Das seltsame Jahr 980 und die ominöse Zwillingschwester
Ich habe, was die Rekonstruktion und Situation der Laurentiuskirche in Trebur angeht, einige Probleme. Kurz zusammengefasst.Der Westbau der Kirche ähnelt Mainz, besitzt aber frappierende Analogien zur Klosterkirche Lorch, der Stammgrablege der Staufer. Lorch ist exakt 1,5x größer als Trebur, aber sonst stimmen die Dimensionen des Westbaus und Langauses, nur dass letzteres ein Joch länger ist. Das Konzept des Westbaus Lorch soll aus einer dort geplanten Grablege resultieren, die aber wegen Verzögerungen im Bau im Langhaus entstand. Lorch soll in diesem Bezug ein Vorbild haben. Das kännte dann aber Trebur sein.
Und das wirft wieder die Frage auf, ob der Westbau in Trebur als Memorie für eine dort bestattete Person diente. Nur welche?
Die Staufer beriefen sich gerne auf die Abstammung Mütterlicherseits zu den Saliern. Folglich hatte ich diese im Verdacht. Aus dem salischen Königshaus gibt es nur eine Person, deren Beisetzungsort nicht bekannt ist, aber bei ihr ist Tribur nicht wahrscheinlich. (Siehe das komplette Dilemma hier https://www.tribur.de/blog/2021/11/18/lorch-und-trebur-eine-zusammenfassung/ )
Da ich nun die Regesten für die Tribur Hefte bearbeitete, war ich an einem Abend bei den Regesten der Ottonen und dem seltsame Jahr 980. Diese Zeit habe ich im Blick, weil Trebur zu diesem Zeitpunkt das dos/Witwengut von Kaiserin Adelheid und damit eigentlich für sie vorbehalten war. In diesem Jahr reiste Otto nach Rom und Otto III wurde geboren. Also interessant zu sehen, in welchen Urkunden Adelheid und Theophanu auftauchen um auch deren Aufenthalte ein wenig nachzuvollziehen.
Das Jahr Ottos II beginnt am 6. Januar in Grone. Es geht weiter nach Helfta (28.1.) und Wallhausen (12.2.). Hier erscheint Theophanu in einer Urkunde. Nächster Ort ist Memleben, hier tritt Adelheid auf. Nächster nachweisbarer Ort ist Dornburg am 3.3. wo wieder Theophano in Erscheinung tritt. Die Kaiserin Mutter und Theophanu sind also zu diesem Zeitpunkt im Gefolge.
Am 11.4. feiert der König in Ingelheim Ostern und hält eine Synode ab und am 28.4. urkundet er in Tribur. In dieser Urkunde taucht wieder Theophanu auf.
Wahrscheinlich feierten Theophanu und Adelheid mit Otto II gemeinsam Ostern in Ingelheim, trennten sich dann während der Synode und verbrachten die Zwischenzeit bis zum Eintreffen Ottos in Trebur.
Otto reist im Anschluss nach Margut-sur-Chiers, wo er Mitte Mai mit den Königen Lothar und Ludwig zusammentrifft und man ein Freundschaftsbündnis schließt.Ob die beiden Damen anwesend sind, ist nicht bekannt. Adelheid tritt zumindest für einige Zeit nicht auf.
Ende Juni, Anfang Juli wurde Otto III. im Reichswald bei Kessel geboren. Also muss zumindest Theophano anwesend gewesen sein. Und es war wohl eine Zwillingsgeburt. (Dazu gleich mehr)
Der Reiseverlauf ist nun zunächst etwas verworren. Man weiß nicht, wann man im Reichswald ist, aber man weiß das Otto am1. Juni in Aachen, am 3 Juni in Margut (F), am 4 Juni und 16. Juni wieder in Aachen, am 25.-27 Juli- in Nimwegen und einen Monat später am 25.8 in Magdeburg.Nun reist Otto wieder nach Westen. 8-10.9 Bothfeld, 15.9.-22.9 Wallhausen, Für Oktober notieren die Jahrbücher, dass der Neugeborene Otto III ebenfalls mit nach Rom reisen wird und am 8 Oktober ist man in Trebur.
Wahrscheinlich holt man Adelheid für die Romfahrt in Tribur ab und übergibt die Reichsgeschäfte an Willigis, der auch in einer ominösen Urkunde auftaucht.
In dieser Urkunde bekommt die Salvatorkapelle in Frankfurt (die Pfalzkapelle und der spätere Dom) eine Marcellinus und Petrus geweihte Kapelle und zwar für die Seele ihrer Tochter!
Eine Memorialstiftung also. Zwar fehlt der Zusatz “ beate memorie”, aber nach der Regesta Imperii tut er dies zu dieser Zeit öfters.
Es gibt nun zwei Möglichkeiten. Es handelt sich um eine früher verstorbene Tochter, oder eben um die Zwillingsschwester Ottos III. Wann starb sie? Wo starb sie? Wo wurde sie bestattet? Und wo ist die Kapelle Marcellinus und Petrus, die mit allen Gütern und dem Geistlichen Otmar verschenkt wird? Das steht nämlich nicht in der Urkunde und das ist eher ungewöhnlich!! Sie muss in der Nähe von Frankfurt gewesen sein, dies wäre eigentlich logisch, Seligenstadt ist Marcellinus und Petrus geweiht, aber die gehört zu einem Kloster und hat nicht nur einen Geistlichen Otmar und war bis 1002 reichsunmittelbar bis sie an das Bistum Würzburg geht, mit einer exakten Beschreibung des Gaus usw.! Auch Schalles Fischer schließt Seligenstadt in Pfalz und Fiskus Frankfurt S260 aus.
Eine der Ideen ist, es könnte sich um Wetzlar handeln, hier ist das Problem, dass der spätere Dom eine Salvator Weihung besaß, aber auch eine den heiligen Marcellinus und Petrus. Die Abfolge der Weihung ist aber unklar . Zudem ist diese Kirche keine königliche Eigenkirche, sondern wurde von Gebhard aus dem Haus Konradiner gegründet, allerdings befanden sich Teile des Niederlahngaus im 10. Jahrhundert im Besitz der Ottonen.
Eine weitere Kirche befand sich bei Stockstadt am Main. Hier gab es eine “St. Petrus und Marcellinus in der Felde” Kirche. Sie soll bei der Translation der Reliquien aus Michelstadt nach Seligenstadt entstanden sein, da Einhard mit den Reliquien hier Rast machte. Barbara Demandt nennt als weitere Weihungen der Kirche Laurentius und Anna. Wie übrigens auch Trebur.1
Die verstorbene Tochter und ihre Memoria finden danach nie wieder Erwähnung! Kein Datum, keine Stiftung, kein Grab, nichts!
Aber mit dieser Urkunde vom 8.Oktober und einer vom 11. Oktober verschwindet auch Trebur aus dem Itinerar. Tribur findet aber in der Urkunde von Mühlhausen Erwähnung, in der, durch Adelheid initiiert, Trebur an Mathilde von Quedlinburg persönlich, nicht aber dem Stift Quedlinburg dem Mathilde vorsteht, übergeben wird.
Der nächste Besuch ist dann wieder im Jahr 1000 ein Donnerschlag! Otto III kehrt von Gnesen mit großem Gefolge und Boleslaw I. von Polen zurück und hält sich nach Magdeburg in Trebur auf, um dann nach Aachen zu reisen und das Karlsgrab zu öffnen. Von dort reist er wieder nach Trebur, um nach Italien zu reisen. Ähnlich, also wie es 980 getan wurde. Beim ersten Aufenthalt zeichnet er 2,beim zweiten Aufenthalt 6 Urkunden!
Was könnte geschehen sein? Da kann ich nur laut nachdenken. Was, wenn die Weihung der Pfalzkapelle in Trebur, die zu diesem Zeitpunkt das Witwengut Adelheids war, zu diesem Zeitpunkt eine Marcellinus und Petrus Weihung besaß? Die Laurentiusweihung kam wahrscheinlich erst später, unter Heinrich II . auf.
Starb die Zwillingsschwester Ottos III. in Trebur, oder auf dem Weg dorthin? Konnten auf Grund des Italienzuges keine anderweitige Vorkehrung getroffen werden als das Kind in Trebur beizusetzen, eine Stiftung zum Gedenken, bzw. zur Pflege des Grabes an Frankfurt als königliche Pfalz gemacht werden um dann 895 die Pflege des Gedenkens indirekt an Mathilde zu übertragen? Der Auftritt Ottos III mit Boleslaw könnte dann als Pflege des Gedenkens gewertet werden, um im Anschluss an die Geschehnisse vor Ottos ersten Romzug als Kleinkind noch einmal vor Ort zu Gedenken?
Die Urkunde selbst gibt im Übrigen keine weiteren Hinweise. Auch nicht etwa ein “nostris capellam” für “unsere Kapelle“, woraus man auf eine königliche Eigenkapelle schließen könnte. Aber rein theoretisch hätte es eine Eigenkapelle sein müssen, da sie sonst nicht hätte vergeben werden können.
Urkunde: 229
( C ) In nomine sanctae et individuae trinitatis. Otto divina favente clementia imperator augustus. Notum sit omnibus nostris fidelibus presentibus ac futuris, qualiter nos ob divino intuitu ac pro anima filie nostre ad maiorem capellam que et constructa in Franconofurt ac dedicata in honore salvatoris domini nostri Iesu Christi, donavimus illam capellam que et consecrata in honore sanctorum Marcellini et Petri, cum omnibus ad eam pertinentibus terris cultis et incultis mancipiis pratis pascuis silvis aquis aquarumque decursibus molendis mobilus et inmobilibus , et Otmarum clericum cum omni adquisitu suo et aream in qua ipse clericus habitat. Et ut hoc nostre concessionis preceptum firmum stabileque permaneat, sigillo nostro sigillare iussimus et propria manu subtus firmavimus
Signum domni Ottonis (MF) imperatoris augusti
Hildibaldus episcopus ac cancellarius advicem Uuilligisi archicapellani notavi
Data VIII. idus octobris anno dominice incarnationis DCCCCLXXX, regni Ottonis secundi XX, ipmerii vero XIII indictione VII,; actum Triburie
Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Otto von Gottes Gnaden Kaiser. Es werde bekannt für jetzt und alle Zukunft, dass ,wir zur Einsicht kamen für die Seele unserer Tochter, der großen / Haupt- Kapelle in Frankfurt die in Frankfurt erbaut ist und dem Heiland Jesu Christi geweiht ist, jene Kapelle schenken die den Heiligen Marcellinus und Petrus geweiht ist, nebst allen bebauten und unbebauten Land, mit Knechten, mit Wiesen und Weiden, mit allem Beweglichem und Unbeweglichem, sowie dem Priester Otmar mit seinen Besitzungen und dem Gebiet in dem der Kleriker lebt. Zur Bestätigung dieses Erlasses haben wir angeordnet, ihn mit unserem Siegel zu verstehen und eigenhändig zu bestätigen.
B.Demant Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Hessen südlich des Mains S154 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…