Die Akte Campus Galli
Noch immer trauere ich der Idee des Campus Galli alias Karolingische Klosterstadt Meßkirch hinterher. Seit dem die Ausführung des Projektes in eine andere Richtung zu gehen scheint als ich mir das erhofft hatte schrieb ich nicht mehr darüber. Für mich ergab sich aber nun die Möglichkeit mir die Anlage einmal selbst aus nächster Nähe anzusehen. Das ich dabei ausgerechnet den Tag des Sommerfestes erwischte war nicht beabsichtig. Ich konnte daher aber einigen Sachen nicht so nachgehen wie ich das gewünscht hätte, andererseits ergaben sich dadurch auch andere Möglichkeiten. Dazu mehr im Text. Die Bilder die ich machte, habe ich zu Flickr ausgelagert (Hier das Album), spezielle Beispielbilder habe ich in dem Text verlinkt.
Der Weg in den bzw. durch Campus Galli sei zu lang, war an einigen Stellen zu lesen. Ich glaube man muss hier differenzieren. Den Weg selbst, also vom Eingang bis zu den ersten Gebäuden fand ich persönlich nicht zu lang. Er führt ein Stück über eine Wiese und biegt dann auf den Rundweg des Campus Galli ein. Dieser Rundweg führt vorbei an den einzelnen Hütten der Handwerker durch den Wald, unterbrochen von einigen Querwegen, darunter auch dem Weg auf den „Marktplatz“ bei dem sich auch die Baustelle der Holzkirche befindet. Der längere Weg wirkt zum einen als Zeitschleuse, zum anderen schottet er das Gelände optisch und haptisch von der Straße ab.
Der Sinn und Zweck der Wegeführung ergab sich aber speziell durch den Fakt des „Sommerfestes“, bei dem weitaus mehr Besucher kamen als dies regulär der Fall sein dürfte. Der Zweck liegt einfach darin die Besucherströme auseinander zuziehen. Das Problem ist aber das dadurch das Konzept der auf einer Rodung liegenden Klosterneugründung mit Baustelle ad absurdum geführt wird. Mitunter erinnerte mich das ganze an das Konzept von Märchenparks meiner Kindheit in denen man durch ein Waldstück ging und hier und da Häuschen standen bei denen man auf einen Knopf drückte und Schneewittchen und die 7 Zwerge zu sehen sind und jemand was dazu erzählt. Die umliegenden Arbeiterhütten erweckten also das Gefühl nicht wirklich zur eigentlichen Baustelle zu gehören.
Ach ja die Häusschen. Hiltibold berichtete bereits über die rege Verwendung von Zeltplanen (Link). Dies kann ich nur bestätigen. Fast jede der Hütten besaß noch einen Platz der mit einer Zeltplane überspannt war. Dabei handelte es sich ausnahmslos um Industrieplanen, mit Industrienähten und D-Ringen oder ähnlichen Befestigungen, die neben den Hütten angebracht sind. (Beispielbild einer Plane)
„An den Schuhen sollt Ihr sie erkennen“, war ein Spruch der die Wichtigkeit von anständigen Schuhen für eine Darstellung verdeutlichen sollte und bei uns in der Anfangszeit rumging. Das in der Klosterstadt Sicherheitsschuhe und Holzschuhe (in der Funktion als Sicherheitsschuhe) getragen werden ist mir durchaus verständlich. Warum aber nun kein einziger der Klosterstadt „Bewohner“, wenn er denn keine Handwerkliche Tätigkeit ausführte (Bild jonglierender Junge),Wendeschuhe trug sondern mit Wanderstiefeln umher lief bleibt wohl ein Rätsel. Zumal es durchaus günstige Wendeschuhe (im Notfall auch mit „unecht“ genagelter Sohle für die furchtbaren Schotterwege) gibt.
Anachronismus ick hör dir trapsen. Vor einiger Zeit wurde kritisiert das auf einem Bild ein Arbeiter zu sehen war der ein T-Shirt unter seiner Tunika trug. Auch ich konnte dies Beobachten (Bild eines T-Shirt tragenden Arbeiters). Dies war aber bei weitem nicht das Schlimmste, denn ein T-Shirt kann man mitunter Kaschieren, zumal das T-Shirt eine helle Farbe hatte. Dramatischer war aber die Verwendung anachronistischen Gürteltaschen. So gesehen einmal in der Schmiede in Form einer Gürteltasche aus Leder mit Riegelhaken/Hakenverschluss wie man sie oft auf Mittelaltermärkten findet (entsprechendes Bild), sowie einmal in Form einer Polyestergürteltasche mit Reißverschluss bei einer der Seilerinnen (Bild). Letztere trug ebenfalls noch einen Seidenschal moderner Machart.
Die größte Sammlung von Anachronismen auf einem Platz fand ich beim Drechsler. Lassen wir mal das Schild über dem Laden außer Acht auf dem das Wort Drechsler in roter Schreibschrift mit einem Drachen als D stand (Bild der Bauhütte). Das allein trieb einem schon die Schamesröte ins Gesicht. In der Hütte fand sich neben einem modernden Strohhut (Bild des Strohuts), eine römische Amphore, ein Messingtopf (der Naht nach aus Spritzguss) (Bild des Innenraums) und einen Zinnbecher (Zinnbecher erkennbar hier). Eigenartig war auch der Verkauf(?) von unpassenden Pflanzen auf einer gegenüber angelegten Kräuterspirale (Pflanzenverkauf). Positive erwähnen muss ich dagegen das sich in der Drechslerwerkstatt 2 Räder mit einer Holzachse fand für einen möglichen neuen Karren fand. Ach und ich glaube über die Verwendung von Daubeneimern mit verzinnten oder vernickelten Ringen brauchen wir nicht zu sprechen.
Generelles Problem der Informationsvermittlung. Mitunter wurde den Bewohnern vorgeworfen falsches oder mangelndes Wissen an den Tag zu legen. Ob dies tatsächlich der Fall ist konnte ich nicht herausfinden, denn der Andrang war einfach zu groß und man konnte nur schwer nachfragen oder sich durch die Menschentrauben zwängen die sich vor den einzelnen Märchenhaushütten Werkstätten bildeten. Es fiel mir jedoch mitunter bei den Personen eine große Unsicherheit auf vor Publikum zu agieren. Zum Teil wirkten sie auch so als wüsten sie zwar ihre Aufgabe, hatten jedoch nicht das Ganze verinnerlicht. Will sagen sie sie wussten was sie für eine Aufgabe hatten, das 9. Jahrhundert, in dem sie ja per Definition handelten, erschien ihnen jedoch fremd. Es waren eben Menschen des 21. Jahrhunderts die man in Kostüme des 9. Jahrhunderts gesteckt hatte und deren Erfahrung als Erklärbär sich in argen Grenzen hielt.
Ein anderes Problem in diesem Bereich waren verwaiste Baustellenteile. In meinem Fall betraf das den neuen Grubenmeiler. Man sah eine Runde Feuerstelle in bzw. an einer Grube neben der einige Kalksteine lagen. Ich ging davon aus das es sich um den Versuch einer Kalkbrennerei für den Mörtel handelte. Aber es war der Grubenmeiler. Ich hätte mir Schautafeln gewünscht, nicht nur am Grubenmeiler, die auf die dort ausgeübte Tätigkeit hinweist und informiert.
Das Programm des Sommerfestes war eher absurd. Zwar hatte ich am Anfang das Gefühl das hier etwas richtig gemacht wird, denn direkt hinter den Kassenhäuschen fanden sich einige Stände mit Bratwurst und ein bisschen Firlefanz (Bild). Ich ging also davon aus das hier zwischen dem Markt und der Baustelle getrennt wird. Leider hatte ich mich getäuscht. Denn auch der auf dem Marktplatz gab es mehr Firlefanz als sich das jemand gewünscht hätte. So wurde auf dem „Marktplatz“ „Wikingerschach“ (Bild) angeboten während eine typische Gro-Mi-Gruppe Kalinka gab zum besten (Video). Zudem konnte man auf dem Markplatz man „karolingische Wurst im Teigmantel“ erstehen (Bild) aus einer karolingischen Verkaufsstand(?) herraus, oder an einem Stand die üblichen Seifen kaufen (Bild). Wohlgemerkt auf dem Marktplatz der Klosterstadt, der zentralen Rodung – Heiliger Boden Highlander!! Dieses Rahmenprogramm war vielleicht gut gemeint, aber wird extrem absurd wenn dann auch noch Thomy der Weltenbummler „Da Vincis Malerwerkstatt“ am Baugrund der Scheune aufbaut (Bild). Ach, und zwei mal konnte ich typische Mittelaltermarktbesucher (Gewandung) erkennen. Dies hielt sich also in Grenzen.
Es mag sich nun jeder sein eigenes Bild machen.
Ein schöner und anschaulicher Bericht!
Übrigens, der Drechsler mit dem lässigen Namen (Hans Lässig) hat Geschichte studiert, was es irgendwie ziemlich bedenklich macht, dass gerade er seinen Unterstand im Stil eines Märchenparks gestaltet und mit Anachronismen ausstaffiert.
http://www.suedkurier.de/region/linzgau-zollern-alb/messkirch/Klosterstadt-Der-Forschergeist-treibt-Hans-Laessig-an;art372566,6194426
Leute, haltet den Ball flach: Die Armen vor Ort wissen es nicht besser (Geschichtsstudent sagt gar nichts) und die Entscheidungsträger wollen es nicht besser wissen. Mir pflastern sie gerade den Arbeitsweg mit dem Kaiserottofest voll, es geht noch gruseliger, glaubt mir, obwohl es ein Dr. Puhle doch besser wissen müßte, aber es nicht besser wissen will. Geschichte wird seit 200 Jahren oder länger schäbig inszeniert und manche Historiker beanspruchen größere Kunstfreiheit darin als manche Künstler. Legt es zu den Akten, bitte, es gibt schönere Dinge zu blogen…
Euer Kunstkritiker Isí
Hallo Zusammen! Wir haben ebenfalls den Campus Galli in Erwartung eines Spektakulums 🙂 besucht (und wurden jäh enttäuscht. (Erwartet das der ahnungslose Besucher ohne Kenntnis = mag sein! Möglich, dass der Durchschnitt begeistert ist.) Wie sollte man grundsätzlich mit dem Thema umgehen? Mal ehrlich: Die meisten! haben nicht nur keinen Schimmer, nein, sie wissen noch nicht mal was mit dem Begriff „karolingische Zeit“ anzufangen, leider! Geht mit den Machern von Campus Galli ins Gericht, aber bitte milde! Es gibt viel zu tun! Angefangen vom schulen der Akteure bis……, unendlich.Mein Mann und ich haben uns vorgenommen in 40 Jahren wieder zu kommen, in der Hoffnung, dass man gelernt hat, Ratschläge umzusetzen, Erfahrungen anzunehmen, unqualifizierte Äußerungen zu unterlassen,das Personal zu schulen usw, die List ist schier endlos! Trotzdem glaube ich an die Sache und denke niemand sollte zu hart ins Gericht gehen, alles muss erst wachsen! Wie ein Baum, manchmal benötigt er einen Schnitt!