Die Pfalz in Worms I
Obwohl Worms eine der Liebligspfalzen Karls des Großen vor der “Aachen-Zeit” war, ist fast nichts über sie bekannt. Und wenn man es ganz genau nimmt ist selbst über das christliche Worms vor Karls Zeiten recht wenig bekannt.
Zwar wird beim Konzil in Köln 346 ein Wormser Bischof namens Victor genannt, aber der Text ist eine Sammlung des Mittelalters, der vielfach verfälscht wurde. Ein anderer Bischof namens Amandus ist einer Verwechslung dmit Bischofs Amandus aus dem 7. Jahrhundert geschuldet. Wirklich greifbar wird eine Wormser Bischof erst 614 beim Konzil von Paris mit dem Unterzeichner Berthulfus von Worms.
Sebastian Ristow schreibt zum frühen Christenum in Worms1, dass es Aufällig sei, dass die wenigen Wormser Grabsteine mit Christlichen Symbolen allesamt germanische Namen tragen. So etwa der Stein der Pauta und des Ludino aus dem 5 Jahrhundert, oder des Aigttheus aus dem Ende des 5. Jahrhunderts,
406/407 soll Worms, wie Mainz und Reims auch, nach Kirchenvater Hieronymus, zerstört worden sein. Hieronymus bezieht sich dabei auf den germanischen Rheinübergang, der zum Jahreswechsel 406/407 bei Mainz stattfand. Wie hoch diese Zerstörung war und ob der Text des in Bethlehem lebenden Hieronymus nicht nur römische Propaganda war, muss offen bleiben.
Nicht einfacher macht es die Situation des Wormser Burgunden Reichs, das 413 begann und schon 436 ein Ende fand, aber mit dem Nibelungenlied in Erinnerung blieb. Wie die bauliche Situation des römischen Worms war, nach der Zwangsumsiedlung der Burgunden, ist absolut unklar. Paulus Orosius, ein Schüler Augustinus, notierte um 417 das die Burgunden Christen seien. Doch sind sie Arianer. Wenn es nun tatsächlich seit 346 eine ununterbrochenen Linie aus Bischöfen gegeben hätte, hätten die arianischen Burgunden nicht einen katholischen Dom genutzt. Es hätte also zwei Domkirchen geben müssen.2
Ab 613 lebte kurz die merowingische Königswitwe Brunichildis mit ihren Enkeln Sigibert II. , Corbus und Merowech in Worms, im Fredegar Vurmatia genannt. Wohl hauptsächlich um Kontakt nach Osten zu knüpfen, in der Hoffnung, eine Machtergreifung durchsetzen zu können, aber doch lies sie hier Münzen schlagen. Alle werden jedoch noch im selben Jahr von Chlotar II hingerichtet, lediglich der jüngste Merowech wird verschont, da Chlotar II dessen Pate ist.
Wie die Geschehnisse um das Burgundenreich in Worms wird wird auch der Merowingische Bruderkrieg mit Brunichild, Fredegunde, Chlothar, Chilperich, Guntram und vielen weiteren Akteuren wohl ein Einfluss der Nibelungensage.
Mehr oder minder sagenhaft ist, dass Brunichildis in Worms-Neuhausen einen Königspalast errichten ließ, der von Dagobert I. in eine Kirche des hl. Dionysius umgewandelt wurde, die dann wiederum 847 in einen Stift umgewidmet wurde. Während an der Stiftung von 847 kein Zweifel besteht, ist die Geschichte um Brunichild und Dagobert erst aus dem 15. Jahrhundert überliefert. 3
628 wird eine basilica sancti Petri et Pauli erwähnt, bei der es sich um den Vorgänger des Doms mit gleicher Weihe handeln sollte. Jedoch ist auch diese Quelle problematisch, da es sich um eine später gefälschte Urkunde handelt, die jedoch eine entsprechende Vorlage besitzen könnte.4
An der Stelle des heutigen Doms befand sich zuvor das römische Forum der Stadt Worms. Dabei lag es auf einer der höchsten Stellen Worms. Die tatsächliche höchste Stelle befindet sich nördlich davon, im heutigen Heylsgarten. Hier wird ein Tempel für die Kapitolinische Trias vermutet.5. Ältere Rokunstruktionen, auf die sich auch noch eine Animation im Wormser Museum Andreasstift beruft, sieht diesen Tempel süd-westlich des Forums. Auf Skizen und Rekunstruktionen steht er dabei auf einem extrem hohen Sockel um das Forum zu überragen. Doch von so etwas fehlt jede Spur.
Die Funde unter dem Dom, die, neben den Resten des römischen Forums, ebenfalls einem merowingischen oder dann dem karolingischen Nachfolgebau zugeschrieben werden, sieht Ristow kritisch67 vielmehr sollten diese Teile in erster Linie dem römischen Forum zugehörig sein.
Dies ist durchaus verständlich, denn einzig eine nord-süd verlaufende Mauer die zwischen den zweiten Pfeilern des Langhauses verläuft, wird in einem der Pläne mit dem Attribut “frühmittelalterlich” versehen.8. Zudem verläuft sie direkt östlich neben dem westlichen Abschluss des Forums.
Nicht unterschlagen werden sollte jedoch, dass Ristow in “Frühes Christentum im Rheinland” unter Abb. 86 einen Plan des Doms liefert mit dem Titel “Baureste unter dem Wormser Dom”. Der Plan stammt im Ursprung aus Denkmäler der deutschen Kunst – Der Dom zu Worms Band I von Rudolf Kautzsch von 1938. Hier ist es unter Tafel 10 als “fränkischer Dom” angegeben. Eine Plan mit allen Befunden findet sich hier auf Tafel 4, genauso wie in “Der Wormsgau” Nr. 34 2018 unter Abb. 3 .
Demnach wären die einzigen Faktoren die wir von dieser Kirche wissen, dass sie am 2. Pfeiler des heutigen Doms von Westen begann. Das Mittelschiff war wohl so breit wie heute und die Seitenschiffe etwas schmaler. Aufgrund der Lage der Saliergräber vor dem Kreuzaltar endete die Kirche wahrscheinlich dort , wo heute das Querhaus beginnt, ohne dass eine Mauer darauf hinweisen würde.
Es gibt zwar eine weiteres kurzes Fragment einer nord-süd verlaufenden Mauer, doch lässt sich nicht sagen ob dies überhaupt Teil dieser Phase ist. Wenn ja könnte es sich um ein Querhaus handeln. Die Kirche wäre dann etwa 48m lang und 23m breit.
Zum Vergleich, der Mainzer Dom, die heutige Johanniskirche hatte im 10. Jahrhundert eine Länge von etwa 40m. Das spätantike Stift St. Alban in Mainz hatte eine Länge von 28m, bei einer Breite von 13m, der 805 fertiggestellte, einschiffige karolingische Bau 48m x 12m.
Wenn also die Angaben stimmen, wäre der ursprüngliche merowingisch-karolingische Dom von Worms eine geradezu monumentale Anlage für die Region gewesen. (Auch wenn St. Denis im zentralen Franken mal etwa 80m lang war) Einerseits wäre dies natürlich ein Plus für Worms und könnte einen Grund für die Beliebtheit bei Karl dem Großen liefern, andererseits scheint eine solche immense Größe dann schon wieder unwahrscheinlich. Folglich hat Ristows Skepsis durchaus ihren Grund.
Nun haben wir für diese Zeit aber sonst keine weiteren Hinweise auf Gebäude innerhalb des Dombezirks, die über die Pfalz Karls des Großen Hinweise geben könnte, sieht man von der Angabe ab, das die Pfalz 790 niedergebrannte, dann aber dennoch gelegentlich besucht wurde.
Gerade die ältere Literatur von Friedrich M. Illert, Adolf Heiß und Karl Gruber, und auch die von diesen Autoren genutzten Zeichnungen von Heiß , die als “idealtypischen” Rekonstruktionen der Wormser Pfalz Karls des Großen bezeichnet werden, zeigen vorallem ein weiteres Gebäude. Die Johanneskirche.

Bei diesem Kirchenbau handelte es sich um einen markanten zehneckigen Zentralbau der sich in der Flucht des Querhauses, nördlich des Doms befand, aber nach der Besetzung des Rheinlands durch Frankreich und der Auflösung der Bistums Worms wurde der Bau 1807 auf Abbruch verkauft und bis 1812 abgerissen.
Dieser Bau wurde oftmals als Baptisterium gedeutet, also als Taufkirche. Man schlägt so eine Brücke zu spätantiken, achteckigen Baptisterien wie im Lateran, Ravenna, Florenz und anderen.
Ristow sieht dies verhalten kritisch, zumal diese Vermutung nur auf der Form der Kirche basiert und es keine Grabungsbefunde gibt. In diese Lücke sprang Julian Hanschke 2018 in zwei Veröffentlichung 9 Er untersuchte alle Abbildungen der Kirche und ihre Überlieferung. So zeigte sich das die Kirche erst Anfang des 18. Jahrhunderts als Baptisterium bezeichnet wurde, zuvor aber nur als Pfarrkirche. Auch ihr Aufbau mit einer eingetieften Unterkirche, welches später als Beinhaus genutzt wurde, spricht nicht für ein Baptisterium.
Auch architektonisch deutet alles auf einen rein romanischen Bau aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts hin.
Gegen das Argument eines Vorgängerbaus der Johanneskirche als Baptisterium, im Sinne das die Johanniskirche unabhängig von ihrer Funktion die Form übernommen hätte, spricht ein Fund vor einigen Jahren. Als das nicht unumstrittene “Haus am Dom” gegenüber der Nikolauskapelle erreicht wurde, fand sich dort eine Taufpiscina. Somit war kein weiteres Baptisterium nötig und die Johanniskirche ist allem anschein nach ein reines Werk des 12. Jahrhunderts.
Hanschke stellt die Vermutung auf das der Bau vielleicht als Grabmal für Friedrich I. geplant war. Das Grab hätte sich dann in der Unterkirche befunden, was die dortigen Altäre erklären würde. Der Tod Friedrichs im Saleph hätte den Grabbau obsolet gemacht, was ihn zur Pfarrkirche werden ließ.
Somit wäre auch diese Kirche nicht als Kirche in einem Pfalzbezirk Karls des Großen verfügbar. Genauso wenig wie St. Stephan südlich des Doms, auf die im nächsten Teil einzugehen ist.
Walter Burandt schlägt bei der Wormser Johanniskirche10 aber auch eine Brücke nach Bamberg, denn dort wurde um 1050 die oktagonale Andreaskapelle errichtet. Diese parallele erweitert sich noch mit der oktagonalen Ulrichskapelle des 12. Jahrhunderts in der Pfalz Goslar.
852/872 erfuhr der damalige Wormser Dom einen karolingischen Umbau, möglicherweise auch kompletten Neubau. Dies war der Bau, in dem der bei der Schlacht am Lechfeld getötete Konrad der Rote, der Ahnherr der Salier, beigesetzt wurde. Die heutige Gruft, die sich über den Wormser Saliergräbern erhebt, stammt erst von 1910, die Position und Lage der Särge, die 1905 ergraben wurden, entspricht grob dem Auffindungsort, jedoch waren die Särge anders angeordnet, in verschiedenen Höhenebenen und anderen Positionen.
Sie befanden sich hier wohl in der ursprünglichen Vierung, vor dem Kreuzalter, wie man auch aus einer Zeichnung Matthias Untermanns vermuten kann.11. Da diese Zeichnung sich jedoch in erster Linie auf den späteren Dom Burchards und nicht den karolingischen Dom bezieht, muss offen bleiben, ob es eine Vierung gab, oder die Gräber “nur” vor dem Altar lagen.
Ausgrabungen, die 1952/53 während der Aufräumarbeiten in der Folge des Zweiten Weltkrieg im Bereich des Heylshofs, also nördlich des Domes und Standort der späteren ottonisch-salischen Pfalzanlage, brachten keine Ergebnisse die auf eine karolingische Bebauung hindeuten. Vielleicht bis auf einige Mauerreste, die im Bereich eines Eiskellers nördlich des Westchors gefunden wurden, zu denen Illert schrieb:
“Es wurden trotzdem eine Reihe anscheinend zusammenhangloser und wenig stabiler Mauerwerke gefunden, ohne jedoch die Möglichkeit zu erreichen, sie in einen Zusammenhang zu bringen. Eine Mauer, die als Fundament einer monumentalen Bauanlage gewertet werden konnte, wurde nicht angeschnitten oder aufgefunden.”12
Es muss also offenbleiben wo die Pfalz Karls des Großen lag, oder wie sie aussah.
S. Ristow Frühes Christentum im Rheinland 253 ↩
M.Grünewald, Worms von der vorgeschichtlichen Epoche bis in die Karolingerzeit in Geschichte der Stadt Worms S87 ↩
Regionalgeschichte.net zu Neuhausen: https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/neuhausen.html ↩
DMGH DD Merov 1 Nr. 30 ↩
M.Grünewald, Worms von der vorgeschichtlichen Epoche bis in die Karolingerzeit in Geschichte der Stadt Worms S71 ↩
S. Ristow Frühes Christentum im Rheinland S254 ↩
seltsamerweise scheint der Artikel der Wikipedia einen Dreher gebaut zu haben. Er sieht Ristows Aussage bei der Deutung des Forums kritisch. Dabei schreibt Ristow: “Vorwiegend scheint es sich um die römischen Mauerreste von Forum und Marktbasilika zu handeln” ↩
Der Wormsgau 34 S107 ↩
Julian Hanschke: Die Wormser Johanneskirche. Ein Templum Salomonis Kaiser Friedrichs I. Barbarossa. In: Der Wormsgau. 33/2017 und Die Wormser Johanneskirche – ein zehneckiger Zentralbau aus der Ära Kaiser Friedrichs I. Barbarossa. In: INSITU 2018/1. S. 7–24. ↩
Walter Burandt, Die Baugeschichte der Alten Hofhaltung in Bamberg S167/168 ↩
Der Wormsgau 34. S106 ↩
F.M.Illert, Kaiserpfalz und Bischofshof in Worms, in Der Wormsgau Bd. 3 S142 ↩
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…