Prekarium und Benefzium
Als die Merowinger entmachtet waren und es sich abzeichnete, dass die Karolinger die Herrschaft in Gänze übernehmen würden, gerieten diese in eine Zwickmühle. Wie sichert man sich die Unterstützung der zukünftigen Untertanen?
Natürlich am einfachsten mit Geschenken oder Zuwendungen! Doch woher nehmen, wenn nicht…
Hat die Kirche nicht genug Land?
Man nimmt Land von der Kirche und vergibt dieses an Personen, deren Unterstützung man sich sichern will. Wenn die Person stirbt fällt das Land wieder zurück an die Kirche. Die Lösung! Und noch dazu gibt es dazu rechtliche Möglichkeiten. Die stammen zwar von den Römer, aber was solls!
Auf dem Konzil von Les Estinnes verfügte man 743/44, dass diese Geschenke, sogenannte Prekarien oder Benefizien an Getreue auf Lebenszeit vergeben werden dürfen, die im Gegenzug einen Zins an die Kirche entrichten sollten. In aller Regel die Nona und der Zehnt. Nach dem Tod der Nutzer sollte das Land wieder an die Kirche zurückfallen.
Dabei stammte die Prekarie aus römischer Zeit, lässt sich im südlichen Gallien im 5. Jahrhundert nachweisen und wurde im Iustiniani Institutionum Digestorum unter Justinian codifiziert. Es war ein Rechtsinstitut, mit dem man einem Bittsteller mobiles oder immobiles Gut, z.B. Land, zeitlich befristet übertragen konnte und das jederzeit widerrufbar war. 1 Noch heute gibt es im österreichischen Recht den Prekariumsvertrag, Bittleihe oder Gebrauchsüberlassung.
Auch das Beneficium war seit römischer Zeit bekannt. Prosper Tiro von Aquitanien (ca. 390 bis nach 455, möglicherweise 463), der aus Marseille nach Rom übersiedelte und in päpstliche Dienste trat, soll den Grundsatz aufgestellt haben , dass wenn Kleriker von Kirchengütern leben wollten, sie erst ihre Eigengüter der Kirche schenken mussten. Die Kirche konnte ihnen dann das Nutzungsrecht der Güter auf Lebenszeit einräumen. Das Benefizium. Somit kamen die Kleriker dem Armutsgebot nach, denn das Land gehörte ihnen ja nicht, schreibt zumindest Chrodegang von Metz . Auch Chrodegang machte von diesen Rechten Gebrauch, um eine Kanonikergemeinschaft in Metz aufzubauen, bezeichnet aber das ganze als Prekarium.2
Doch auch schon die Merowinger selbst scheinen dies bereits praktiziert zu haben. So notiert Brigitte Kasten, dass schon öfters vermutet wurde es sich bei königlichen Baschlagnahmungen von Gütern der Untreue verdächtiger Personen, von denen Gregor von Tours berichtet, um eine Rückforderung von geliehenem Land handelt das der König seinem vermeintlichen Getreuen zur lebenslangen Nutzung überlassen hatte.3
Doch diese Vergabe von Benefizium und Prekarie die man 743/44 festgelegt hatte, hatte sich schon bald festgesetzt, denn im Kapitular von Herstal, keine 40 Jahre später, wird nun ganz selbstverständlich zwischen Prekarien unterschieden, die auf Anweisung des König von Kirchengütern vergeben wurden, und solchen, die die Kirche von sich aus vergeben hat. Auch beginnt der König die Güter, die eigentlich an die Kirche zurückfallen sollten, sogleich aufs Neue zu vergeben.4 Er hat sich also die Oberhoheit an der Vergabe angeeignet.
Was ist denn nun der Unterschied zwischen Prekarie und Benefizium zur Karolingerzeit?
Schon Hans Volteli schrieb 1922: “Jede Prekarie ist ein Benefizium, nicht jedes Benefizium eine Prekarie “5
Ob es sich nun also um eine Prekarie oder Benefizium handelt, lässt sich wegen der geringen Überlieferung kaum unterscheiden. Unter beidem ist zunächst die Landleihe bzw. Überlassung zur eigenen Nutzung zu verstehen. Jedoch werden für das Prekarium Präkariatsverträge geschlossen, bestehend aus 2 Verträgen: der Bitte um Verleihung (precaria) und der Gewährung (praestaria), Für explizite Benefizien sind jedoch keine Verträge überliefert6
Wohl stand beim Benefizium die Gnade des Verleihenden im Vordergrund, während bei der Prekarie, die Bitte nach einer nach dem Land ausschlaggebend war. Genauere Angaben sind wegen des Mangels an Quellen nicht konkret zu fassen.7
Dabei muss aber nicht zwingend Land vergeben werden. So wissen wir etwa von Einhard aus Brief 37 ( bei Hampe Brief Nr 9 ), das er Fritzlar als Benefizium besaß, wie er selbst schreibt . Hier zeigt sich auch, dass eine Kirche oder ganze Klöster ein Benefizium sein konnten.8
Oft war mit der Leihe des Landes eine Gegenleistung verbunden, die jedoch auch rein symbolische Natur haben konnte9
Empfänger von Prekarien und Benefizien
Zwar werden als Empfänger von Benefizien Äbte, Äbtissinnen, Bischöfe und Richter , aber auch gelegentlich Vasallen genannt. Am häufigsten werden sie jedoch als homines oder fideles des Königs Bezeichnet. Also Menschen oder Getreue des Königs.10
Nun aber Vasallen mit dem Benefizium in Einklang zu bringen, so wie es früher gerne getan wurde, um daraus wiederum ein fränkisches Lehnswesen beruhend auf der Vasallität zu konstruieren, ist nicht möglich. Walther Kienast versuchte alle Vasallen zusammenzutragen: aus der Zeit Karls des Großen sind es lediglich 24 Vasallen, 103 unter Ludwig dem Frommen, 21 unter Lothar I. Auf diese Zahlen kam er aber nicht weil es so viele Vasallen gegeben hätte. Er hatte wohl aus Mangel an “echten Vasallen” auch die Getreuen, also die fidelis, die ein Benefizium besaßen, als Vasallen gewertet.11
Und auch hier bietet sich wieder ein gutes Zitat im Stil des zuvor genannten Voltelis an. Nach Louis Ganshof: “Jeder Vasall ist ein Getreuer, aber nicht jeder Getreuer ein Vasall”
Begründung gegen Lehen in der Karolingerzeit
Diese Benefizien und Prekarien der Karolingerzeit erfüllen so gar nicht den Anspruch, den man eine Lehensvergabe im eigentlichen Sinn hat. Zwar vergibt der König das Beneficium, bzw. ordnet die Vergabe an, doch der eigentliche Leihgeber ist eben nicht der König, sondern die Kirche.12
Genauso verhält es sich auch mit einer Urkunde Ludwigs des Deutschen vom 28.Juli 844. Liest man die Zusammenfassung dieser Urkunde in der MGH, merkt man schon das irgendetwas hier nicht ganz so stimmt, wenn man das Ganze aus der Sicht des Lehnswesen betrachtet:
Ludwig bestimmt, daß der von Karl dem Großen dem Kloster St. Emmeram geschenkte und ihm von Bischof Baurich mit Zustimmung der Mönche zu Lehen gegebenen Besitz nach seinem Tod an das Kloster zurück fallen soll.
(Den wichtigen Teil hab ich Fett gesetzt, einfach nur den Lesen, dann wirds verständlich) Im lateinischen Original ist das Wort beneficium verwendet. Liest man das so, wie es 1934 Kehr in der MGH veröffentlichte, müsste man annehmen, dass Ludwig Lehensnehmer des Klosters St. Emmeram ist. Geht man jetzt den Schritt weiter und setzt Benefizium mit Vasallentum gleich folgt, dass König Ludwig der Deutsche Vasall des Klosters ist, was klar das Problem der Gleichsetzung von Benefizium und Vasallentum aufzeigt.
Kasten gibt zudem zu Bedenken, dass Benefizien ohne Vasallität bis ins 11., wahrscheinlich sind aber wohl bis in 12. Jahrhundert existieren, zudem gab es aber auch Vasallen, die ein Benefizium besaßen, welches aber kein Lehen, sondern eine Prekarie war. 13 Und Francois Louis Ganshof war der Meinung, dass etwa Grafen durchaus Vasallen sein konnten. Aber auch einfache vassi dominici, also einfache Vasallen ohne weitere Titel, konnten gelegentlich durchaus reich sein. Letztendlich sieht er den Begriff des fidelis , des Getreuen, den Oberbegriff zu Vasallen an.14
Ich möchte diesen Beitrag nun mit einem Zitat von Brigitte Kasten abschließen:
Es bleibt festzuhalten, dass das ius beneficii des Frühmittelalters ein Leiherecht war, das den Zinsausfall regelte, und es von daher keine direkte Verbindung von ihm zum Lehnrecht gegeben haben kann. Im 10. Jahrhundert begann allerdings ganz allmählich eine Entwicklung, die sich bis ins 11. und wohl noch bis ins 12. Jahrhundert erstreckte: Die Prekarieverträge trennten sich vom beneficium- Begriff, womit künftig eine Verwechselung mit der Bodenleihe vermieden wurde, die sich auch als Benefizium definierte, aber als Gunsterweis des Königs bzw. anderer Machthaber galt und von der in karolingischer Zeit, sofern das Land von Kirchen stammte, eigentlich Zehnten und Nonen entrichtet werden sollten. Zu dieser Tendenz passt, dass in diesen prekarischen Leiheurkunden seit dem 10. Jahrhundert öfter vom ius precarium als vom ius beneficii die Rede zu sein scheint. Auch das diente der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Benefizialleihen. 15
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S335 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S336 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S338 ↩
Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis Ludwigs des Frommen S.31 ↩
Hans Volteli Prekarie und Benefizium S290 (1922!) ↩
Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis Ludwigs des Frommen S.29 ↩
Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis Ludwigs des Frommen S.29 ↩
Haak , Die Krieger der Karolinger S76 ↩
Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis Ludwigs des Frommen S.29 ↩
Haak , Die Krieger der Karolinger S76 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S331 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S339 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S341 ↩
Francois Louis Ganshof , Was ist Lehnswesen? S54 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S334 ↩
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl