Der Stuttgarter Psalter – Redewendung und bestickte Kleidung

Im letzten Artikel schrieb ich das der Stuttgarter Psalter die Texte der Psalmen wörtlich nimmt. Dies führt zu einigen ironischen Stilblüten, besitzt aber auch Vorteile.

Auf der amüsanten Seite stehen da Psalm 40 Vers 4, den ich bereits letztes mal erwähnte. Auf deutsch lautet diese Zeile

„Der Herr wird ihn erquicken auf seinem Siechbette; du hilfst ihm von aller Krankheit.“

Der lateinische Text lautet:

Dominus confortabit eum in lecto infirmitatis totum stratum eius vertisti in aegrotatione sua

Wörtlich übersetzt bedeutet dies aber:

Der Herr wird ihn stärken im Bett der Krankheit, du hast sein ganzes Bett in seiner Krankheit umgedreht

Der Zeichner nahm diesen Satz wörtlich. Aus dem Himmel kommt eine Hand und wirft das Bett mit dem nackten Kranken um und ihn somit aus dem Bett.

Ein weiteres Beispiel des Umgangs mit der Wörtlichkeit, der Eigenschaft mehrere Textteile in einem Bild zu vereinen und da zu noch Freund-Feind- Erkennung zu liefern bietet fol. 12r:

Die Illustriation zeigt einen Teil von Psalm 9. Was sehen wir da? links eine Stadt davor zwei Städter??? Ein Typ mit komischen Gesichtsausdruck, noch komischerem linken Arm und ein gleichgültiger Jesus der ihn heilt? Aussätziger? Rechts eine Schriftrolle auf der der Zeichner vergessen hat was hinzuschreiben, oder war das Bild zu klein?

Alles daneben! Die zentrale Darstellung zeigt Psalm 9 Vers 36 : Zerbrich den Arm des Gottlosen und suche heim das Böse, so wird man sein gottlos Wesen nimmer finden/ Seine Sünde nicht mehr finden. Das heiß Jesus bricht dem überraschten Gottlosen den Arm. Hier greift die Freund-Feind-Erkennung des Psalters: Zwar ist der Gottlose wie ein Franke gekleidet, denn im Text steht nichts von Ausländer, Barbaren oder ähnlichem, dennoch ist er als Gottloser ein Heide und schon bekommt er einen Bart verpasst!

Die zwei Personen links vor der Stadt beziehen sich auf „du bist der Waisen Helfer“ aus Vers 35. Da Waisen kein Heim haben, stehen sie vor der Stadt/dem Haus. Da es Kinder sind sind sie kleiner als die anderen Personen und sie sind Jesus zugewandt denn es heißt ja „DU (Jesus) bist der Waisen Helfer“,

Die leere Schriftrolle bezieht sich nun auf den letzten Teil von Vers 36. Es ist die Sünde die nicht mehr gefunden wird. Gott notiert sich quasi die Sünden, da aber Jesus dem Gottlosen den Arm gebrochen hat sind seine Sünden gelöscht worden und das zeigt die Hand Gottes dem Leser. Durchaus skuril!

Aber man kann auch etwas Sinnvolles mit diesen Bildern machen, bzw. aus ihrer Wörtlichkeit Informationen ziehen.

Des Königs Tochter ist herrlich geschmückt; mit goldenen Gewändern ist sie bekleidet.  Man führt sie in gestickten Kleidern zum König; Jungfrauen folgen ihr, ihre Gespielinnen führt man zu dir.  Man führt sie hin mit Freude und Jubel; sie ziehen ein in des Königs Palast.

Psalm 45:14-16

Man sieht hier also die Jungfrau (links), die Königstochter (Mitte) mit Geschenk das im Text zuvor erwähnt wurde, eine Leibgarde (rechte Person) die die Beiden in den Palast (rechts) bringt.

Das interessante daran ist nun der Text: „in gestickten Kleidern“. Es ist das einzige mal das etwas besticktes/gesticktes in den Psalmen erwähnt wird und es ist natürlich auch nur dieses mal abgebildet. Der Zeichner bildet aber Wort wörtlich ab! Die Stickereien erscheinen als Streifen und Punkte auf den Zierstreifen des Kleides. Wären die kreisförmigen Verziehrungen der karolingischen Kleidung gestickt, hätte er nicht eine andere Darstellungsweise für die Königstochter wählen müssen. Er hätte wohl noch mehr Kreise auf die Kleidung gepflastert, wenn diese gestickt gewesen wären.