Wer war eigentlich dieser Widukind und was wurde aus ihm?
Das ist wieder einer dieser doofen Fragen, aber durch die Dreharbeiten zu “Die Sachsen” und meiner “Taufpatenschaft” zu Widukind ist mir eigentlich bewusst geworden, wie wenig ich doch über den Dux der Sachsen weis und wollte das hiermit ändern.
Wir kennen zunächst Widukinds Namen, oder auch nicht! Denn der Name Widukind ist ein Kenning. Eine lyrische Umschreibung eines Begriffs, die im Germanischen sehr beliebt ist. So wie Beowulf, Bienen-Wolf bedeutet und damit den Bären meint, ist Widukind aus Wald-Kind zusammengesetzt und bedeutet Wolf. Es könnte also durchaus sein, dass Widukind ursprünglich nur ein “Nom de Guerre“ war, oder ein Ehrentitel, den er sich durch seine Kämpfe gegen die Franken verdient hatte.
So sieht John Hines1 in Widukind mehr als nur einen Großen der Sachsen, oder einen Widerstandskämpfer gegen die Franken. Nach Hines war er vielleicht auch ein religiöser Führer oder eine Art Prophet.
Auch die Bezeichnung als dux in karolingischen Quellen wirft Probleme auf. Was heute so einfach als Herzog übersetzt wird, kann im 8./9. Jahrhundert verschiedene Bedeutungen haben. Aus dem Römischen kommend war ein dux der Verwalter einer Grenzregion. Bei den Karolingern konnte ein dux aber auch Heerführer sein, der nur für einen bestimmten Feldzug zum dux ernannt wurde. Hinzu kommt das Problem, dass wir nicht wissen, wie weit die Franken über die Führungs- und Herrschaftsstrukturen der Sachsen im Bilde waren. Sie könnten daher einfach einen Begriff gewählt haben, der ihrem Verständnis nach dem am nächsten kam.
Und um das Ganze noch ein wenig verwirrender zu machen: Die Annalen nennen für Widukind keinen Titel, sie bezeichnen ihn nur als einen Großen! Erst die 839 bis 849 entstandene Vita Liudgeri bezeichnet Widukind als dux.2
Anfang der 770er Jahre hatte Karl einen Zweifrontenkrieg begonnen. 772 hatte er die Eresburg erobert und die Irminsul zerstört, 773 geht es gegen die Langobarden. In den kommenden Jahren pendelt er immer wieder zwischen Norditalien und Sachsen hin und her, wobei Worms der Dreh- und Angelpunkt ist.
775 war Karl hart gegen die Ostfalen und Engern vorgegangen. Zwar schlagen die Westfalen noch einmal heftig zurück, aber im kommenden Jahr kapitulieren die sächsischen Edlinge. Auf dem Papier wird Sachsen zur Mark. Wahrscheinlich war Widukind an all diesen Aktionen beteiligt, nur hören wir nichts von ihm.
Erst 777 wird er zeitnah das erste Mal in den Reichsannalen erwähnt. Karl hat die Großen der Sachsen nach Paderborn einbestellt. Alle waren erschienen. Nur ein gewisser Widukind, ein Großer aus Westfalen, nicht. Er hatte sich zum Dänenkönig Sigfrid abgesetzt. 778 dann, Karl hatte versucht in Spanien Fuß zu fassen und eine bittere Niederlage erhalten, kommt es zu einem Angriff der Sachsen auf Paderborn. Es liegt nahe Widukind dahinter zu vermuten, aber wir wissen es nicht.
Die Sache endete mit der Schlacht von Laisa und Battenberg, von der ich hier bereits schrieb: Schlacht von Laisa: eher Scharmützel? – Tribur.de.
Doch bei allen Schlachten, dem Süntel, der Schlacht an der Hase wird Widukind nicht erwähnt, seine Teilnahme aber angenommen.
Nach den Reichsannalen hatte Karl 784 beschlossen dem Sachsenkrieg ein Ende zu bereiten und zog durch Westfalen bis an die Weser, sein gleichnamiger 12 jähriger Sohn Karl der Jüngere führte ein zweites Heer und traf dabei auf das Hauptheer der Sachsen und konnte es vernichten. Den Winter verbringt Karl mit seiner Familie auf der Eresburg und führt den Feldzug im kommenden Jahr weiter. Als er höhrt das Widukind und dessen Verwandter und Heerführer Albion (auch Abbi, Abbio oder Abbion) in der Nähe sind schickt er Boten, so die Annalen. Widukind und Albion unterwerfen sich, aber so einfach macht es Karl den Beiden nicht. Widukind und Albion sollen sich taufen lassen. Am kommenden Weihnachten. Aber nicht in Paderborn, was ja in der Nähe läge und das explizit der Sachsen Mission diente. Nein, die Sachsen werden nach Attigny genötigt. Dies zwingt die Sachsen, mal gute 500km durchs Reich zu reisen.
Man darf dabei nicht vergessen das Widukind und seine Leute noch Heiden waren. Heiden die offen durchs Land zogen waren quasi Freiwild. Es ist daher anzunehmen, dass die Sachsen unter einem persönlichen Schutz Karls standen.
Nach Widukinds Taufe verschwindet dieser aus den Quellen. Erst später, etwa in der Mathilden Vita oder der Sachsengeschichte Widukind von Corvey taucht er wieder auf, jedoch meist, um eine entsprechende Ahnenreihe zu konstruieren. Auch die Tradition, er sei in Enger begraben, stammt erst aus dem 11. Jahrhundert. Zwar stammt wohl die Datierung der dort gefunden Skelette im Altarraum, aber dies könnte eigentlich jeder beliebige Stifter jener Zeit gewesen sein. Zumal das der jüngste der drei miteinander verwandten Toten, der auch als erstes hier christlich bestattet wurde, bereits spätestens 775 christlich bestattet wurde, was eigenartig ist und zeigt, dass um Enger das Christentum bereits verbreitet war.3
Gerd Althoff hat nun seine eigene Theorie um die weiteren Geschehnisse um Widukind. Dieser war sicherlich vor seiner Taufe in militärische Bedrängnis geraten. Ihm blieb also nur die Wahl, sich Karl zu ergeben und auf dessen “christliche Gnade”, wie auch immer diese aussehen würde, zu hoffen oder militärisch unterzugehen und dem sicheren Tod anheimfallen.
Das Ergeben und die damit verbundene Gnade nicht unbedingt mit einem neuen Posten innerhalb des karolingischen Imperiums verbunden sein musste, zeigt sich wenig später bei Tassilo III. oder auch Karls eigenem Sohn Pippin dem Buckligen.
Und prompt taucht im Reicheneauer Verbrüderungsbuch ein “UUituchind” auf, der um 825 als einfacher Mönch starb und nicht die Priesterweihen erhalten hatte. Althoff vermutet nun das Widukind auf die Reichenau ins Exil geschickt wurde. Zumal in einer der Listen über diesem Widukind, der Name “Dominator” auftaucht. Ein Name, der nördlich der Alpen gar nicht und karolingischer Zeit nur im italienischen Nonantola auftaucht.
Die Karolinger verwendeten ihn jedoch für einen Gewaltherrscher. Demnach wäre es ein Titel für die in der nächsten Zeile folgende Person. Also dominator Widukind.
Auch wäre die Reichenau wegen ihrer Insellage der perfekte Ort gewesen um einen politischen Gefangenen wegsperren und zudem wäre es entsprechend weit von Sachsen entfernt gewesen.
Demnach hätte Widukind bei seiner Taufe etwa um die 30 gewesen sein können und bei seinem Tod etwa 70 Jahre alt.
Dieser Theorie widerspricht Eckardt Freise in “Widukind in Attigny”. Für ihn widerspräche das „Wegsperren“ des Täuflings Widukind dem Sinn der Taufe, mit der die Sünden vergeben werden und Widukind somit in ein neues , reines, christliches Leben starten könnte. Demnäch verböte sich ein Vergleich mit Tassilo und Pippin. Andererseits schließt auch er nicht aus das Widukind vielleicht freiwillig ins Kloster eintrat, zudem könnte wie immer die Ausnahme die Regel bestätigen und Karl dennoch Widukind ins Kloster geschickt haben.
In der Vita Ludgeri Altfrids (Entstanden 839-849) wird Widukind wieder erwähnt. Er soll 797 einen Mann wegen Pferdediebstahls nach sächsischem Recht gesteinigt haben lassen, die vermeintliche Leiche aber auf bitten Luidgers diesem zur christlichen Bestattung übergeben haben, womit Luidger dem Schwerverletzten das Leben rettete.
865 Erreicht uns dann in der von Fuldaer Mönchen Rudolf und Meginhart verfasste “De miraculis sancti Alexandri “ die Nachricht Widukind habe einen Sohn namens Wigbert gehabt, der wiederum den Sohn Waltbert, Graf im Lerigau hatte, der auch den Text der Translatio in Auftrag gab. Waltberts erstgeborener Sohn ist Wigbert, Bischof von Verden, ein weiterer Sohn ist Reginbert. Später erzählt uns Widukind von Corvey in seiner Sachsengeschichte den Rest der Genealogie. Demnach hatte Reginbert einen Sohn namens Dietrich, der mit einer Reinhild verheiratet war. Das gemeinsame Kind war Mathilde, Ehefrau König Heinrich I. , dem ersten sächsischen König des Ostfränkischen Reiches. Somit war dann die Linie Widukinds in die Königsgenelogie integriert.
Erst die Kaiserchronik aus der Mitte des 12. Jahrhunderts schreibt dann über den Tot Widukinds. Er sei vomS chwager Karls des Großen, Gerold von Schwaben, erschlagen worden. Gerold war bereits 799 im Kampf gegen die Awaren gefallen. Wäre dies korrekt wäre er also zuvor gestorben, Dann dümpeln noch das Jahr 807, 817 und noch einige weitere durch die Sagenwelt.
Letztendlich bleibt zu sagen, dass man von dem Topfeind Karls des Großen, der mythischen Gestalt der Sachsenkriege schrecklich wenig weis. Nicht mal Einhard erwähnt ihn. Vieles ist sicherlich Fantasie der Autoren. Der Stammbaum scheint allerdings nicht angezweifelt zu sein.
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…