somit hatte er einen integralen Bestandteil der Voraussetzungen für die Königswürde eingebüßt: Die körperliche Unversehrtheit! Erst sein jüngerer Bruder Konrad konnte daher die Krone erlangen.
Eine offen sichtbare körperliche Einschränkung, egal wie gravierend, galt als Unfähigkeit, ein fähiger Kämpfer und somit Heerführer und Herrscher zu sein.
Das Element der sichtbaren Unversehrtheit in Kombination mit der Eigenschaft als fähiger Krieger zu gelten zieht sich durch die Geschichte des Frühmittelalters: Erkrankte Herrscher ziehen sich in Klöster zurück, nicht nur zur Genesung, sondern auch, um Gebrechen vor der Öffentlichkeit zu verbergen und die Schwächen nicht als Angriffsfläche bloß zulegen. Eine der Begründungen für die Absetzung Karls III. (der Dicke) durch Arnulf von Kärnten war sein gesundheitlicher Zustand, mit vermutlich epileptischen Anfällen.
Die Karolinger bestraften hochrangige Gegner mit der perfiden Blendung durch glühende Eisen. Zwar lies die Blendung, bei der ein weiß glühendes Eisen vor die Augen gehalten wurde und die Netzhaut verbrannte in aller Regel keine sichtbaren Schäden zurück, was als Gnade gegenüber des Ranges verstanden wurde, war aber extrem Schmerzhaft und die Fähigkeit als Krieger zu agieren war für immer zunichte gemacht. So etwa geschehen bei dem Enkel Karls des Großen Bernhard von Italien, der jedoch an den Folgen starb.
Der Ostgote Theoderich der Große soll Odoaker persönlich mit einem Schwerthieb von der Schulter bis zur Hüfte förmlich geteilt haben. Doch nicht um als gefürchteter, psychopathischer Herrscher angesehen zu werden. Hans-Ulrich Wiemer formuliert es in “Theoderich der Große” dann so “Entscheidend war die Fähigkeit, dem Gegner durch physische Gewalt, die anderen (…) , zugefügt worden war, durch Gegengewalt zu ahnden.” und fährt fort mit “Feinde mit der eigenen Hand zu töten, galt ihm als Ausweis der Befähigung zu herrschen.”
Der Germane Theoderich zeigte mit der Tötung des weströmischen Offiziers und Germanen Odoaker, nicht nur seine Unversehrtheit und seine Kampffähigkeit, er zeigte seinen Herrschaftsanspruch.
Diese Reihe der zwingenden Kampffähigkeit eines Herrschers lässt sich dann auch bei Tacitus finden.
Tacitus Germania
Vorweg: Tacitus ist als Quelle jedoch mit Vorsicht zu genießen. Er wurde zwar in der Gallia Belgica geboren, aber ob er Kontakt mit Germanen hatte weiß man auch nicht. Mit Sicherheit verwendete er Caesars Bellum Gallicum als Quelle. 1 Auch die Beweggründe die Germania zu schreiben ist unklar. Eine Idee ist, dass er mit seinen Germanen einen “Edlen Wilden” schuf, mit dem er dem verweichlichten Rom einen Spiegel vorhält.
Tacitus nennt Gruppen, die er als rex, principes, duces und comes benennt.
All diesen Gruppen ist gemein, dass das sie ihren Status durch erfolgreiche Feldzüge oder kriegerische Auseinandersetzungen erlangt haben.
Die Begriffe die Tacitus selbst verwendet, sind allesamt auch später als Adelstitel wiederzufinden, sind aber bei Tacitus so nicht zu verstehen. Das Problem ist hier, dass Tacitus römische Wörter verwendet, um etwas zu beschreiben, das er nicht kennt. Und auch die Worte haben andere Bedeutung als sie später haben werden.
Der rex, den Tacitus erwähnt, wird beim Zusammentreffen der principes bei einer Versammlung (Thing) aus ihren Reihen gewählt. Er ist also zunächst ebenfalls ein principes. In der römischen Geschichtsschreibung der res publica libera wird der Begriff des rex im Sinne eines gewählten Heerführers oder Warlords verwendet. Zur Zeit Tacitus wiederum war der Begriff negativ besetzt und wurde mit einem Gewaltherrscher gleichgestellt, dem Tyrannen.
Die principes wiederum waren im römischen Herr besser ausgestattete erfahrene Kämpfer. Im Kontext der Germania gelten sie als Häuptlinge, Fürsten, oder Oberhaupt.
Und duces war ein eher allgemeiner Titel zur Zeit des Tacitus. Eine Theorie dazu ist, dass duces und principes dieselbe Gruppe, jedoch in unterschiedlichen Situationen. In etwa principes in Friedenszeiten und duces im Kampf. (Friedens- und Kriegshäuptlinge)2
Möglicherweise wollte Tacitus auch Wortwiederholungen vermeiden, weshalb er die Begriffe variierte. Die Comes sind die Gefolgsleute, die der princeps mit zur Versammlung nimmt.
Im übrigen nennt Tacitus immer wieder den Begrif der nobilitas, etwas das in seiner späteren Bedeutung mit Adel gleichgesetzt wird, aber zunächst einmal nichts anderes Bezeichnet, als das diese Person die so bezeichnet wird, erst einmal nur Berühmt, also in irgendeiner Weise hervorstechend ist. In Rom wurde der Begriff für den “Senatsadel” verwendet. Also die Personen die irgendwie es geschafft hatten, meist mit viel Geld und entsprechender Abstammung, in den Senat zu kommen.
Während der römische Senator in seine Villa gehen konnte und dort, wenn er wollte seine Ahnenbüsten vorzeigen konnte, fehlt solch etwas bei den germanischen Stämmen, die auch keine Schriftlichkeit besaßen.. Alles, was wahrscheinlich jenseits des Großvaters war, verlief in Mythos und Sagen.
Tacitus weist auch darauf hin, dass der Status der germanischen Personen, so wie es eigentlich in Rom im Senatsadel der Fall war, nicht erblich war. Es konnte aber wohl helfen, wenn der Vater ein angesehener princeps war. Man konnte somit zumindest in der Gruppe der Comes, also der Gefolgsleute, auftauchen, ohne schief angesehen zu werden.
Das Gefolgschaftswesen (comitatus) , also die Kombination von princeps und seinem Gefolge, den comes, war das Ergebnis der Wechselwirkungen der germanischen Lebensweise.
Ein geldbasiertes Finanzwesen existierte nicht. Reichtum definierte sich in der Versorgungsfähigkeit der Familie oder des Stammes, wobei eine Lagerhaltung mit Getreide über das Jahr hinaus nicht möglich war. Reichtum definierte sich daher zunächst über die Anzahl der Rinder, Pferde hingegen waren Statussymbole.
Um eine eigene Versorgung zu sichern und den persönlichen Status zu erhöhen, war der Krieg die Möglichkeit der Wahl. Gerade für junge Männer war dies eine attraktive Möglichkeit sich zu bewähren und sich mit dem eindecken, was für eine Hochzeit nötig war, denn Tacitus schreibt zur Heiratssitte der Germanen:
Die Mitgift bringt nicht die Ehefrau dem Ehemann zu, sondern er ihr, nämlich Rinder und ein gezäumtes Pferd sowie einen Schild mitsamt germanischer Lanze und Schwert.
Die Kriegszüge zielten also primär auf Versorgung und erhöhung des eigenen Status und nicht etwa die Eroberung von Land. Je nach Ziel des Kriegszuges kann Beute auch variieren. So kann etwa Edelmetall bei Zügen ins römische Gebiet, aber auch Sklaven erbeutet werden.
Für den germanischen Norden (Nydam, Thorsberg) sind Opferungen von Metallgegenständen aller Art, oftmals militärischer Natur, bekannt. Im Süden fehlen diese, was aber wahrscheinlich naturräumlich bedingt ist. Edelmetalle haben keine Bedeutung über ihren Materialwert hinaus. Sie werden zerhackt, um eine gleichmäßige Beuteteilung zu ermöglichen (Hacksilber). Die meisten Stücke davon flossen wieder zurück ins römische Reich, um etwa Vieh zu kaufen, wobei bisweilen römischer Schmuck eine immer größere Rolle als Luxusgut spielte.3
Tacitus berichtet zudem , dass junge Leute bei längeren Friedenszeiten zu anderen Stämmen zogen, um sich an deren Kriegszügen zu beteiligen. Während des Feldzuges war der princeps für die Versorgung seiner Krieger mit Nahrungsmitteln und Waffen zuständig.
Der Status einer (männlichen) Person definiert sich also durch den Erfolg im Kampf.
Dieses Konstrukt von dem Tacitus berichtet, würde, unter der Vorraussetzung das tatsächlich der princips, wenn er denn seine Zustimmungen verlor abgesetzt werden konnte und der Titel nicht erblich war, unter den ethnologischen Begriff der “Big Man Society” fallen. Die nächste Stufe wäre das Häuptlingstum. Tatsächlich gab es im germanischen Raum bereits vorher den Versuch, ein Häuptlingstum zu etablieren, von dem wieder Tacitus, dieses mal jedoch in den Annalen, berichtet. Zum Beispiel ist hier Italicus zu nennen. Dem Sohn des Flavius, dem Bruders von Arminius, Sohn des Sigimer. Doch dieser Italicus scheint eher ein Wunschkanditat Roms gewesen zu sein und kann sich letztendlich nicht durchsetzen.
Dementsprechend ist in der älteren römischen Kaiserzeit von einer Big-Man-Society im Umbruch zu sprechen, während sich das Häuptlingstum in der späten römischen Kaiserzeit etabliert hat.4
Die Franken
Im 3. Jahrhundert wird erstmals ein germanischer Stamm der Franken erwähnt.Sie werden zur Gruppe der Rhein-Weser-Germanen gezählt
Wie bereits Tacitus berichtete, dass junge Männer sich anderen Gruppen angeschlossen um in den Krieg zu ziehen, so bildete sich auch der Stamm, die Gens, der Franken.
In einer Online Vorlesung wurde der Vergleich mit den Fans eines Fußballclubs gemacht, denn ich mir gern zu Eigen mache:
Ein erfolgreicher Fußballclub schart, so wie auch erfolgreicher princeps, viele Getreue bzw. Fans um sich. Trifft man diese Fans nun im Fußballstadion, so erscheinen sie als homogene Masse. Gleiche oder ähnliche Kleidung, denselben Verein anfeuernd. Doch müssen die Fans von z.B. Bayern München, weder aus München noch aus Bayern kommen. Sie können sogar aus Hamburg und Berlin kommen und sprechen nicht die Bohne bayrisch. Doch für den Außenstehenden, der den Blick ins Stadion wirft, scheinen sie eine Gens, einen Stamm zu bilden.
Ganz genauso verhält es sich mit dem Entstehen eines neuen Stamms. In diesem Fall die Franken. Erstmals begegnen sie uns am Ende des 3. Jahrhunderts. Um 360 entsteht ein Bericht das sie bereits um 250 Gallien verwüstet hätten. Erster genannter Stammesführer ist Gennobaudes, wobei dieser Führer des Teilstamms der Ripuarier (Rheinfranken) ist.
Die merowingischen Franken
Ab wann die Merowinger die Herrschaft übernahmen ist unklar. Eine Konstruktion der Genealogie von Marcomer über Faramund zu Chlodio ist mehr als fraglich, da es wohl nie einen Faramund gab. Weshalb sich auch nicht nachweisen lässt, ob der Franke Flavius Merobaudes († 383 oder 388) , der als römischer Heermeister am römischen Kaiserhof diente, ein Merowinger ist, wie zum Teil vermutet. 5. Greifbar werden sie zunächst bei Chlodio, dessen Sohn Merowech, und dann natürlich mit der nächsten Generation: Childerich I.
Unter den Merowingern hat sich eine Häuptlingsgesellschaft bzw. eine Ranggesellschaft voll entwickelt. Der Häuptling, in dem Fall der fränkische Könige aus dem Geschlecht der Merowinger hat nun nicht mehr nur das “persönliche Charisma”, er muss also nicht mehr zwingend an vorderster Front der Schlacht kämpfen und sich immer wieder aufs neue Bewähren. Der König besitzt nun ein “erbliches Charisma”. Das Königsheil.
Dieses Königsheil sorgt für Schlachtensiege und gute Ernten. Ab wann dieses Königsheil voll ausgeprägt war lässt sich nicht sagen, aber das die Hausmeier, die ab 550 das höchste Amt bei Hofe bekleiden im Kriegsfall die Funktion des dux (duces) , also des Heerführers, innehaben lässt vermuten das dies zu diesem Zeitpunkt bereits der Fall war.
Eine weitere Veränderung in der Herrschaftspraxis erreicht uns durch einen Bericht Gregor von Tours in Folge der Schlacht von Soisson 486. In Folge der Schlacht sollen die geplünderten Wertgegenstände durch das Los in gleichen Stücken verteilt werden. Darunter war auch liturgisches Gerät, die sogenannte Vase/Kanne von Soisson. Der Bischof sandte nun Boten an Chlodwig, die um dieses Gefäß baten. Chlodwig bat also bei der Versammlung, ihm neben seinem normalen Teil die Vase zu überlassen. Dem wurde zugestimmt, jedoch erboste sich darüber ein Kämpfer und teilte die Vase mit einem Axthieb und teilte mit dem König stünde nicht mehr zu als jedem anderem. Der König soll dies ertragen haben, jedoch beim nächsten Märzfeld warf er dem Kämpfer Nachlässigkeit in seiner Ausrüstung vor und und warf seine Axt zu Boden. Als der Kämpfer sie aufheben wollte, spaltete Chlodwig ihm mit einer Axt den Schädel und sagte “So hast du es zu Soisson einst mit dem Kruge gemacht”.
Was für Gregor von Tours natürlich eine Geschichte für den Katholizismus ist, Chlodwig war ja noch nicht getauft6 , so ist dies die Geschichte einer Veränderung der germanischen Sitten. Zwar erhielt der König den Löwenanteil der Beute, bei den Westgoten ist es ein Fünftel7, aber er war an das Los gebunden.
Das Erschlagen des Kämpfers war eine Machtdemonstration seiner Herrschaft, so wie die Eingangs genannte Tötung durch Theoderich . Gleichzeitig wird dieser Moment als Stichtag für den Wandel der Herrschaft angesehen. Nicht Teilung durch das Los, sondern alles für den König, der dann selbst die eroberten Güter verteilt. Ein kleines Puzzlestück hin zum noch weit entfernten Lehnswesen.
Gerade in der Frankenzeit Chlodwigs sieht Becher8 ein Problem, einen Stand oberhalb der Freien auszumachen. Während es bei den Sachsen, zumindest in der in karolingischer Zeit aufgezeichneten Gesetze der Sachen, wo es mit den Edelingen (den Edlen) einen Stand gab, bei dessen Tötung das dreifache Wergeld zu zahlen war, genauso wie bei Tötung eines Mitglieds der in der lex baiuvariorum genannten Geschlechter der Huosi, Trozza, Fagana, Hahiligga und Anniona, sowie der ursprünglich aus Franken stammenden Agilolfinger fehlt die Angabe eines speziellen Geschlechts oder Standes in der im Kern ersten Viertel des 6. Jahrhundert erlassenen Lex Salica.
Jedoch wird hier eine Gruppe namens antrustiones aufgeführt. Königstreue Krieger, die mit einem Eid an den König gebunden waren und in einem besonderen Vertrauensverhältnis standen.
Es könnte auch sein, dass diese Gruppe identisch ist mit den bei Gregor von Tours erwähnten “Franci” Teudeberts, die ihm vorschrieben, welche Frau er zu heiraten habe und dem er auch nachkam.9 Heiko Steuer äußerte die Vermutung das es sich bei den antrustiones um jene Krieger handelte, die ein Ringschwert führten um Ihre Verbindung zum König zu verdeutlichen10
Egal wie man nun versucht, diese Gruppe zu identifizieren, ihr Status war nicht erblich.
Die Zeit der Hausmeier
Das Königsheil aber, entfremdet auch die Merowinger von ihrem Volk und der Herrschaft und die Hausmeier übernehmen immer mehr Aufgaben . Ab 624 ist dieses Amt in Austrasien erstmals von einem Pippiniden besetzt, den Vorfahren der Karolinger.
Mit dem pippinidischen Hausmeier Grimoald gibt es erstmals Versuche einer echten Machtergreifung. Grimoald überredet des kinderlosen Sigibert III. von Austrasien als Thronerben seinen eigenen Sohn, unter dem Namen Childebertus adoptivus, zu adoptieren. Zwar bekam Sigibert III noch einen Sohn, den er als Thronerben einsetzte, diesen aber lies Grimoald scheren und ins Kloster nach Irland schicken. Childebertus adpotivus regiert zwar etwa bis zu seinem Tod 662. Grimoald jedoch wird gefangen genommen und 656 oder 657 in Paris hingerichtet. Nach dem Tod von Childebertus adoptivus folgt wieder der Merowinger, Chlotar III. , als König , jedoch auch unter Kontrolle des Hausmeiers Ansegisel aus dem Geschlecht der Arnulfinger. Eine weitere Familie, die mit den Pippiniden die Karolinger bilden wird.
Ab 688 sind mit Pippin dem Mittleren nun die Pippiniden in Austrasien, Burgund und 695 auch in Neustrien Hausmeier. Pippin führt seit 687 den Titel des dux et princeps francorum, der Merowingerkönig Theuderich III. ist nur noch eine Marionette in seinen Händen. Pippins Titel scheint direkt an Tacitus anzuknüpfen, im Sinne des Friedens- und Kriegshäuptlings.
Die Herrschaft der Pippiniden als Hausmeier führt zu Veränderungen im Reich.
Für die Zeit um 700 formuliert Steuer eine “Theorie des gesellschaftlichen und politischen Wandels” , ausgehend von der Auflösung von Reihengräberfeldern und Plünderungen älterer Gräber.11 Aus den Gräbern werden die Schwerter gestohlen, nicht aber Schwertgurte. Zwar scheinen christliche Beigaben wie Goldblattkreuze unberührt, dennoch werden die christlichen Grabsteine zerschlagen.12. Steuer geht dabei auch auf die Definitionsfrage zu Adel und Adelsgrab ein. , wenn man nach Kaiser eher von “aristokratischer Oberschicht” , denn “Adel” sprechen sollte, da ein erblicher Adelsstand nicht zu fassen ist, 13 Steuer kritisiert genauso eine Gleichstellung von Adel und Grundbesitz, die bereits für das 6. und 7. Jahrhundert vermutet wurde.
Das Vorkommen sogenannter Adelsgräber bezeichnet demnach erst einmal Gräber in hervorgehobener Stellung mit entsprechenden Beigaben, wie etwa Bewaffnung.
Gründe für diese können sein:
-Eine Familie erarbeitet sich einen Aufstieg vom “Bauern-Krieger” zu einer Vorherrschaft in der Siedlung. Ein Stellung die als “Ortsadel” bezeichnet wird.
-Zuzug einer fremden, aber einflussreichen und wohlhabenden Familie, vielleicht im Zuge des Ausbaus fränkischer Reichsorganisation und durch Landzuweisung. Ein “Grundherrschaftlicher Adel”
-Eine Gräbergruppe innerhalb einer Gehöftgruppe. Wahrscheinlich angelegt von einer alteingesessenen Familie, die in alten Traditionen verhaftet ist und sich quasi auch im Tod aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, während die neuen, modernen Familien an der lokalen Kirche bestattet wurden. Ein solcher Vorgang kann um 700 von den Niederlanden bis Bayern beobachtet werden. ( Diesem Typus entspricht ein reiches Begräbnis um 700 im Grabtumulus bei Trebur-Astheim )
In der Alamania und Baiern sind es diese Gräber, die Goldblattkreuze enthalten, eine Sitte, die aus dem Italienischen stammt. Vielleicht wollten sich die alteingesessenen Familien von der neuen fränkischen Elite absetzen. 14
Es darf vermutet werden, dass zwischen dem Erstarken der Pippiniden als Hausmeier und der Veränderung in Begräbnisnissitte einer elitären Gruppe, hier als “Adel” bezeichnet, eine Wechselwirkung besteht.
Zum einen scheint die gesellschaftliche Veränderung den Aufstieg der Pippiniden begünstigt zu haben. Zum Anderen sollte der Zuzug neuer Eliten in die östlichen Regionen den Machteinfluss der Pippiniden in diesen Regionen gestärkt zu haben.
Ab 718 (Schlacht bei Soisson) und dem Ende der merowingischen Bruderkriege und der pippinidisch-karolingische Sukzessionskrise vereinte der Hausmeier und Namensgeber der Karolinger Dynastie Karl Martell das fränkische Reich. Der Merowinger Theuderich IV. und der letzte Merowinger Childerich III. sind endgültig entmachtet und mit Pippin III. beginnt die Herrschaft der Karolinger.
Spätestens seit den 740ern nahmen die Karolinger noch als Hausmeier für sich in Anspruch Zugriff auf die Resourcen der großen Kirchen in ihrem Gebiet zu haben, was auch 743 in der Synode von Estinnes verhandelt wurde. Die Herrscher griffen damit auf ein Recht zurück, das der Oströmische Kaiser Justinian ausformuliert und praktiziert hatte. Ein Verweis auf das Beleben römischer Traditionen.
Das jedoch Karl Martell mit dem Zugriff auf kirchliche Güter und dem angeblichen Vergeben dieser Güter als Lehen an Vasallen und der Entdeckung/ Übernahme des Steigbügels sich gezielt eine Armee von Panzerreitern geschaffen habe ,wodurch die Axt als Waffe verschwunden und Schwert und Lanze an ihre Stelle getreten wären, ist jedoch ein Trugschluss der auf die Veröffentlichung “Medieval Technology and Social Change” von 1962 durch Lynn Townsend White Jr. zurückgeht und vorallem in der englischsprachigen Wissenschaft die sogenannte “Great Stirrup Controversy” auslöste.
Haak vermerkte hierzu das königliche Vasallen eine Kategorie von Laien sind, die Dienste für den König verrichten, und innerhalb der Gruppe königlicher Funktionsträger ist ihr Rang niedriger als der von Bischöfen,Äbten, Äbtissinnen und Grafen. Spezifischer lässt sich ihre Stellung kaum fassen, vor allem da sie insgesamt so selten genannt werden.15 Vasallen sind also nicht als Panzerreiter oder anderweitige Kämpfer zu identifizieren.
Die Zeit der Karolinger
Die neuen karolingischen Herrscher im Frankenreich können sich nun nach der Machtergreifung aber nicht mehr auf das “erbliche Charisma”, das Königsheil der Merowinger berufen. Es wird ersetzt, zum einen durch die Königssalbung des Papstes und zum Anderen durch die Repräsentation des Reisekönigtums. Gleichzeitig hat das Fehlen des Königsheils auch Vorteile für die Herrschaft. Bei Missernten, verlorenen Schlachten oder sonstigen Katastrophen ist es nun nicht die Schuld des Königs, der etwa an Charisma eingebüßt hätte, wie es zuvor bei den Merowingern der Fall war. Nun war das ganze Volk kollektiv schuld, weil es nicht gottesfürchtig genug war.
Auch Vergaben von Gütern und Ländereien, sogenannte Benefizien, zum Beispiel an bereits erwähnte Vasallen und andere Personen nehmen langsam zu. Dabei ist zu beachten, dass es nach Haas und Anderen keinen Zusammenhang zwischen Vasallität und Benefizium gibt. 16
Das man keinen besonderen Titel, sondern eher eine herausragende Leistung erbringen musste, um belohnt zu werden, zeigt der Fall eines gewissen Johannes. Zudem ist es eine Information zu einem “einfachen” Kämpfer, jenseits von Grafen und Bischöfen. Dieser Johannes wurde 795 in Aachen bei Karl dem Großen mit einem Sendschreiben von Ludwig dem Frommen, zu der Zeit König von Aquitanien, vorstellig. Johannes hatte im Gau Barcelona einen großen Kampf gegen die sogenannten Ungläubigen geführt und sie besiegt. Als Dank hatte er von Ludwig ein Kettenhemd, ein edles Pferd und ein exotisches Schwert mit silberner Scheide aus der Beute erhalten. Der Rest der Beute blieb bei Ludwig. Karl quittierte nun den Sieg des Johannes damit, dass er ihn als Getreuen ( fidelis noster ) bezeichnet und ihm das eroberte und zukünftig erobertes Land ihm und seinen Erben übergibt und ihn von sämtlichen Abgaben dafür befreit.17
In diesem Fall war das natürlich in Karls Sinn, denn damit förderte er eine Landnahme in der Hispania. Wichtig ist es aber dabei darauf hinzuweisen, dass es sich nicht etwa um ein Benefizium/ Lehen handelt, da es sich nicht um Gebiet handelt, das zuvor schon in königlichem oder anderweitig fränkischem Besitz war.
Normale Benefizien erfolgten aus Gütern des Königs, wobei die Vergabe von Gütern noch nicht erblich war. Mit dem Tod eines der Vertragspartener, also König oder Empfänger, fiehlen die Güter wieder zurück an den König, bzw, der Erbe musste sich um die Verlängerung des Benefiziums bemühen.
Und selbst noch das Kapitular von Quierzy Karls des Kahlen von 877 stellte Teilnehmern eines Italienfeldzuges zwar in Aussicht ihre Ämter, Lehen und sonstige Benefizien an ihre Söhne weitergeben zu können. Doch dazu besteht jedoch noch immer kein Automatismus. Die Söhne müssen beim König um eine erneute Zuweisung bitten.
Auch ein in Stein gemeißeltes Ständesystem, wie im Feudalismus des Hochmittelalters, fehlt in Zeiten der Karolinger.
Um 835/837 schreibt Thegan die Biographie Ludwigs des Frommen (Gesta Hludovici ) über den geraden entmachteten Ebo von Reims, der in Kapitel 44 Ziel seiner Anfeindungen wird.
Ebo war der Milchbruder Ludwigs des Frommen, d.h. seine Mutter war die Amme Ludwigs des Frommen und wie seine Mutter auch, war er Unfreier, wurde aber von Ludwig aus der Unfreiheit entlassen. Ebo stieg rasch auf und wurde 816 Bischof von Reims. Ein Aufstieg bis in die nobilitas blieb ihm jedoch verwehrt, weshalb er sich u.a. von Ludwig abwandte und Lothar zuwandte. Er wurde abgesetzt und in Haft genommen um ab 840/41 kurzzeitig in Reims wieder als Bischof zu agieren und letztendlich ab 845 in das noch junge Bistum Hildesheim in Sachsen als Bischof abgeschoben zu werden.
Thegan schrieb: “fecit te liberum, non nobilem, quod impossibile est” ( Er hat dich frei gemacht, nicht edel, was unmöglich ist ) . Sinngemäß aber flapsig könnte man dies auch mit “Bauer bleibt Bauer” übersetzen. Wenn Thegan also diese Aussage trifft, so dann eher weil er der Meinung ist Ebo fehle die persönliche Klasse, der Stil, der einen Mann zum Großen, zur nobiltas macht.
Ausgehend vom 8. Jahrhundert, bildete sich zwar im 9. Jahrhundert eine frühe Form von “Adel”. Titel waren zwar noch nicht erblich, aber es bildeten sich Familien heraus, die übergeordnete Stellungen besaßen und sich über Faktoren wie Abstammung und Verwandtschaft definierten.18 Aus diesen Familien wird sich der Erbadel entwickeln. Dennoch wird in der Wissenschaft , je nachdem was ausgedrückt werden soll der Begriff des Adels verwendet ( siehe Oben z.B. “Ortsadel” ). Oftmals werden jedoch Termini wie “die Edlen” oder “die Großen” verwendet um die Gruppen der Karolingerzeit zu beschreiben, die der Vorform des “echten Adels” entsprechen.
Auch für den König hat sich die Situation verändert. Er muss nicht mehr an vorderster Front wie Chlodwig kämpfen um sich zu beweisen. Karl der Große lässt sich nur 2 mal im nächsten Umfeld einer Schlacht des 32 jährigen Sachsenkrieges nachweisen. Er scheint mehr als Stratege oder Feldherr im Hintergrund agiert zu haben. Seine kämpferischen Meriten hatte er sich sicherlich bereits in seiner Jugend geholt. Ähnlich wie Karls gleichnamiger Sohn etwa. Karl der Jüngere hatte 784, im Alter von etwa 12 Jahren, am Sachsenkrieg mit einem eigenen Heer teilgenommen und kehrte siegreich nach einer Reiterschlacht nach Worms zurück. Danach beteiligte er sich noch einige male an Schlachten, war er doch als Thronfolger vorgesehen.
S. Dick, Der Mythos vom „germanischen“ Königtum, Studien zur Herrschaftsorganisation bei den ermanischsprachigen Barbaren bis zum Beginn der Völkerwanderungszeit in Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 60, S59 ff ↩
Eduard Krekovic, Germanische Gesellschaft vor- und nach- den Markomannenkriege in Musaica Archaeologica 2/2017 S.8 ↩
vgl. M. Becher Chlodwig I. S35 ff ↩
Eduard Krekovic, Germanische Gesellschaft vor- und nach- den Markomannenkriege in Musaica Archaeologica 2/2017 S.8 ↩
zu den Vermutungen sie z.B. Eugen Lewig, Zum Geschichtsbild der Franken und den Anfängen der Merowinger ↩
Becher folgend wohl auch nicht arianisch auch wenn von dieser Seite ein starker Einfluss bestand. M.Becher Chlodwig I S175 ↩
M.Becher Chlodwig I. S 160 ↩
Matthias Becher, Merowinger und Karolinger S.36 ↩
Laury Sarti, Charakteristik und gesellschaftliche Bedeutung von Waffenträgern im merowingischen Gallien des 6. Jahrhunderts S.76-77 ↩
Heiko Steuer, Helm und Ringschwert — Prunkbewaffnung und Rangabzeichen germanischer Krieger S.223 ↩
Heiko Steuer Adelsgräber, Hofgrablegen und Grabraub um 700 im östlichen Merowingerreichs – Wiederspiegelung eines gesellschaftlichen Umbruchs in Der Südwesten im 8. Jahrhundert aus historischer und archäologischer Sicht. S203 ↩
Heiko Steuer Adelsgräber, Hofgrablegen und Grabraub um 700 im östlichen Merowingerreichs – Wiederspiegelung eines gesellschaftlichen Umbruchs in Der Südwesten im 8. Jahrhundert aus historischer und archäologischer Sicht. S 204 ↩
R. KAISER, Die Franken: Roms Erben und Wegbereiter Europas? S51 ↩
Heiko Steuer Adelsgräber, Hofgrablegen und Grabraub um 700 im östlichen Merowingerreichs – Wiederspiegelung eines gesellschaftlichen Umbruchs in Der Südwesten im 8. Jahrhundert aus historischer und archäologischer Sicht. S209/10 ↩
Christoph Haak Die Krieger der Karolinger S. 82 ↩
z.B. Schieffer, Zeit des karolingischen Großreichs S.97; Jürgen Dendorfer, Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte, Quellenbefunde, Deutungsrelevanz S. 22; Patzold, Das Lehnswesen S. 28 in Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Kaiser Ludwig dem Frommen ↩
RI I n. 328, in: Regesta Imperii Online, URI: https://www.regesta-imperii.de/id/0795-03-00_1_0_1_1_0_889_328 (Abgerufen am 08.04.2025). ↩
Werner Hechenberger, Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter , Enzyklopädie deutscher Geschichte BD 72 vgl. S.75 ↩
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl