Glamping statt Camping II – Auf der Suche… Teil 1
Inzwischen gibt es eine Veränderung meiner Situation, was Zelte betrifft. Das lässt mich noch einmal einen Blick auf sie werfen, zudem hatte ich bei dem letzte Artikel “Glamping statt Camping” noch einige Sachen im Hinterkopf, die ich nicht ausformuliert bekam, bzw. nicht an dieser Stelle einbringen wollte.
Zunächst einmal möchte ich klarstellen das es mir vollkommen Wurst ist wer welches Zelt besitzt und wie dies Aussieht, aus welchem Material es ist usw. Ich will also niemandem sein Zeug schlecht reden und mich am Ende hinstellen und sagen: “Das ich scheiße, das basiert nicht auf den Quellen. Niederbennen wie Steckstühle!” Ich bin nur neugierig und will wissen warum etwas so ist, wie es nun im Moment eben ist. Eben warum sehen die Zelte heut so aus , wie sie eben aussehen.
Das moderne Geteld
Käuflich erwerbbar sind in aller Regel für den karolingischen / frühmittelalterlichen Zeitraum Zelte die unter den Namen “Geteld”, “Sachsen- / Saxon- / Anglo-Saxon Zelt”, “Doppelglockenzelt” oder “Normannenzelt” lieferbar sind. Ihr Unterschied ist meistens nur die Ausprägung der “Tasche” zur Aufnahme der Firststange oder die Anzahl der Segmente die die Apsiden bilden. Der Name Geteld ist dabei nur ein Stellvertreter und bedeutet in altenglischen Quellen lediglich allgemein “Zelt”. Wie also diese Zelte tatsächlich genannt wurden und ob sie überhaupt einen speziellen Namen hatten ist unbekannt.
Unterschiede bei diesen Zelten gibt es neben der Tasche der Firststange aber auch in der Eingangsvariante. Üblich ist in aller Regel ein Zugang über die Längsseite, die als Sonnensegel hochgeklappt werden kann. Im Gegensatz dazu zeigen die historischen Abbildungen immer, bis auf eine Ausnahme auf die ich im nächsten Teil zurück kommen werde, einen Zugang über die Schmalseite (Apside).
Die heutigen Zugänge sind wohl auch auf das Bedürfnis zurückzuführen, das eingerichtete Zelt zeigen zu können und ebenso einen geschützten Vorplatz zu bieten.
Während ich nun begann über Zelte und deren Schnittmuster Gedanken zu machen, kam in mir die Frage hoch, woher eigentlich die Vorlage für die Zelte kam. Grund ist die Darstellung der “Apsiden” in den Handschriften, denn sie erscheinen nicht wirklich wie Apsiden der heutigen käuflich erwerbbaren Zelte. In den Abbildungen der Handschriften scheinen die Apsiden kaum ausgeprägt, man kann ihre Form kaum erkennen, der Übergang zwischen Langsseite und Apside erscheint kaum vorhanden. Im Utrechter PSalter kann man sogar erkennen das es scheinbar gar keine gerade Längsseite gibt. Das Zelt erscheint im Grundriss eher eiförmig oder oval. Also an allen Seiten leicht gewölbt.
Da es wohl ein zu schweres Unterfangen war herauszufinden, wer denn das erste moderne Geteld gebaut und vertrieben hatte, verlegte ich mich auf die zeitliche Suche nach Vorbildern, die näher liegen als etwa der Utrechter Psalter oder Harley Psalter und die als Vorlage gedient haben könnten..
Es dauerte ein ganzes Weilchen, aber nach und nach kam ich der Sache auf die Spur.
Ich fand ein Bild von Wilhelm II, noch als Prinz steht er beim militärischen Biwak vor einem ähnlichen Zelt. Zwar ähnlich, aber nicht ganz, denn es scheint tatsächlich keinen Firstbalken zu besitzen und ist seitlich abgespannt. Aber es war der richtige Weg. Und dann waren sie plötzlich da! Französische Militärzelte des 18. und 19. Jahrhunderts. Mit einer Apside, mit zwei Apsiden, Mit Öffnung in der Apside, Mit Öffnung wie bei den käuflich erwerbbaren “Händlerzelten”. Alles da. Je nach Größe des Zeltes mit oder ohne Firststange.
Diese Zelte waren aber auch in England unter dem Namen Britisch Common Tent bekannt. Diese wurden von Lewis Lochee in “An Essay on Castrametation” (London, 1778) beschrieben. Darin notiert Lochee unter anderem auch ihre Größe eines Zeltes mit einer Apside:
These tents are fixed by means of three poles and 13 pegs: the poles A are called standard poles, and are about 6 feet high; the
pole B is called ridge pole, and is about 7 feet long: the ridge and standard poles are held together by two iron pins, and fixed in the top of
the standard poles. These are the dimensions of the tents far the infantry : those for the cavalry are of the same form, but more spacious, especially behind, to contain the fire arms (…)1
Im Text von Lochee werden für dieses Zelt 5 Personen eingerechnet. Es gab Zelte in denen man aber auch mehr Männer untergebracht wurden. Dabei schlief man mit dem Kopf an der Zeltwand der Langseite, die Füße ragten in die Mitte des Zeltes. Hier lagen die Soldaten wie die Ölsardinen alternierend. Einer an der oberen Seite, der nächste von unten kommend, dann wieder von oben und so weiter. Als Decke diente der Regimentsrock und die Füße wurden in den Knapsack (Proviantbeutel) gesteckt.
Die Apsiden des Zeltes dienten zum Kochen, oder zur Ablage der Waffen. Vorallem bei den etwas größeren Zelten der Reiterei. Es gibt sogar eine Anleitung, wie diese Zelte gefaltet werden müssen. ( Apsiden nach innen Klappen, damit ein Rechteck entsteht und zusammenfalten.Die gesteckten Zeltstangen auseinander nehmen und Plane drumherum wickeln.) So etwa in Heinrich Medicus “Was ist jedem Officier während eines Feldzugs zu wissen nöthig. Mit zehen Kupferplatten” (Karlsruhe 1788). Interessanterweise waren diese Zelte auch zum Teil eingetieft, d.h. ähnlich wie bei einem Grubenhaus wurde eine Grube ausgehoben, auf der dann das Zelt platziert wurde.
Der Maler Auguste Raffet ( 1804-1860), der retrospektiv die Zeit der Napoleonik malte, hat so gar so ein Zelt von innen gemalt. Diese Zelte wurden auch in die Britischen Kolonien , bzw. die USA exportiert und dort vereinzelt im Unabhängigkeitskrieg und im Bürgerkrieg verwendet.
Zwar gibt es Reenactment bereits bei den Römern, aber ein richtiger Boom kam in den USA mit dem Bürgerkriegsreenactment. Somit wurde es nötig, diese Zelte auch für die Encampments wieder zu nutzen. Über das Bürgerkriegsreenactment, schwappten die Zelte wieder zurück nach Europa. Da bot sich die optische Ähnlichkeit der Soldatenzelte an um sie im Frü-Mi Reenactment als “Getelt” zu verwenden.
So verkauft dann auch die Firma Tentsmith.com aus den USA ein “French Double Belled Wedge” Zelt (Link:https://www.tentsmiths.com/product/french-double-belled-wedge/ ) und schreibt dazu (mit Foto) “This tent is derived from a photo of a number of tents in a camp setting, circa American Civil War. But the (sic) work incredibly well in Medieval settings(…)”.
Letztendlich bedeutet das , dass das was heute als Geteld nutzen, eigentlich ein Zelt ist das in dieser Form für das Bürgerkriegsreenactment wiederbelebt wurde. Und spätestens da sollte Baumwolle sogar A sein.
Diese Erkenntnis führte dazu, mich noch einmal tiefer mit dem Zelt der Abbildungen auseinanderzusetzen und deren Formgebung für mich neu zu denken. Dazu dann im nächsten Teil mehr.
Lewis Lochee, An essay on castrametation 1778 ↩
Hi, ist schon länger her aber
ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt.
http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf
Grüße
der Uhl