Das Jahr 886 – Ein Itinerar ans Ende der Karolingerzeit
Ich befasse mich derzeit noch einmal mit den Umständen um die Belagerung von Paris 885/886, wobei mich aber Karl III. und die zeitlichen Abläufe interessierten. Ich dachte nicht, dass dieses eine Jahr so viele Hinweise auf das Ende der Karolingerzeit aufzeigen würde.
Kurz was war los in diesem Jahr? Die Nordmänner belagern seit Ende 885 Paris. 886 Entkommt Odo von paris der Belgagerung und fordert bei Karl III. Hilfe an.
Karls Reiseweg kennen wir aus den Urkunden. Unklar ist dagegen das zeitliche Geschehen in Paris. Wir wissen jedoch das Odo, Graf von Paris, in Begleitung die die Stadt in der Nacht, oder im Morgengrauen eines Tages verlässt um Hilfe zu holen. Dabei soll er sich, so schreibt es Abbo von St. Germain, mit erbeuteter Tracht und Waffen der Dänen verkleidet haben.
Nach den Annalen von St. Vast und St Bertin soll er sich davon gestohlen haben , ohne irgendjemanden zu Informieren, was die in der Stadt zurückgeblieben von Trauer erfüllt haben soll.
Glaubt man der zeitlichen Abfolge von Abbo von St. Germain und den Annalen von St. Vaast, muss dies nach dem 16. April geschehen sein. Dies ist der Tag, an dem Gauzelin, Erzkanzler und Bischof von Paris an einer Seuche starb, die in der belagerten Stadt grassierte und die Bevölkerung langsam der Mut verließ und für Odo ein Auslöser war, Hilfe zu holen.
Während Abbo nicht schreibt wohin sich Odo begab, notieren die Annalen von St Vaast auch nur das er “die Großen” aufsuchte , die dann wiederum den Kaiser informierten. Odos Rückkehr ist dann sowohl bei Abbo als auch bei den Annalen spektakulär angelegt. Sein Auftritt bei der Rückkehr im Morgengrauen auf dem Montmartre hat dabei nicht den Zweck möglichst spektakulär zu wirken. Vom Montmartre aus konnte Odo ganz Paris überblicken. So war es ihm möglich sein weiteres Vorgehen zu planen. Von dort hätte er erkennen können ob etwa Paris bereits erobert war, die Nordmänner abgezogen wären und so weiter.
Wie gesagt, Odos Weggang aus Paris muss nach dem 16. April stattgefunden haben.
Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Karl III. noch in Pavia auf, nachdem er Ostern (27. März) in Corteolona gefeiert hatte. Karl war auf jeden Fall über die Vorgänge in Paris informiert, hatte doch alles bereits im vergangenen Jahr begonnen und er hatte selbst im Februar seinen princeps militiae Heinrich mit Truppen nach Paris entsandt. Sein Heer war aber schon beim Hinweg durch Überschwemmungen dezimiert worden und letztendlich kann er nichts ausrichten , außer ein kleines Grüppchen Dänen zu töten und ihnen Pferde und Ochsen abzunehmen.
Karl musste aber im Februar/ März nach Rom reisen, da er ein Hilfegesuch vom neuen Papst Stephan V. (VI.) erhalten hatte. Zudem war Karl die Situation in Italien nicht geheuer. Er hatte versucht Wido von Spoleto wegen Hochverrats festzusetzen. 885 war er jedoch freigesprochen worden und Karl war gezwungen ihn wieder in Amt und Würden einzusetzen. Und dann hatte Papst Stephan Wido auch noch adoptiert, da dieser ihm gegen die Sarazenen half und ihn zum Verteidiger des Papstums ernannt, nachdem Karl III. dem neuen Papst die Unterstützung verweigert hatte. Und dann begann ebenso noch der Aufstieg des Markgrafen Berengar von Friaul, der später König von Italien und Kaiser werden sollte.
Karl blieb also nichts anderes übrig, als nach Rom zu reisen, um zumindest Präsenz gegen seine Gegner zu zeigen und nicht untätig zu erscheinen.
Im April/Mai begibt sich Karl III. jedoch auf den Weg nach Westfranken. Nicht aber ohne einen kleinen Umweg über Burgund zu machen, wie es die Fuldaer Annalen schreiben. Wahrscheinlich reiste er nicht ins Innere von Niederburgund , sondern lediglich über die Region um den Genfer See. Er dürfte sich informiert haben, was eine weiterer Gegner von ihm macht: Boso von Vienne , der selbsternannte König von Burgund und der Provence, oder aber er versuchte, ihm Truppen für Paris abzuringen. Wir erfahren darüber jedoch nichts.
Wenn man so überlegt, wer denn nun die schlimmsten Feinde Karls III. sind, kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass es nicht die Nordmänner sind. Die verschwinden schließlich von selbst irgendwann. Wer aber dauerhaft bleibt, sind Leute wie Boso, Wido, Berengar und dann ist da noch dieser nervige Verwandte Arnulf Markgraf von Karantanien…
Am 9. Juni hat Karl III. etwa 660km zurückgelegt, als er sich in Sasbach am Kaiserstuhl befindet. Noch einmal 180km trennen ihn von einer Reichsversammlung am 30. Juli in Metz.
55 Tage benötigt Karl also maximal von Pavia nach Sasbach, wobei er dann 12km am Tag zurückgelegt hätte. Dies ist keine unrealistische Reisegeschwindigkeit eines Trosses mit Gepäck1, erscheint jedoch im Kontext der Ereignisse extrem langsam. Genauso wie die 52 Tage für 180km zwischen Sasbach und der Reichsversammlung in Metz. Es ist in diesem Fall anzunehmen, dass Karl bereits früher als der 30. Juli Metz erschien und bereits mit dem Ausheben von Truppen beschäftigt war..
Der Metzer Aufenthalt mit Reichversammlung um den 30. Juli, diente wohl in der Hauptsache der Sammlung des Heeres. Über die Größe des Hauptheeres gibt es keine Information. Abbo notiert später für Karls Ankunft vor Paris: “Dann kommt der besungene Prinzeps Kaiser Karl, umgeben von Kriegern aller Nationen, so strahlend wie die Sterne, mit denen der Himmel leuchtet, und gefolgt von einer riesigen Menge von Völkern, die verschiedene Sprachen sprechen.”
Es scheint unwahrscheinlich, dass das Abbo damit lediglich verschiedene ostfränkische Dialekte , etwa sächsisch, bairisch, alemannisch meinte und lediglich das Altfranzösische für Truppen aus Westfranken hinzukommen. Vielleicht befanden sich auch langobardische Einheiten, sowie mährische Truppenteile darunter.
Im Anschluss der Reichsversammlung begibt sich Karl über Attigny und Servais nach Quierzy, wo er Lager bezieht,während er den princeps militiae Heinrich voraus schickt, der ja bereits im Frühjahr vor Ort war und dem somit die Situation bekannt war..
Karl III. ist ab 22 August in Servais nachweisbar und ab dem 4. September im 20km entfernten Quierzy. Der Babenberger princeps militiae Heinrich stirbt am 28.8. vor Paris, wo er beim Kundschaften mit dem Pferd in eine Fallgrube stürzt, die die Nordmänner bei ihrem Lager errichtet hatten und wird erschlagen.
Der Zeitraum zwischen dem 12. September (Quierzy) und dem 27. Oktober (erste in Paris getätigte Urkunde) ist wieder unklar. Nach Abbo hatte Karl, nachdem er von Tod Heinrichs erfährt, eine Einheit von 600 Mann vorgeschickt, die einen Lagerplatz suchen und sichern soll. Diese Einheit sichert einen Platz auf halben Weg zwischen Montmartre und Paris. Wahrscheinlich an der Straße nach St. Denis gelegen, 1,5km von den Stadttoren entfernt. Wahrscheinlich im Bereich des heutigen Boulevard de Bonne Nouvell und der späteren Porte Saint-Denis.
Im Gegensatz zu seiner 600-Mann-Vorhut wird von keinen Kämpfen berichtet, in denen Karls Hauptheer verwickelt gewesen sein soll. Je nachdem wem man glaubt, Abbo oder den Annalen von St. Bertin und St. Vaast, hatten die Nordmänner ihr Hauptlager entweder im April, oder erst durch das Eingreifen der Vorhut an das südliche Seine Ufer bei St. Germain de Pres verlegt haben. So oder so ermöglichte es Karl freien Zugang zur Stadt.
Ein weiterer und vielleicht einer der interessantesten Aspekte ist die Zahlung des Lösegelds für Paris durch Karl III. Die Höhe des Lösgelds selbst wird an keiner Stelle angegeben. Lediglich eine Gesamstsumme für das Jahr wird angegeben. Man geht daher davon aus das für Paris von Karl III. 700 Pfund Silber gezahlt wurden, was die Annalen von St Bertin und St. Vaast als “erbärmlichen Ratschluss“ quittieren.
Das ist überaus interessant, den als Karl III. 882 vor Asloha 2412 Pfund Silber und Gold zahlt, hatten die Annalen ihn noch gelobt. Zudem hatte Karl der Kahle 845 für Paris noch 7000 Pfund Silber gezahlt.
Der Hauptunterschied ist jedoch nicht die Zahlung, die die Quellen erregt, sondern die Erlaubnis, den Nordmännern freien Zugang nach Burgund zu gewähren, wo sie doch durch Karl den Kahlen zum Abzug von Paris bewogen wurden. Diese Handlung negiert jeglichen Sinn der Belagerung und der Blockade der Durchfahrt an Paris vorbei, durch Bischof Gauzelin und Odo von Paris. Zudem gibt sie Christen den Heiden preis.
Karls III Handlung ist jedoch rein in Bezug auf Boso von Vienne zu sehen. Boso hatte es geschafft sich zum König von Burgund aufschwingen. Zwar zunächst mit Unterstützung Karls des Kahlen, hatte er damit aber gezeigt, dass es auch ein Nicht-Karolinger auf einen Thron schaffen konnte.2 Somit verdeutlichte er den Niedergang des Karolingischen Reiches.
Karl hatte Boso zwar Wallis, Aosta und Savoyen abbringen können, ein weiteres direktes Vorgehen war ihm jedoch nicht möglich.
Er benötigte also einen “nützlichen Idioten“, der für ihn die Arbeit erledigte. Dies sind für Karl III. die Nordmänner die Burgund schwächen sollen.
Im Grunde funktioniert dieser Plan, doch bereits 2 Monate nach Karls Abreise aus Paris stirbt Boso unerwartet. Und im Sommer 887 unterwarf er sich dessen Sohn Ludwig III. Bosonides (Später genannt Ludwig der Blinde wegen Blendung) Karl adoptiert ihn, wofür Ludwig Burgund als “Lehen” erhält. Aber noch immer sitzen die Nordmänner in Burgund.
Karls III. Image ist jedoch bei seinen Gegnern, allen voran Arnulf von Kärnten und dessen Anhängern ruiniert. Der Weg ist nun offen für andere Personengruppen an die Macht zu kommen. Nicht mehr nur Karolinger in direkter männlicher Linie.
Zwar ist Arnulf von Kärnten in Ostfranken noch ein unehelicher Sohn Karlmanns, Kaiser wird aber zunächst der Widone Wido von Spoleto, bevor Arnulf auch diese Position übernimmt. Aber im Westfrankenreich wird der Robertiner Odo von Paris Herrscher und König von Italien wird der Unrouchinger Berengar I., der auch von 815-924 Kaiser wird. Auch der bereits genannte Ludwig III. Bosonides wird von 900 bis 905 König in Italien und 901 – 905 Kaiser bis ihn Berengar blenden ließ.
Zwar kommen in Westfranken noch einmal die letzten Karolinger an die Macht, aber etwa die Geiselhaft Karls III. dem Einfältigen weckt eher Erinnerung an die letzten Merowinger, als an selbständige Herrscher. Schließlich kommen die Nachfahren der Robertiner, bzw. die Kapetinger an die Macht und bleiben das auch in Form ihrer eigenen Nebenlinien , dem Haus Valois und dem Haus Bourbon bis zur französischen Revolution.
Die 7000 Pfund war Karl der Kahle 845. Die Anzahl der (bewaffneten, professionellen) Verteidiger passt, wobei man von etwa 5000…
Mal wieder intressant zu lesen. Aber die Lobhudelei und masslosen Übertreibungen der Chronisten ist schon wie bei den Römern teilweise…
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…