Der historisch korrekte Flokati-Karolinger?
Ha! Das ist doch mal ne Überschrift und dabei ist sie gar nicht mal falsch, wenn erst einmal in das Thema eingestiegen ist! Aber der Reihe nach.
Ich bekam diese Woche die Frage gestellt, ob denn Karolinger noch Klappenrock trugen. Da ich kürzlich einen Gambeson nähte und hierfür mich zunächst am Klappenrock orientieren wollte, was ich aber aus Gründen bleiben lies (vielleicht schreib ich noch drüber), war ich noch drin im Thema.
Wir kennen zumindest aus der Merowingerzeit Abbildungen von Klappenröcken, und dass dieser auch getragen wurde steht außer Zweifel. Bei den karolingischen Abbildungen wirds etwas dünn und auch nicht eindeutig.So etwa Christus weist im Psalter von Montpellier (auch bekannt als Mondsee Psalter) eine Art V-förmigen Kragen über der Tunika auf. Auch der Psalter von Corbie weist Tuniken mit einer asymmetrischen Schlitzung auf, die man unter Umständen als Kaftan oder Klappenrock deuten könnte. Aber das ist alles recht dünn.
Was nun (Winter-)Mäntel, wie auch immer, angeht gibt es eine Textstelle und die ist recht bekannt:
(…)ex pellibus lutrinis vel murinis thorace confecto umeros ac pectus hieme muniebat, (…) 1
Generell übersetzt als:
Im Winter schützte er seine Schultern und Brust durch ein Wams aus Otter- oder Marderfell
auf Englisch liest es sich ein klein bisschen anders:
and he protected his shoulders and chest in winter by a close- fitting coat of otter or marten skins2
Kurze Anmerkung zwischendrin: murinis übersetzt sich eigentlich als “Mäusefell”, gemeint ist aber Nagetierfell allgemein, meist verschiedene Arten von Marder. Da aber die frühen Historiker Karl dem Großen eine gewisse Volksnähe und Rustikalität zusprachen und Einhard damit nicht hinterfragten, wählte man in der Übersetzung Marder statt Zobel… /Einschub Ende
Während wir als in der deutschen Übersetzung thorace (Ablativ Singular von thorax) , eigentlich Brustkorb, als Wams übersetzt finden, lesen wir im Englischen gleich den Mantel (coat). Das Wams war ursprünglich die deutsche Version des Gambeson von mhd. wambeis (Bauch, daher auch Wampe) aus dem sich später ein eigenes gepolstertes und tailliertes Kleidungsstück der Renaissance entwickelte, das nach und nach seine Ärmel verlor und zur Weste (selber Wortstamm) wurde.
Das es sich bei dem Wams ursprünglich um die “Unterjacke der fränkischen Panzerreiter, die zur Polsterung unter der Rüstung getragen wurde” handelt, wie die deutsche Wikipedia schreibt3 entbehrt jeder Grundlage.
Man kann also annehmen das es sich entweder um eine Art mindestens kurzärmlige, wohl lange Weste oder aber, was wahrscheinlicher ist, einen echten Mantel handelt, zumal es ein Kleidungstück rein für den Winter sein soll und es eher unwahrscheinlich ist , dass Karl an den Armen frieren wollte.. Vielleicht könnte auch eine Verwandtschaft mit der pellicia meliora, („Pelzmantel“ oder gepolsterte Jacke) im Testament des Ekkard von Macon bestehen.
Am wahrscheinlichsten wäre dann der Schnitt eines Klappenrocks. Nun soll Karl Pelz genutzt haben. Es gibt aber noch einen merowingerzeitichen Fund der zeigt, das Fell nicht zwingend notwendig ist!
Es handelt sich dabei um Grab 1 aus den Grabungen von St. Ulrich und Afra. Dort fand man folgendes:
Über den Leinenkleidern trug der Tote einen von den Schultern bis knapp über die Knie reichenden braunen Wollmantel (oder Cape). Auf den Kniescheiben überdeckte der Mantel die Leinenhose. Die Webtechnik des Wollstoffes konnte A. France-Lanord an zahlreichen, über den ganzen Körper verstreuten Resten untersuchen. Es handelt sich um ein grobes, flockiges Gewebe aus Langhaarwolle in regelmäßiger Köperbindung, bei dem die Schußfäden in Abständen von 4-5 mm auf 7-8 cm Länge als Zotteln aus dem Stoff heraustreten (S. 193 f. mit Taf. 58,1). Der halblange Mantel oder Umhang war für einen Berittenen berechnet.”4
Ganz ähnliche Gewebe fanden sich in Haithabu (( z.B. I. Hägg Ausgrabungen in Haithabu Band 29 Textilfunde aus der Siedlung und Gräbern von Haithabu S 90 )
Das in Augsburg gefundene Textil wird auf Tafel 58.1 in einem nachgewebten kleinen Stück gezeigt. Was mich verwunderte, war die Frage, wie die herausgezogenen Schußfäden sich im Gewebe hielten, ohne mit der Zeit heraus zu rutschen. Die Lösung fand ich in Griechenland. Hier gibt es ein Wolltextil bei dem der in Schlaufen liegende Kettfaden aufgetrennt wird. Den Halt erhalten die Fäden im Stoff durch Kochen und Verfilzen. Daraus entstanden die Hirtenmäntel griechischer Hirten. Und der Stoff nennt sich Flokati von griechisch φλοκάτη. Ja tatsächlich Flokati!
Der namenlose, etwa 60 jährige Bischof oder Abt aus Grab 1 von Augsburg trug also etwas, das man vereinfacht als Flokati-Mantel bezeichnen könnte! Sein Schnitt, möglicherweise der eines Klappenrocks, ergibt sich aus dem Fundkontext. Die Person trug hohe Stiefel, die auf Grund ihrer Machart als Reiterstiefel angesprochen werden. Am linken Fuß fand sich der Rest eines Sporns, die Schnalle der Sporengarnitur lag an der linken Wade. Der Mann war also ausgewiesener Reiter. Klappenröcke, bzw. Kaftane werden daher explizit auch als Reitmäntel angesprochen, zumal sie auf dem Pferd praktischer als ein Rechteckmantel sind. Die Zeitstellung Mitte des 7. Jahrhunderts unterstützt dies zudem.
Die Funde ähnlicher, komplexer Textilien über einen langen Zeitraum lässt sowohl die Möglichkeit eines klappenrock-/kaftanartigen Kleidungstücks für Karolinger, als auch die Verwendung des flokatiartiken Stoffes zu. Wobei natürlich zu bedenken ist das dieser Stoff eine aufwendige Herstellung mit sich bringt und mit Sicherheit nicht für jeden geeignet ist, genauso wie Karls Otter-/Mardefell.
Und nein! Das ist kein Plädoyer für Flokati-Schulterbehang-Hörnerhelm-Wikis! Nur das das klar ist! 😉
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…