Karolinger und Adventsfasten
Die Tage werden merklich kürzer und in den Supermärkten gibts schon wieder eine ganze Weile Lebkuchen. Es sind die untrüglichen Zeichen, dass Weihnachten näher rückt. Das war für mich der Grund mit Festzeiten und Fasten zu beschäftigen. Ich dachte, das lässt sich mal gut bewältigen, aber tatsächlich stürzte ich da in ein Rabbit-Hole. Die Einbildung, die Adventszeit als homogene Fastenzeit zu verstehen, wie sie bis 1917 für Katholiken galt, bröckelte für das karolingische Frühmittelalter. Aber fangen wir von vorne an.
Fasten ist keine Geschichte die das Christentum oder eine andere Abrahamitische Religion, also Judentum, Christentum und Islam, erfunden hätte. Fast alle Religion kennen den Verzicht auf Nahrung allgemein oder bestimmte Nahrungsmittel zur Buße, Reinigung und Vorbereitung auf bestimmte Ereignisse.
Als sich also dasChristentum heraus bildete konnte es auf eine Vielzahl von Vorbildern, vor allem aus dem Judentum und römischen Riten zurückgreifen.
Osterfasten
So gab es im dritten Jahrhundert oft eine 6-Tage-Karwoche. Im 4. Jahrhundert veränderte sich dann. 329 wollte Athanasius von Alexandria noch das 6 Tage Fasten, 330 empfahl er, dann schon ein 40 tägiges Fasten vor Ostern.
Gregor der Große (+604) hätte gerne 42 Tage gefastet, also 7 Wochen, bei denen die Sonntage ausgenommen waren. Doch 7 Wochen war den Römern zu lange und man beließ es bei 6 Wochen, ohne Sonntage, was 36 Tage Fasten ergab. Anfang des 8. Jahrhunderts hängte man 4 Fastentage an um wenigesten auf die magischen 40 Tage fasten, entsprechend Jesus Fastenzeit in der Wüste, zu kommen. Die Fastenzeit begann nun an dem Tag den wir Aschermittwoch nennen. Von hier aus nahm der Siegeszug des 40 tägigen Osterfastens im Westen seinen Lauf.
Als Gregor II. 715 die Liturgie zur Fastenzeit neu ordnete, hatten sich die 40 Tage bereits etabliert.Das aber der Westen nun auch am Samstag fastete, war der Ostkirche ein Dorn im Auge und war einer der Streitpunkte von Ost- und Westkirche.
Erste Regelungen zum Fasten im Advent
Die vorweihnachtliche Advents begann am 11. November, mit St. Martin. Die Ostkirche wählte dagegen den Philippus Tag , den 15,. November als Start und wurde mit der Etablierung Weihnachtens als kirchlichem Hochfest im 4. Jahrhundert eingeführt. Die zweite Synode von Macon 581 sieht im 9. Kanon für die Fastenzeit drei Fastentage pro Woche vor: Montag, Mittwoch und Freitag.
Gregor der Große wies im späten 6. Jahrhundert dann auf eine Adventszeit mit 4 Advenstsonntagen hin , die dann die auch so umgesetzt wurden. Doch je nach Zählweise, entstehen aus der Frage ob der 24. Dezember auch als 4. Adventssonntag vertretbar wäre oder ob Zwischen 4. Adventssonntag und Weihnachten mindestens ein weiterer Tag liegen müsse. Dieses Problem entstand durch die klassische Einteilung der Tage, nach dem der neue Tag bereits am Abend mit der Dunkelheit begann und nicht erst, wie heute, um 0:00 Uhr. Gregor aber erwähnt aber dann keine Fastentage mehr.
Aber selbst wenn ein Fasten fest angeordnet war, wie für die Zeit vor Ostern, war nicht immer klar, wie zu fasten war.
Zu welcher Uhrzeit ist zu fasten?
Wie lange war etwa war am Tag zu fasten und gab es ein Fastenbrechen?
Musste bis zum wirklichen Sonnenuntergang oder zur nona, der neunten Stunde, gerechnet ab dem Sonnenaufgang ( z.B. 6 Uhr Sonnenaufgang -> 15 Uhr nona ) gefastet werden?. Der Autor Quintus Septimius Florens Tertullianus, kurz Tertullian, beschwerte sich in seinem Werk über das Fasten “De jejunio adversus psychicos” im 2. Jh. das die Orthodoxen Christen nur bis zur non fasteten, er jedoch der alten Methode , also dem Fasten bis zum wirklichen Sonnenuntergang, treu blieb.
Es ist nur schwer für das Frühmittelalter gute belastbare Quellen aufzutun. Tatsächlich wurde im Westen die Vielzahl der unterschiedlichen Fastenregeln erst ab dem 10. Jahrhundert gesammelt und schriftlich zusammengefasst. So etwa von Burchard von Worms (965-1025), der ältere Quellen aus Konzilien und der Kirchenväter sammelte.
Aus diesen Sammlungen entstanden die Fastenregeln die im Hochmittelalter Anwedung fanden und dann bis 1917 galten.
Zu jener Zeit aber, dem beginnenden Hochmittelalter, fanden auch Lockerungen des Fastenrechts statt. Die neunte Stunde wurde nicht mehr ab Sonnenaufgang berechnet, sondern orientierte sich nun am Morgengebet/Frühmesse, die die Benediktinier um 3:00 Uhr begingen. Somit war die neunte Stunde bereits in der Mittagszeit erreicht. Zu dem führte man die collatio ein, ein leichtes Abendessen.
Fasten sollte keine Selbstkasteiung sein
Fasten war je doch kein reiner Selbstzweck der Selbstkasteiung. So zitierte Origines (+253) einen apokryphen Apostelspruch: “Selig ist ,wer auch darum fastet, dass er die Armen speise”. So schlägt auch Eusebius von von Alexandrien (6. Jh.) vor, das das Geld das man an Essen trinken Spare, den Armen zu Gute kommen lasse. Auch wurde übertriebene Enthaltsamkeit immer wieder kritisiert und bekämpft, da man der Meinung war, dass Gott die guten Dinge der Welt den Menschen zum Genuss gegeben hatte.
Fasten zur Adventszeit in der Karolingerzeit
So sehr die Zeit Karls des Großen mit ihren Kapitularien von der Verschriftlichung der Gesetzte zeugt, genauso wenig notiert zum Fasten.
782 hatte Karl sich dann doch in Form eines Kapitulars , dem “Capitulatio de partibus Saxoniae” zum Fasten geäußert. Dieses Gesetz war nötig geworden, um den Sachsen das Christentum eintrichtern.
Den feinen philosophischen Spitzfindigkeiten, die in der Antike über das Fasten geschrieben wurden fallen hier gänzlich unter den (Ess-)Tisch, wenn er unter Punkt 4 schreiben lässt:
Sterben soll, wer die vierzigtägigen Fasten vor Ostern in Verachtung des christlichen Glaubens bricht und Fleisch isst. Aber es soll vom Priester geprüft werden, ob er nicht durch Not gezwungen war, Fleisch zu essen.
Über Weihnachten aber, lässt Karl uns nichts wissen.
Es herrschte also ein gewisser Pragmatismus. Fasten war verpflichtend, es konnte aber jemand aus speziellen Gründen vom Fasten ausgenommen werden. Karl verließ sich in religiösen Fragen auf seine Berater und so auch in diesem Kapitular. Er überlässt es dem Priester zu entscheiden, ob das Essen von Fleisch (Wohl pars pro toto gemeint für ein allgemeines Fastenbrechen) und damit das Fastenbrechen an sich rechtens war. Denkbar für solche Gründe könnten Krankheit, aber auch schwere Arbeit gewesen sein.
Andererseits gibt es einen Hinweis, dass ein Fasten, seien es drei Tage wie in Macon beschlossen , oder etwa eine 40 tägige Adventsfasten vor Weihnachten, keine allgemeine Angelegenheit bei den Franken gewesen zu sein scheint, denn Karl der Große erließ für den 9. und 10. Dezember 810 ( ein Montag und Dienstag) ein allgemeines Fasten. Diese Anordnung übermittelte der Mainzer Erzbischof an Bischof Egino von Konstanz und blieb als Fragment in St. Gallen erhalten. Dies bedeutet aber das das ich Macon festgelete Fasten am Montag wohl bei den Franken nicht mehr weit verbreitet war.
Auch 805, in einem Rundschreiben im ganzen Reich, das durch einen Brief an Bischof Gerbald (Ghaerbald) von Lüttich erhalten blieb, befiehlt Karl als adhoc Maßnahme gegen eine Hungersnot u.a. ein dreitägiges Fasten im Dezember, Januar und Februar.
Für den Dezember waren es der 11., 13. und 15. Dezember 805. Also Donnerstag, Samstag und Montag. Unterbrochen wurden die Fastentage durch Tage normaler Nahrungsaufnahme. Dieses Fasten diente nicht dazu, Lebensmittel zu sparen, auch wenn es das sicherlich bewirkte, sondern es sollte vielmehr Gott milde Stimmen geben, um somit eine bessere Ernte zu erhalten.
An den überlieferten Daten ist zudem festzustellen, das somit weder der Freitag, noch der Samstag ein Fastentag waren, so wie es etwa in der Synode von Macon für den Freitag vorgesehen war, noch der Samstag der im Hochmittelalter als Vortag des Sonntag zum Fastentag gemacht wurde. Die Fastenvorgabe sah im Übrigen vor, völlig auf Fleisch und Wein zu verzichten, sowie das Verbot der Nahrungsaufnahme bis zur neunten Stunde. Auch hier gab es wieder Ausnahmen wie etwa Alter und Krankheit.2 Schon Zuvor hatte Karl der Große, als Reaktion auf die Hungersnöte von 778/79 und 792/93 jeweils ein zweitägiges Fasten verordnet. Im Übrigen ist auch sonst ist die Sitte des 3 tägigen Fastens häufig zu finden, so etwa oft vor Reichsversammlungen.
Ein weiterer Hinweis, dass das Fasten vor Weihnachten in der Karolingerzeit, zumindest im Raum der Franken, nicht weit verbreitet gewesen sein kann, zeigt sich auch im Jahr 1023, wo auf einer Mainzer Synode vor Weihnachten ein 14-tägiges Fasten verordnet wurde. ( Zusätzlich auch 14 tägiges Fasten vor Johannes, sowie Fasten an Vigilien (Nachtwachen vor Feiertagen) , ausgenommen sind Feiertage )3 Hier tritt nun erstmals eine längere Fastenzeit in Kraft.
Erst im Dezember 1038 im Kloster Limburg wird dann endgültig eine vierwöchige Adventszeit wie wir sie heute kennen, beschlossen und somit der erste Adventssonntag auf die Zeit zwischen 27. November und dem 3. Dezember gelegt . In dem vorangegangenen Straßburger Adventsstreit ging es schon nicht mehr um die Frage von 40 Tagen oder 6 Wochen, sondern lediglich um die Frage, ob man im Jahr 1038 den 1. Advent schon am 26. November oder am 3. Dezember feiern sollte. Also letztendlich um die Frage ob der 4. Advent auf den heiligen Abend fallen durfte. In der Entscheidung wurde dann festgelegt das dies möglich war und Weihnachten mit der Vespermesse, die nach heutigen Verständnis noch am 24.12. stattfindet begann. Diese Entscheidung wurde dann auch vom Papst bestätigt. Jedoch halten sich auch hier nicht alle daran. Noch heute fängt im Mozarabischer Ritus (Spanien) und im Ambrosianischen Ritus (Lombardei) die Adventszeit an St. Martin an.
Kriege in der Fastenzeit scheint dagegen noch verpönt gewesen zu sein, denn 833 warfen genau dies Bischöfe Ludwig dem Frommen vor4
Rather von Verona (974) forderte den Verzicht auf Geschlechtsverkehr 20 Tage und Nächte, er betont, dass auch die Nächte dazu gehören, vor Weihnachten, sowie den Verzicht darauf in der Oster- und Pfingstwoche. 5
Ein Fastenvorschrift bezüglich der Lebensmittel überkommt uns von der Synode von Tribur ( 😉 ) von 895. Dort ist vermerkt, dass man sich beim Fasten, außer an Sonntagen oder bei Kriegszügen von Fleisch, Käse, Wein, Met und Honigbier6 enthalten sollte.7 Hier ist bereits zu erkennen das die Kriegszüge in der Fastenzeit, die Ludwig dem Frommen noch vorgehalten wurden, mittlerweile akzeptiert waren.
Die Regel des Chrodegang Bischof von Metz (+766) für Klöster, notierte in seiner Regula canonicorum für die Weihnachtszeit: “Dann sollen sie vom Martinstag bis zur Geburt des Herrn alle auf Fleisch verzichten und bis zur 9. Stunde fasten und an all diesen Tagen im Refektorium essen.”8 auch hier fehlen die speziellen Fastentage Montag, Mittwoch und Freitag. Dafür aber wird durchgehend gefastet ab St. Martin. Jedoch war dies eine Anweisung des Chrodegang explizit an ,Kanoniker gerichtet, also Kleriker an Domkirchen oder Klöster die am Gottesdienst mitwirken.
Fazit:
Zwar scheint es immer wieder Bemühung gegeben zu haben in der Adventszeit eine allgemeine Fastenzeit zu etablieren, jedoch ohne Erfolg. Die Regel des Chrodegang galten nur für hohe Kleriker, die Beschlüsse der Synode von Macon mit drei Fastentage pro Woche, scheinen im Frankenreich keinen bleibenden Nachhall bei der Zivilbevölkerung gefunden zu haben. Fasten im Dezember fand nur als Reaktion auf andere Geschehnisse in Form einer Buße statt, nicht aber wegen der Advents oder Weihnachtszeit.
Eine Buß- und Fastenzeit war sehr wahrscheinlich für ein Fest wie Weihnachten, das unter dem Grundtenor der Freude steht ( der 3. Adventssonntag heißt Besipielsweise gaudete= Freut euch ) zunächst nur schwerlich vermittelbar,9 weshalb es zunächst schlichtweg nicht vermittelbar war.
Der Abschnitt folgt hier komplett den Angaben der Theologischen Realenzyklopädie 1983 Band XI, Lemma Fasten ↩
hier in Gänze folgend: C.Jörg, Die Besänftigung göttlichen Zorns in karolingischer Zeit – Kaiserliche Vorgaben zu Fasten, Gebet und Buße im Umfeld der Hungersnot von 805/06 S43 ↩
Hans-Werner Goetz, Kirchenfest und weltliches Alltagsleben im frühen Mittelalter, Mediävistik Vol2, 1989, S.165 ↩
Hans-Werner Goetz, Kirchenfest und weltliches Alltagsleben im frühen Mittelalter, Mediävistik Vol2, 1989, S.128 ↩
Hans-Werner Goetz, Kirchenfest und weltcliches Alltagsleben im frühen Mittelalter, Mediävistik Vol2, 1989, S.128 ↩
Ja, Honigbier ist Bier das mit Honig gebraut wird, keine Dopplung von Met! ↩
Hans-Werner Goetz, Kirchenfest und weltchliches Alltagsleben im frühen Mittelalter, Mediävistik Vol2, 1989, S.165 ↩
J. Bertram , The Chrodegang Rules – The Rules for the Common Life of the Secular Clergy from the Eighth and Ninth Centuries. Critical Texts with Translations and Commentary S67 ↩
hatte hierzu sogar eine Quelle, kann sie aber im Moment nicht wieder finden ↩
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…