C14, Lorsch und Trebur
Ich hatte vor zwei Wochen die neue, bzw. die aktuelle Datierung der Lorcher Torhalle auf “um 900” erwähnt. Ich möchte mich damit mal ein wenig auseinandersetzen, denn jeder, der sich irgendwann mal mit den Karolingern oder dem Frühmittelalter auseinander gesetzt hat stolpert eher früher als später über die Lorscher Torhalle, in älteren oder allgemeineren Veröffentlichung eher als Königshalle bezeichnet.
Zunächst nahm man Karl den Großen als Erbauer an, dann Ludwig den Deutschen und Ludwig III. und nun ist das alles hinfällig.
Dafür das ich das jetzt bearbeitet gibts noch mehrere Gründe, aber das sollte im Laufe des Textes klar werden.
Was ist C14
Die neue Datierung erfolgte über C14. Das nimmt man in der Regel erst mal so hin, aber auch dazu las ich etwas im dem Text, das ich sehr interessant fand und mich daher entschlossen habe erst mal kurz die C14 Methode zu erklären.
Auf unserem Planeten liegen Atome oftmals in Isotopen vor. Beim C14 ist das die Zahl hinter dem C. Ganz Simpel ist das ein Kohlenstoffatom (C) das zuviele Neutronen hat. Normalerweise wären es 6 Neutronen. Beim C14 sind es aber 8 zuviel (6+8=14). Wenns zuviele Neutronen Neutronen gibt (Neutronenüberschuss) wird das ganze instabil und die Neutronen würden gerne weg. Das nennt sich dann Beta-Minus-Zerfall. Oder noch einfacher: das Zeug ist radioaktiv.
Aber keine Panik, das ist hier nicht schlimm weil fast alles irgendwie radioaktiv ist, und die Strahlung ist in diesem fall vernachlässigbar. Zudem kann man dagegen gar nichts machen, denn C14 ist überall.
So lange ein Organismus lebt, nimmt er das Zeug auf und hat in seinem Organismus eine relativ gleichbleibende Menge davon. Stirbt ein Organismus, nimmt er kein C14 mehr auf. Weil das C14 ja radioaktiv ist, zerfällt es. Wenn ich 100 Gramm C14 hätte, wären nach genau 5730 ( +/- 40 Jahren) nur noch 50 Gramm C14 da, der Rest hätte sich zu N14 verwandelt. Das ist die Halbwertszeit von C14. Nach nochmal 5730 jahren ist wieder nur noch die Hälfte da (25Gramm) und immer so weiter. Es wird nie Null, strebt aber gegen Null. Weils aber immer weniger wird kann man das zu Altersbestimmung nur für bestimmte Zeiträume nutzten
Man hätte also eine Linie, muss nur noch schauen, wie viel oder wenig C14 ich noch in einer Probe habe und Bingo.
Aber so einfach ist das dann doch nicht. Denn es gibt Störungen in der Linie. Seit dem wir fossile Brennstoffe nutzen blasen wir unter anderem mehr C14 in die Luft. Kernwaffentests haben auch C14 in der Atmosphäre verteilt. Ok, kann man ja sagen vor 1800 sieht das dann recht gut aus, aber auch das ist falsch.
C14 wird in der Atmosphäre unter Einwirkung kosmischer Strahlung gebildet. Aber die ist nicht immer gleich. Die Sonne hat im Schnitt einen Zyklus von 11,1 Jahren, in denen sie mal stärker, mal weniger stark Strahlung auf die Erde ballert. Es gibt Vulkanausbrüche, die den Gehalt von C14 durcheinanderbringen und auch die Strahlung von Supernovae sind in der Diskussion als Störungsquelle. Um diese Fehler auszugleichen, gibt es für verschiedene Regionen der Erde Kalibrierungskurven , die diese Fehler ausgleichen sollen.
Nun haben wir ausgerechnet im 9. Jahrhundert, was C14 angeht, ein Plateau. Das heist das C14 wird nicht weniger, sondern bleibt gleich, bzw nimmt sogar ein klein wenig zu je mehr man in Richtung 800 geht. Das gibts übrigens auch in der Hallstatt Zeit (Hallstatt-Plateau).
Bei der C14 der organischen Materialien der Lorscher Torhalle, die zur Sicherheit von mehreren Instituten untersucht wurden, kam das aber nun anders. Sie liegen nach dem Plateau, was die Datierung wieder recht sicher macht. Also ein Teil davon wurde etwa 890-900 datiert. Da aber ein weiter Teil eher später ist, ergibt sich die Datierung um 900, da man sich immer an den letzten Zeiträumen orientiert. Der sogenannte “terminus post quem”, der Zeitpunkt nachdem etwas geschehen sein muss.
Untersucht wurden ein Eichenkeil, der als Abstandshalter einer Eisenklammer in einem der Pfeiler diente. Er gehörte zum Ursprungsbestand.
In der Nordwand wurde eine 1860 eingebaute Konsole aus konservatorishen Gründen wieder ausgebaut, dabei fiel im Mörtel ein heller Streifen auf. Dieser Streifen stellte sich als Schnittfläche einer dort eingebetteten Walnussschale heraus.
Der Eichenkeil wurde durch die C14 Untersuchung auf 890-900 datiert.
Einige weitere Funde aus den Innenwänden des Erdgeschoss datieren ins Plateau des 9. Jahrhunderts und sind daher kaum aussagekräftig. Für die Walnussschale wird kein genau Datierung angegeben, deutet aber, genau wie eine Kiefernnadel, auf um 900 hin.
Bautechnik und Trebur
Interessant für mich ist auch die Fundamentierung der Torhalle und auch allgemein die Steine die beim Bau verwendet wurden. Die Giebelseiten bestehen in der Hauptsache aus Bruch und Lesesteinen, die aus dem Odenwald stammen. Das Kalksteinmaterial der Kapitelle stammt aus Lothringen und ist identisch mit Material das dort in römischen Bauten verwendet wurde. Sie könnten also, oder sind eher sehr wahrscheinlich, aus römischen Bauten in Zweitverwendung eingebaut worden. Die weißen Steine in der Fassade stammen zum Teil ebenfalls aus Lothringen, aber auch aus dem Mainzer Becken.
Auch Teile des Fundamentes und des Traufgesimmses stammen aus römischen Bauten. Hier wurden zum Teil Klammerbahnen gefunden, aber auch Wolfslöcher.
Das ist der Punkt, an dem ich nun eine Brücke nach Trebur schlagen muss.
In der Nord-Ost-Ecke der Kirche, in der dortigen Eckverquaderung, gibt es einen Stein der ein Loch aufweist. Dieses ist aber inzwischen verschlossen worden, damit sich dort kein Wasser sammelt und Schäden verursachen kann.
In der unsägliche Magisterarbeit zur Laurentiuskirche aus den 1980er wird es durch die Autorin als “Block mit seitlichem Wolfsloch” bezeichnet.
Dieses Loch sitzt im unteren Bereich der Eckverquaderung, also auf der Höhe der römischen Spolien. Nun schrieb das Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation e.V. in der Auswertung: “Die Einführung der Hebezangen erfolgt in der Region erst im Laufe der Mitte des 13. Jahrhunderts, so daß ein solcher Befund durchaus ein Hinweis auf die Datierung des Bauteiles sein kann.”
Dies bereitete mir Bauchschmerzen, denn dies würde eigentlich bedeuten, dass der Großteil des Westbaus aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammen müsste, was aber im Widerspruch zu den Kämpferplatten und Bögen stünde.
Die Untersuchung in Lorsch, und daraus folgend eine kurze Rechereche, zeigt dass es auch zu römischer Zeit den Wolf als Hebewerkzeug gab.
Aber auch alle Werksteine des Traufgesimmses in Lorsch weisen ein Wolfsloch im Schwerpunkt auf und sind durchgehend mit in Blei gegossenen Eisenklammern verbunden. Man hatte also römische Bautechniken angewendet. Katarina Papajanni schließt daraus das auch die Karolinger noch den Wolf zum Heben der Steine genutzt hatten.
Somit ist die Idee eines Steins in Trebur mit möglichem Wolfsloch, der aus dem 13. Jahrhundert stammen würde, hinfällig. Aber karolingisch kann er nicht sein, denn sonst wäre das Wolfsloch auf der Oberseite, so verbaut wie gedacht, und nicht nach Westen gerichtet. Es wäre also anzunehmen, dass dieser Stein, wie so viele in der Treburer Laurentiuskirche, ebenfalls römischen Ursprungs ist! Solche Steine mit sichtbarem Wolfsloch finden sich auch an anderen Gebäuden, wie am Dom in Modena in dem im 11. Jahrhundert ebenfalls römische Spolien verwendet wurden
Der Bauherr
Doch zurück zu Lorsch. Wir haben also eine Datierung, die akkurater ist als alles, was es vorher gab.
Zur Erinnerung. Die ersten Datierungen sahen Karl den Großen als Urheber der Torhalle, als er frisch zum Kaiser gekrönt aus Italien zurückkehrte und dabei langobardische Handwerker im Gepäck gehabt haben soll.
Dann waren Ludwig der Deutsche und sein Sohn Ludwig III. der Jüngere im Gespräch. Ludwig III. ließ den Vater in Lorsch beisetzen, er wurde selbst dort beigesetzt und ließ die ecclesia varia (bunte Kirche), die Gruftkirche errichten. Eine der Ideen dabei war das sich “bunte Kirche” auf eine mögliche optische ähnliche Gestaltung wie die Torhalle beziehen könnte, aber wahrscheinlich waren es dann doch die Ausmalungen, die für den Namen sorgten.
Nun aber die Datierung “um 900”.
Sowohl Herrscher als auch Äbte von Lorsch lassen sich für die Datierung jeweils auf zwei Personen eingrenzen.
Auf Seiten der Herrscher ist dies Arnulf von Kärnten, letzter Kaiser der ostfränkischen Karolinger, der sich zudem immer weiter dem Klerus annäherte und diesem den weltlichen Fürsten bevorzugte.Ab 900 ist dann der unmündige Ludwig IV. das Kind unter Führung von Hatto I. von Mainz Regent.
Die Seite der Äbte von Lorsch weist ebenfalls eine Beeinflussung durch den König auf. 895 wird auf der Synode von Tribur Bischof Adalbero von Augsburg die Leitung des Klosters Lorsch wegen Mißständen übertragen1 Wikipedia fügt nun noch einen Abt Liuther ein, im virtuellen Klosterarchiv von Lorch ist dagegen Adalbero von 895 bis 900 als 12. Abt geführt, gefolgt von Hatto I. der als 13. Abt. bis zu dessen Tod 913 für das Kloster handelt. Beide sind enge Berater Arnulfs und später Berater und Erzieher Ludwigs IV.
Während ich über Bautätigkeiten Adalberos nichts fand, ist Hatto als reger Bauherr bekannt. So baute er St. Georg in Reichenau, nachdem er in Rom, wo er 896 bei der Kaiserkrönung Arnulfs anwesend war, Georgsreliquien erhielt. Der Alte Mainzer Dom, die heutige Johanniskirche in Mainz, wurde durch ihn entweder neu erbaut oder zumindest umgebaut.
Wirklich ironisch ist es wenn Binding zur Torhalle fast schon nebenbei schrieb: “…So werden stilistisch verwandte Ornamente gefunden an den Bronzegittern des Aachener Münsters,
in Trier, auf dem Hatto-Fenster (891-915) und an einem Denkmal aus St. Alban
im Kreuzgang des Domes zu Mainz… 2
Binding nimmt dabei Bezug auf das florale Muster an der Unterseite des Hatto Fensters ( Abbildung hier https://www.dommuseum-mainz.de/wp-content/uploads/2013/04/PS00114-Hatto-Fenster_ohne_Hintergrund-klein.jpg ) und stellt die Verbindung zu einem ähnlichen floralen Moster an der Torhalle, das Untergeschoss von Obergeschoss trennt. ( Hier im Bild https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lorsch-Karolingische_Torhalle-18-gje.jpg )
Das ewige Fuß Dilemma
Abschließend noch etwas zum langobardischen Fuß in der Torhalle.
Was Bemaßungen zu Datierungen zu nutzen angeht, werde ich im Moment immer skeptischer.
Auch Hecht hatte in seiner Abhandlung zur Sylversterkapelle Goldbach Lorsch erwähnt und die verschiedenen Bemaßungen zu Lorsch zusammengefasst: Zunächst war es Adamy der 1891 einen römischen Fuß mit 26,64cm vorschlug, naachdem der Bau 36 ½ x 24 x 24 Fuß große sei. Doch schon Behn sah 1934 das als Falsch an weil einfach soviel gerundet werden müsste das diese Idee nicht passen konnte.
Fuchs war es der 1929 die Raumverhältnisse “fast genau” dem goldenen Schnitt entsprechend sah. Problem: Damit diese Aussage stimmt, müsste in der Breite 10cm abgezogen oder in der Länge 16cm hinzugefügt werden.
Behn war es dann 1934 der den langobardischen Fuß aufbrachte. Nach Hecht war er in einigen Abmessungen aber unschlüssig (5 ½ od. 5 ⅔ Fuß Scheitelhöhe Bögen) und einmal gab er eine Säule mit 7 ⅛ Fuß an, die aber 7 ½ Fuß hätte sein müssen womit er, so zumindest Hecht, den unterschied zwischen Soll und Ist-Maß auf +6/-2cm drücken kann.
1938 schaltete sich dann Arens ein er sah den Bau durch ein”dezimales Maßsystem” bestimmt.Er lehnt den langobardischen Fuß ab und kam wieder zu einem römischen Fuß, nun aber mit 29cm.
1954 nannte von Jurascheck als “Norm” der Fassade ein Quadrat von 13,5 Fuß bei einem Fuß von 29,4cm.
1964 meldete sich Arens nochmals zu Wort. Diesmal mit einem “reduzierten römischen Fuß” von 29,1cm.
1971 war es wieder der langobardische Fuß als “Pes Luitprandi” mit ca. 28,5-29cm und dem daraus abgeleiteten Cubitus mit 43-43,6cm ( 1 ½ Fuß) diesesmal von Kottmann.
Mir erscheint hiernach alles gleich sinnvoll oder gleich weniger sinnvoll. Es scheint als wenn ein Fuß verwendet oder vielleicht sogar erfunden wird (ich will niemandem etwas unterstellen) um eine entsprechende Datierung oder Baumeister zu manifestieren. Ähnliches hatte ich bereits einmal erlebt was die Datierung von Kapitellen angeht. Witziger Weise war es vormals erwähnte Arens (siehe dazu hier den Abschnitt zu den Kapitellen) der seine Daitierungsprobleme hatte.
Link: http://www.regesta-imperii.de/regesten/20-18-1-augsburg/nr/d6fde48a-66a1-46ed-b79a-1cd2b631f1a3.html?tx_hisodat_sources[action]=show&tx_hisodat_sources[controller]=Sources&cHash=88749425d4ad8e3b38090655dd39576f#rinav ↩
Günter Binding, die Karolingische Königshalle in die Reichsabtei Lorsch S274 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…