Karl der Große auf Arte
Am vergangenen Wochenende, Samstag 20:15 Uhr zeigte Arte als TV-Premiere den Dokudrama Dreiteiler Karl der Große in der Langfassung bestehend aus 3 Teilen. Ich habe mir das „Drama“ angesehen und obwohl ich eigentlich zu Formaten im Knoppschen Stil nichts mehr schreiben wollte sah ich mich, dreht es sich doch um die Karolinger, genötigt einige Zeilen zu schreiben. Die ARD wird die Sendung in einer 90 Minuten Fassung am 1. Mai um 18:30 zeigen.
Bereits Guido Knopp hatte sich im Rahmen der Reihe „Die Deutschen 2“ an Karl dem Großen versucht und viel Hohn und Spott, nicht nur von mir, eingehandelt. Nun tritt der WDR in Kooperation mit TV Servus (Österreich) in die Fußstapfen des ZDF. Regie führte Gabriele Wengler die bereits für Sphynx im ZDF tätig war, wo sie u.a. Caspar Hauser bearbeitete.
Zunächst einmal sollte die Rolle des Einhard positiv hervorgehobenen werden, denn Einhard wird seiner Kleidung nach nicht als Mönch dargestellt, wie das sonst so gerne fehlerhaft getan wird. Doch dies fällt nur bei genauerer Betrachtung auf, denn seine Kleidung ist tief schwarz und kaum von der Klischeerobe seines mönchischen Sekretärs Johannes zu unterscheiden. Zu dem muss ich zugeben das Peter Matics Rolle des Einhard durchaus potential gehabt hätte. Wie gesagt hätte.
Das war es aber auch schon an positiven Gedanken.
Darstellung und Austattung lassen die Vermutung zu, man habe versucht auf den Erfolg von Klischee und Fantassy Verfilmungen wie der Kenn Follet Reihen oder „Die Wanderhure“ anzuschließen.
Meist es es düster, die Kleidung extremst dunkel. Es wird das „Darkage“-Klischee mit nackten Mauern bemüht.
Nur in wenigen Szenen trägt Karl einen Rechteckmantel, meist sind es rote halbrunde Mäntel mit Kapuze die von den Soldaten getragen werden. Sämtliche Schwerter scheinen vom letzten Mittelaltermarkt aufgekauft worden zu sein, Spatha oder Schwerter irgendeiner frühmittelalterlichen Einordnung sind nicht zu erkennen- und fröhlich wird da mit Anderthalbhändern gekämpft. Flügellanzen sind an keiner Stelle zu sehen. Als Rüstung wird ein Klibanion ähnliches Etwas getragen, kombiniert mit byzantinisch oder sassanidisch anmutenden Helmen. Über Mantel und Panzer tragen die Franken lederene Kragenteilen mit aufgenähten Unterlegscheiben, oder niedere Stände tragen eine Gugel.
Auch die Sachsen erfüllen alle Klischees als fellbehangene Waldgermanen, allen voran mit Widukind Darsteller Erich Altenkopf (Telenovela Darsteller Dr. Niederbühl aus „Sturm der Liebe“)als blondem Wiederständler ohne echten Wiederstand.
Auch architektonisch sieht man einen Mischmasch aus Barock, Renaissance, Gotik und Spätromanik, ganz zu schweigen vom Himmelbett.
Optisch und Inhaltlich ähnelt die Sendung starkt der „Die Deutschen“-Reihe, lediglich Salier Experte Weinfurter wurde durch Karolinger Experte Schieffer ersetzt, bzw. mit Fried als „Erzfeind“ der Gegenpol geschaffen und statt des neutralen schwarzen Hintergrundes in den Interviewpassagen erzeugt der unscharfe Hintergrund eines Portals ein gewisses historisierendes Flair.
Mitunter erscheinen die Übergänge von Doku- zu Dramateil nach satirischen Aspekten gewählt. Da wird unter David Nicholle ein Dummy mit der ausgewiesenen Fernwaffe Bogen aus 10m Entfernung (!) beschossen und zum Abschluß in Nahaufnahme auf einen Schuppenpanzer festgestellt , dass diese besondere Rüstung den Karolingern einen immensen Vorteil verschaffte. Es folgt ein Umschnitt auf Karl in seinen an byzantinische Exemplare angelehnten, eigenartigen Klibanion. Es wird, unter Ingorierung sämtlicher Illuminationen und der Beschreibung der Kleidung Karls durch Einhard, der Stifter von Marls als einzige Darstellung eine karolingischen Adligen genannt und nach dem Umschnitt sieht man Karl und seine Truppen in ihrer „TV Kleidung“ über die Alpen ziehen. Bei der Erläuterung des Reisekönigtums wird auf die Bedeutung von Erlassen für die Königshöfe hingewiesen, nach dem Schnitt sieht man Männer Trauben mit den Füßen stampfen. Etwas das eben jener Erlass, das Capitulare de Villis vel Curtis, in Kapitel 48 Verbot!
Fehler die so eigentlich nicht sein sollten und die gesamte Darstellung ad absurdum führen. Falls es sich wieder Erwartens um ein Deutlichmachung von „Symboldarstellungen“ handelt, ging das dramaturgisch in die Hosen.
Hinzu kommen eine Vielzahl von Verallgemeinerungen und mangelnde Erläuterungen, die beim Gelegenheitsbetrachter zu falschen Vorstellung führen.
Die englische Historikerin Janet Nelson wird mitunter stark verkürzend und zusammenfassend übersetzt.
Hier fiel besonders auf das von Roland als dem Weggefährten Karls des Großen die Rede war. Einhards Erwähnung Rolands besteht jedoch aus der Nennung des Namens in der Liste der bedeutenden Adligen die bei dem Rückzug aus Spanien im baskischen Hinterhalt fielen1 . Die Darstellung Rolands als Weggefährte oder sogar als dessen Neffe, sowie die Verwendung der filmische Darstellung Rolands als Bläser des Horns Oliphant während er von Pfeilen durchbohrt wird, stammt aber aus Rolandslied des späten 11. Jahrhundert. Es ist anzunehmen das dies auch von den Historikern erwähnt wurde, aber dem Schnitt zum Opfer fiel.
Notger der Stammler wird schlicht und einfach als „Chronist“ erwähnt ohne ihn persönlich zu nennen, ohne seine Informationen bzw. seine Funktion als „Geschichtenerzähler“ zu hinterfragen, wird doch die erwähnte Situation, der Marsch auf Pavia, auch bei den Grimms als „der Eisernern Karl“2 erwähnt.
Diese Liste liese sich eine ganze Weile fortsetzten, was ich aber an dieser Stelle nicht tun möchte.
Ich habe inzwischen viele solcher Dokumentationen gesehen. Ich habe Informations- und Pressemappen dazu gelesen. Ich habe mir Diskussionsrunden und Stimmen dazu gehört. Meist wird versucht zu erklären das es sich bei den Spielszenen um „Symbolbilder“ handelt. In etwa so wie bei dem berühmten Hacker-Symbolbild, welches in Wirklichkeit den Quellcode einer Toastersimulation zeigt.
Vielleicht hätte man sich , wenn denn schon so offensichtliche Diskrepanzen zwischen Erläuterungen und Spielszenen entstehen Michael Verhoevens O.K. Von 1970 für einen Beginn als Vorbild nehmen sollen, wo die bayrischen Schauspieler die 4. Wand durchbrechen, sich Vorstellen die US-Uniformen alnlegen und ab dort in bayrischem Dialekt im ebenso bayrischen Wald Vietnamkrieg klar erkennbar als Schauspieler im schwarz-weißen Wochenshow Look spielen. Gleiches wurde bei Arte bereits bei einer Verfilmung von Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gezeigt. Hier wurden die Schauspieler wärend der Anprobe und Maske gezeigt und äußerten sich zu ihren Rollen.
Die Friedrich der Große Spieldoku mit Mutter und Tochter Thalbach ging mit der Besetzung einer männlichen Person durch Frauen durchaus ihren eigenen Weg. Es konnte das Element des Symbolbildes durch die „Hosenrolle“ als surreales Element in der Doku positiv nutzen. Bei Karl dem Großen jedoch wurde wieder auf altbekanntes, weil wohlerprobtes Zurück gegriffen.
Ob die Sendung nun vom WDR produziert war oder ob Fernsehrentner Guido Knoppe und das Team von „Die Deutschen“ dahinter standen, war letzendlich unwichtig. Zu austauschbar sind die Formate, die Einstellungen. Lediglich die Rekonstruktionen bei Knopp von Faber Courtial hatten klar höheres Niveau als die wenigen Standbilder von Zeltstädten aus Hochmittelalter Zelten oder einer kleinen Animation von Aachen.
Es ist also die alte Leier. Hoch angepriesene Dokudramen entpuppen sich als halbgare Historymärchen. Dies wird sich auch nicht ändern so lange man Drehbuchautoren verwendet die Drehbücher für Musikvideos von Polarkreis 183und Terra X Produktionen schreiben. Es müsste ein totaler Neustart her, weg mit der Märchenfilmausrüstung, auch wenn sie im Magazin vor sich hin rostet und es müssten Drehbuchschreiber her die die historische Situation korrekt dramatisieren könnten.
Dies wird aber alles erst geschehen wenn die öffentlich Rechtlichen ihren Bildungsauftrag wieder ernst nehmen.
Offenlegung: Teile dieser Rezension wurden bereits von mir am Sonntag auf der Arte Seite des Films als Kommentar veröffentlicht.
Einhard „Vita Karoli Magni – Das Leben Karls des Großen“ Reclam S.22/23 ↩
Brüder Grimm „Deutsche Sagen“ Nr447 online Literaturnetz.org ↩
siehe bei Crew United ↩
Der Widukind Darsteller Erich Altenkopf ist bei all dem noch der beste Widukind-Darsteller, auch wenn er nur wenig zu sagen hatte. Nach der Fehlbesetzung Zoltan Butuc, bei dem man das Gefühl nicht los wurde, die Sachsen stammten wirklich von den Trojanern ab, war das doch ein Lichtblick; wenngleich Widukind sich Karl nicht ergeben oder unterworfen hatte, sondern mit Karl dem Großen einen Frieden schloß, der sieben Jahre Bestand hatte. Wer mehr über Widukind erfahren möchte, der schlage in Widukind – Sagen und Erzählungen Berlin 2013 nach.