Keine Copyrights für Könige – Das Thronbild Heinrichs II
Im Regensburger Kloster St Emmeram entsteht wahrscheinlich vor 1007 für König Heinrich II. eine prunkvolle Handschrift – das Sakramentar Heinrichs II. bzw. auch bekannt als Regensburger Sakramentar. Eine Prunkhandschrift die in der Ottonik ihres gleichen sucht.
Doch die Geschichte der Handschrift begann viel früher.
Nachdem 853 das Kloster St. Martin in Tours zerstört worden war, wurde von Karl dem Kahlen an einem unbekannten Ort, möglicherweise St. Denis, eine neue Hofschule eingerichtet. Eines der Werke, das die neue Hofschule schuf , ganz in touronischer Tradition, fertigten die Brüder und Mönche Liuthard und Beringer1 für ihren König. Die Prachthandschrift mit einer Größe von 42cm x 33cm, besteht aus 126 Pergamentblättern. Der Einband besteht aus figürlichen Goldblechen, gerahmt von heute 21 Saphiren, 59 Smaragden und insgesamt 108 Perlen verschiedener Größen.
Wie dieses Buch von Westfranken nach Ostfranken und letztendlich nach Regensburg gelangte ist nicht ganz klar. Aber Möglichkeiten gab es viele..
Eine sagenhafte Geschichte berichtet etwa, dass Arnulf von Kärnten einen Vertrauten namens Gisilbert nach St. Denis geschickt haben soll, und um dort Abt Ebulo mit einem Gold durchzogenen Seidentuch, das Arnulf vom byzantinischen Kaiser erhalten hatte, zu täuschen und wie bei einem Zaubertrick die Gebeine des Heiligen Dionysius zu stehlen, die kurz nter dem Tuch verborgen waren 2
Wahrscheinlich aber geschah alles unter anderen Vorzeichen und nicht durch einen Zaubertrick.
Schon im Sommer 888, später noch einmal 895, hatte Odo von Paris Arnulf in Worms gehuldigt.
Odo hatte sich von St. Denis ein kostbares Evangeliar aushändigen lassen, das dem Kloster von Karl dem Kahlen geschenkt wurde. Als Geschenk wurde dieses an Arnulf übergeben. Möglicherweise war diese Handschrift der Codex Aureus.3 Vielleicht bei einer Huldigung, vielleicht auch aus Dank für Arnulfs Sieg über die Nordmänner.
Wahrscheinlich kam auf einem solchen Weg auch das Arnulfs Ziborium in den Besitz des Westfranken, zeigt sein figürlicher Schmuck parallelen zu den typischen Figuren, wie sie auch im Utrechter Psalter zu sehen sind.
So war zunächst die Handschrift Karls des Kahlen von St. Denis in Westfranken in den Besitz des Ostfränkischen Königs und späteren Kaisers Arnulf von Kärnten gelangt.
Wie das Buch nun in den Besitz von St. Emmeram in Regensburg gelangte, berichtet Arnold von St. Emmeram im 11. Jahrhundert. Demnach hatte Arnulf einen Feldzug gegen die Mährer ausgeführt, wobei ein grauhaariger älterer Kämpfer den Gegnern entgegengetreten war und ihnen zugerufen hatte, dass sie gegen den hl. Emmeram selbst kämpfen würden, worauf diese die Flucht ergriffen. Arnulf habe daraufhin dem heiligen Emmeram in Regensburg großartige Geschenke dargebracht, darunter einen Codex, dessen Buchdeckel Arnold genau beschreibt und der identisch mit dem Buchdeckel des Codex Aureus ist.4
![](https://i0.wp.com/www.tribur.de/blog/wp-content/uploads/2024/06/OriganlundFaelschung.jpg?resize=1024%2C654&ssl=1)
Als im Januar 1002 Otto III unvermittelt und ohne Erben in Italien stirbt, schafft es der bairische Herzog Heinrich IV. durch geschickte Winkelzüge und die Unterstützung Erzbischof Willigis von Mainz, als Heinrich II. den Thron zu besteigen. Heinrich II. Urgroßvater war der Gründer der Luidolfingischen / Ottonischen Dynastie Heinrich I. Dieser hatte mit der Tradition der Reichsteilung unter den Söhnen gebrochen und seinen Sohn als alleinigen Erben eingesetzt. Sein Sohn Heinrich dagegen hatte das Herzogtum Baiern erhalten. Diesen Besitzt festigte er, indem er die Tochter des bairischen Herzog Arnulf des Bösen heiratete. Auch verschwor er sich gegen Otto I. Diese Wut auf die regierenden Otton wurde bestimmend für die bairischen Heinriche. Der Vater Heinrichs II. Heinrich der Zänker war daher sogar von Otto II. ins Kloster verbannt worden und Heinrich II. selbst zur Vorbereitung auf die Klerikerlaufbahn nach Hildesheim in die Domschule geschickt worden. Mit dem Tod Otto II. jedoch erloschen dessen Verfügungen und Vater und Sohn Heinrich kamen wieder frei. Nun also hatte ein bairischer Heinrich doch noch den Thron des Reichs bestiegen. ( mehr dazu hier: https://www.tribur.de/blog/2011/03/04/otto-iii-heinrich-ii-und-die-kirche/ )
Bald schon, noch vor 1007, lässt Heinrich II. in St. Emmeram Regensburg eine prunkvolle Handschrift fertigen, die ihn unter anderem bei einer Krönung zeigt und auch ein Thronbild enthält.
Heinrich hatte für seine Regierung ein neues Motto gewählt: “renovatio regni francorum” – “Wiederherstellung der fränkischen Königsherrschaft” oder vielleicht auch als “Make Franken great again” übersetzbar…
In diesem Sinne ist auch nun das Regensburger Sakramentar, wie die Handschrift später genannt wird , zu verstehen. Das Thronbild wird daher nach einer karolingischen Vorlage gestaltet. Es ist der Codex Aureus und das Thronbild Karls des Kahlen, das als Vorlage erhalten muss.
Dabei wird das Thronbild der Zeit angepasst. Der Herrscher trägt nun nicht mehr den fränkischen Schnauzbart, sondern einen dünnen Vollbart, mit dem Heinrich II, immer dargestellt wird. Die Tunika ist länger geworden und nach byzantinicschen Vorbild mit großen kreisförmigen Elementen verziert, ebenso wie der Mantel der nun nicht rot-gold schimmert, sondern klar purpurfarben ist.
Zur Linken des Königs steht noch immer der Lanzenträger, doch dieser trägt nun die Heilige Lanze, so zumindest eine Interpretation der eigentümlichen Flügel, die die ältere Manschette darstellen könnten.
Auch der Schwertträger zur Rechten wurde aktualisiert. Das Schwert besitzt nun einen Paranussknauf, die typischen karolingischen Beschläge sind verschwunden, doch der Gurt umschlingt noch immer genau wie auf dem karolingischen Original das Schwert.
War es bei Karl dem Kahlen noch Gotia und Francia die Karl mit Füllhörnern Gaben dar brachten, sind es nun im neuen Werk Heinrichs II. vier Damen mit Füllhörnern. Dafür mussten 2 Engel aus dem Original weichen. Heinrich zeigt uns die Abhängigkeit der Völker von ihm, die ihm Gaben darbringen.5
Der neu geschaffene Codex wanderte nun in den Regensburger Dom. Aber nur bis 1007, denn dann stiftete Heinrich II. ihn dem neu geschaffenen Bistum Bamberg.
Während nun Heinrich II. nach heutigen Verständnis einen klaren Copyrightverstoß beging ( Ja gut Karl der Kahle war bereits mehr als 70 Jahre tot, aber egal…) , störte das zu dieser Zeit niemand. Dennoch sollte das Original Karls des Kahlen noch einmal zu einem Musterbeispiel in Copyright Fragen werden und wird auch oftmals heute noch bemüht!
1930 verhandelte das Reichsgericht genau über dieses Bild. Zwischen 1920 und 1925 wurde ein Faksimile des Codex vertrieben, das man für schlappe zwischen 1800 Reichsmark erwerben konnte, was laut Bundesbank heute etwa 7740€ entsprechen würde. Also kein Allerweltsbuch!
1928 erschien dann Lieferung 106 des Handbuchs der Literaturwissenschaften / Die romanischen Handschriften des Mittelalters und druckte das Thronbild Karls des Kahlen ab. Und das ohne Quellenangabe!
Man entschied das dies nicht rechtens sei, denn die Schaffenshöhe des des Handbuchs der Literaturwissenschaften sei zu gering um die Abbildung des Bilds zu rechtfertigen und auch wäre das Bild nicht nötig um den Inhalt des Texts zu verstehen, zumal da ja nur Karl auf dem Thron sitzt. Und außerdem ist das keine Literatur was da steht, auch nicht das Widmungsgedicht, sondern nur Karls Ausdruck von Macht, denn:
“Die späten Karolinger und die ersten Kapetinger trugen entweder eine bewußte Abneigung oder eine hochmütige Gleichgültigkeit den Dingen der Bildung gegenüber zur Schau (…)”
Urteil Reichskammergericht BD 130 S.202)
Tja, wenn der Richter Historiker spielt…
E.G. Grimme, Die Geschichte der abendländischen Buchmalerei S.56 ↩
R. Hiestand. Arnulf von Kärnten, der Basileus Leon VI., der hl Dionysius und St. Emmeram in Regensburg S.7 ↩
R. Hiestand. Arnulf von Kärnten, der Basileus Leon VI., der hl Dionysius und St. Emmeram in Regensburg S.11 ↩
H. Bansa, Die Restaurierung des Codex Aureus im 10., im 17. und im 20. Jahrhundert in Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften S.25 ↩
S. Weinfurter, Heinrich II S.79 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…