Byzanz, Papst und Franken – eine Chronologie – Teil 3
Die Zeit Karls des Großen
780 stirbt in Byzanz Kaiser Leo IV. Offiziell wird sein etwa 9 jähriger Sohn Konstantin VI. neuer Kaiser, tatsächlich übernimmt aber seine Mutter Irene die Herrschaft.
787 schließt Kaiserin Irene mit König Karl ein Bündnis. Man plant zudem eine Heirat von Karls Tochter Rotrud mit Konstantin IV. Ein Lehrer wird nach Franken geschickt, um Rotrud in griechisch zu unterrichten, aber Irene löst die Verbindung wieder gegen den Willen Konstantins. Grund ist möglicherweise das Vorgehen Karls im Süden Italiens, das noch im Besitz Byzanz ist.
Im gleichen Jahr berief Irene von Byzanz das Zweite Konzil von Nicäa ein, welches nun offiziell nun die Bilderverhrung wieder erlaubt. Byzanz hatte es jedoch versäumt, oder nicht für nötig gehalten, die Franken zu informieren. Diese erhalten von Papst Hadrian I. eine schlechte Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische. Die sinnentstellende Übersetzung liest sich nun so, als müssten zwanghaft Bilder verehrt werden. Etwas das die Franken als Anbetung von Götzenbildern verstehen. 792 wird dem Papst durch den Hofkaplan, Dichter und Diplomaten Angilbert das Capitulare contra synodum übergeben, in dem die größten Fehler angemahnt sind, und Karl lässt das Libri Carolini erstellen. Eine Denkschrift zum Bilderstereit. 794 wird die Sache dann Thema der Synode von Frankfurt. Erst unter Papst Anastasius III. ( Papst von 911-913) erhält Franken eine verbesserte Übersetzung! Diese Mißverständnisse trüben das Verhältnis mit Byzanz.1
Ab 791 führt Karl nun Krieg gegen die Awaren. 795/796 gelingt der entscheidende Schlag gegen die Awaren und führt diese in die Abhängigkeit. Die Feldzüge führen die Franken bis nach Kroatien, dessen nördlicher Teil ebenfalls in Abhängigkeit gerät.
797 lässt Irene ihren Sohn blenden, kurz darauf stirbt er an den Verletzungen. Irene ist nun vollends Kaiserin von Byzanz. Doch weder ist Byzanz begeistert von dem Gedanken, von einer Frau regiert zu werden, noch der seit 795 amtierende neue, aber schwache Papst Leo oder die Franken. Der Papst sieht den Kaisertitel ohne männlichen Kaiser in Ostrom für vakant an. Dies öffnet nun Karl die Tür für den eigenen Kaisertitel.
Nachdem Papst Leo III 799 nach Paderborn geflohen war, weil man ihm nach dem Leben trachtete, man aber hier keine Lösung für Leos Problem fand, wurde er unter Begleitung karolingischer Missi zurück nach Rom geleitet, um die Untersuchungen fortzusetzte. Aber auch dies brachte keine Lösung. Am 24.11.800 traf nun Karl selbst in Rom ein, um eine Versammlung aus Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten und Teilen des römischen Stadtadels abzuhalten.
Kaum bekannt ist der Fakt, dass Karl den Papst am 23.12. zu einem Reinigungseid nach germanischer Rechtsgewoheit zwang.2
Nach diesem Eid beriet die Versammlung, so berichten es die Lorscher Annalen, über die Wiederherstellung des Kaisertums. So heißt es:
“ Da es in den Ländern der Griechen keinen Kaiser mehr gab und sie unter der Herrschaft einer Frau standen, erschien es Papst Leo und allen an der Versammlung teilnehmenden Kirchenvätern sowie dem gesamten Christenvolk angemessen, das nomen imperatoris dem Frankenkönig zu übertragen. Denn dieser besitze Rom, wo stets die Caesaren zu residieren pflegten, außerdem beherrsche er Italien, Gallien und Germanien. Da Gott der Allmächtige diese Länder seiner Autorität unterstellt habe, entspreche es dem Wunsch der ganzen Christenheit, wenn Karl auch den kaiserlichen Titel führe…”
Pierre Riché sieht nun, in dem, was folgt, eine gewisse Form der Rache durch Leo an Karl. In Byzanz schrieb das Hofzeremoniell für den neuen Kaiser zunächst die Akklamation durch Volk und Heer vor, gefolgt von der Krönung und abschließend dem Kniefall des Patriarchen vor dem neuen Kaiser. Leo drehte dies um, so Riché, und stellte sich an erste Stelle. (P.Riché S180 )
Ob dies nun tatsächlich der Plan Leos oder doch der Plan Karls war, so ist Karl die Art des Vorgangs in der Öffentlichkeit der Peterskirche zuträglich. Einhard berichtet , dass Karl überrascht war, als der Papst ihn während der Weihnachtsmesse 800 in Rom zum Kaiser krönte. Diesen Vorgang so darzustellen war auf jeden Fall ein cleverer Schachzug, denn hätte sich Karl selbst zum Kaiser proklamiert , wäre eine Anerkennung durch Byzanz unter allen Umständen verwehrt worden, denn in deren Augen wäre er nur ein weiterer germanischer Usurpator wie einst Odoaker. Auch der Byzantiner Teophanes berichtet, dass die Krönung von Leo ausging, nennt aber Karl selbst nur König. Er akzeptierte also den Titel eines Kaisers für Karl nicht.
801 oder 802 trifft in Konstantinopel eine Gesandtschaft Karls ein, die Irene von der Krönung in Rom informieren soll. 802 erhält Karl die Antwort die “die Festigung des Friedens zwischen Franken und Byzanz” bestätigt.Um den Frieden zu besiegeln schickt Karl noch im selben Jahr eine weitere Gesandtschaft unter Bischof Jesse von Amiens und Graf Helmgaud nach Konstantinopel. 3
Lediglich der byzantinische Chronist Theophanes der Bekenner notiert für 802 einen Heiratsantrag Karls des Großen durch seine Gesandtschaft an Kaiserin Irene, die seine Herrschaft legitimieren sollte. Dieser Antrag ist in das Reich der Legenden zu verbannen.4
Noch während sich die Gesandtschaft in Konstantinopel aufhält, wird Irene abgesetzt und in die Verbannung geschickt. Nikephoros I. wird neuer Kaiser.
Dieser verweigert die von Irene an die Araber ausgehandelten Tributzahlungen und auch die schon länger anhaltenden Konflikte mit den Bulgaren flammen, initiiert durch den Kaiser, wieder auf, da diese in die Freiräume des ehemaligen Awarengebiets drängen.
Nikephoros sendet 803 eine Gesandtschaft an Karl. Gegenstand war wahrscheinlich ein Friedensabkommen, von dem Anzunehmen ist, dass Karl als Bedingung für die Annahme auf die Anerkennung seines Kaisertitels besteht. Es kommt zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Auch die Beziehungen Byzanz zum Papst kommen nun vollends zum Erliegen, in dem der Kaiser dem neuen Patriarchen von Konstantinopel 806 die Anzeige seiner Amtseinführung an den Papst untersagt. Dies wird erst 811 nachgeholt 5
Nun kommt es zum offenen Schlagabtausch zwischen Franken und Byzanz. In Venetien, also dem Rest was vom Exarchat Ravenna übrig geblieben war, unterwerfen sich byzanzfeindliche Parteien Karl, greifen 805 über die Adria Dalmatien an und gliedern es bis 806 ins fränkische Reich ein. Der Fluss Cetina bildet nun an Land die Grenze zwischen Franken und Byzantinern. Obwohl Dalmatien später komplett wieder an Byzanz fällt, kann dieses nie wieder die Kontrolle in Dalmatien erhalten und die Region fühlt sich eher den Karolingern zugehörig. Noch heute gibt es viele Beispiele karolingischer Kirchenarchitektur in Kroatien aus dieser Zeit.
Ende 806 schlägt Byzanz zurück und blockiert mit einer Flotte in der Adria den Seeweg. Karls Sohn Pippin, König von Italien, kann dem nichts entgegensetzen und muss einen Waffenstillstand schließen. Venetien mit Venedig werden wieder byzantinisch, auch wenn sich Venedig schon seit der Mitte des 8. Jahrhunderts erste Schritte zu einer Emanzipation einer zukünftigen Sonderstellung erarbeitet hat.6
Nachdem die Byzantiner das südlich von Venedig, aber den Franken zugehörige Comacchio angreifen, schlägt Pippin 809/810 zurück. Er erobert einen Großteil Venetiens, seine Flotte wird jedoch vor Dalmatien abgewehrt. Venedig wird zu Tributzahlungen verpflichtet.
Nachdem Byzanz auch im Kampf gegen die Bulgaren herbe Rückschläge einstecken muss, ist Kaiser Nikephoros zu Verhandlungen bereit. Die Delegation erreicht die Franken 810 und es wird ein Vorfrieden vereinbart, bei dem Venedig und die dalmatinischen Küstenstädte an Byzanz zurückgegeben werden.
811 starb Kaiser Nikephoros bei der Schlacht am Warbiza-Pass durch die Bulgaren. Zwar wird dessen Sohn Staurakios die Herrschaft antreten, wird aber nach wenigen Wochen in einer Revolte abgesetzt. Die von Karl nach Byzanz geschickte Delegation trifft nun auf den neuen Kaiser Michael I. Rhangabes.
Da dessen Rückhalt nicht der Größte ist, benötigt er jede Unterstützung, die er haben kann. Er plant mit Karl den Frieden von Aachen. Karl verfasst den Brief an Michael I, Rhangabes zumindest so sorgfältig , dass er sich nicht als Kaiser/ basileus bezeichnet. Dafür nennt er den byzantinischen Kaiser auch nicht beim Titel, sondern nennt ihn Bruder (frater), wie er es bereits in einem Brief an Nikopheros 811 tat. Er sieht sich also nicht als den “fränkischen Barbaren”, sondern als Gleichberechtigten mit Byzanz.
Man gestand dabei Karl wenigstens den Titel Imperator / Basileus zu, nicht aber den des Imperator Romanorum. Auch Karl beugte sich diesem Entschluss und bezeichnete sich schon vorher, wohl um Byzanz nicht allzu sehr auf die Füße zu treten, in vollem Titel Serenissimus Augustus a deo coronatus magnus, pacificus, imperator romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam dei rex Francorum et Langobardorum, was sich als “allergnädigster, erhabener, von Gott gekrönter, großer, Friede bringender Kaiser, der das Römische Reich regiert, durch Gottes Barmherzigkeit auch König der Franken und Langobarden”.
Er nannte sich also nicht römischer oder West-Römischer Kaiser und nahm somit Rücksicht auf das “Zweikaiserproblem” ,denn der( West-)Römische Kaiser konnte nur von Byzanz ernannt werden. (Oder entsprechend umgekehrt)
In dem Vertrag zum Frieden von Aachen bietet Michael I. Rhangabes auch an, seinen Sohn mit einer fränkischen Prinzessin zu verheiraten. Die Entgegennahme des Vertrages fand 812 in der Aachener Pfalzkapelle statt und die Annales regni Francorum berichtete, dass Karl dort als Kaiser proklamiert wurde.
Die Unterzeichneten Verträge erreichten Byzanz 813. Dort war allerdings war Michael I. Rhangabes inzwischen abgesetzt, ins Kloster geschickt und durch Kaiser Leo V. ersetzt worden. Auch das Angebot der Heirat mit dem Sohn des Ex-Kaisers war hinfällig, denn der war kastriert und auch ins Kloster geschickt worden.
Bis nun Kaiser Leo V. den Vertrag erneut geprüft und gegen zeichnet, geht soviel Zeit ins Land das sie beim Eintreffen in Aachen dort nicht mehr Karl den Großen, sondern Ludwig den Frommen als regierenden König vorfinden, der im Jahr zuvor, ohne zutun eines Papstes, von Karl dem Großen selbst zum Mitkaiser ernannt worden war…
vgl. P.Riché, Die Karolinger S175 ↩
RI I n. 370a, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0800-12-23_1_0_1_1_0_1005_370a(Abgerufen am 27.08.2022). und P.Riché S179 ↩
Annales regni Francorum, MGH. SS. rer. Germ. zum Jahr 802 ↩
vgl. K.G. Ritter Bachelorarbeit Das Verhältnis des fränkischen zum byzantinischen Reich unter Karls dem Großen . S31 ↩
Ritter S40/41 ↩
F. Tinnefeld, Formen und Wege des Kontaktes zwischen Byzanz und dem Westen zur Zeit Karls des Großen S30 ↩
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…