Probleme mit dem Tricliniums Mosaik
Mit dem ganzen Nähen kam auch der Gedanke meiner Flügellanze ein Banner oder Fahne zu verschaffen.
Während ich mich mit den Amtsstäben auseinander setzte, fiel mir auch wieder das das Banner auf dem Triclinium Mosaik in Rom ein. Dort ist Karl der Große zu sehen wie ihm von Petrus eine Fahne an einer Flügellanze überreicht bekommt. Dabei sieht die Flügellanze interessanter Weise aus wie die Lilie (Fleur-de-Lis) auf dem französischen Wappen und nicht wie eine echte Lanzenspitze.
Mir fiel aber auch ein, irgendwie, irgendwo etwas gelesen zu haben das es bei der Darstellung irgendwie ein Problem gibt. Und Probleme in einer Abbildung sind nie gut! Also machte ich mich auf die Problemsuche.
Der Lateranpalst in dem sich das Triclinium, vom Begriff her ein Speisesaal, befand, wurde durch Papst Leo III. errichtet. Es wird daher auch Leonisches Triclinium bezeichnet. Erhalten blieb von dem Saal allerdings nur eine frei stehende Conche die von einem Renaissancegiebel geschmückt wird. Die Conche selbst, als auch die Wände rechts und links von ihr, sind mit Mosaiken geschmückt. Auf der rechten Seite befindet sich das bereits erwähnte Mosaik mit Karl dem Großen. Da Karl im Text unter der Abbildung noch als Rex, also König und nicht als Augustus, Kaiser, bezeichnet wird, geht man davon aus das das Mosaik um bzw. vor 800 fertiggestellt wurde, vielleicht in der Erwartung der bevorstehenden Kaiserkrönung. Der Saal selbst war im November 779, nach dem der Papst aus dem Exil in Paderborn zurückgekehrt war, Ort der Verhandlungen Karls über die Verschwörer, die versuchte hatten Leo III zu blenden.
In der Darstellung befindet sich Karl zur linken von Petrus, kniend. Von ihm bekommt er ein Banner überreicht. Zur rechten Petrus befindet sich Papst Leo III der von Petrus das Pallium erhält. Beide Empfänger, also Karl und Leo, tragen einen rechteckigen Nimbus.Diese Form des Heiligenschein zeigt an das die betreffende Person noch am Leben ist. Der ringförmige, klassische Heiligenschein steht nur Verstorbenen zu. Ein Heiligenschein mit Kreuz darin nur Jesus.
Die Darstellung Karls ist übrigens die erste neu errichtete Darstellung eines Kaiser seit der Phokas-Säule im 6. Jahrhundert in Rom!1.
Doch was ist nun das Problem mit dieser Darstellung? Die Frage was mir an der Fahne nicht passt, ist leicht beantwortet: Es ist die Stadtfahne Roms, das vexillum urbis romae, die Karl verliehen bekommt und nicht etwa die Oriflamme wie gerne kolportiert.2 Damit wird angezeigt das Karl auch der Beschützer des Papstes und Roms ist. Und wer will schon die Stadtflagge Roms? (Naja, Karl vielleicht)
Bei dem Mosaik (und eigentlich auch mit der Abbildung der Flagge) wird es komplizierter. Da die Conche eigentlich die Apsis eines nicht mehr vorhandenen Saals ist, kann man erahnen das irgendetwas den Saal zerstört haben muss. Tatsächlich gab 1308 einen schweren Brand der den alten Lateranpalast zerstörte. Da die Päpste 1309 zunächst nach Avignon zogen gab es keine Bemühungen den Palast wieder neu zu errichten. Erst durch Papst Sixtus V. wurde im 16. Jahrhundert ein Neubau begonnen, der sich wie ein Kreuzgang an die Nordseite der Basilika anlehnte. Das alte, zerstörte Triclinium befand sich in der nördlich der Basilika, auf einem Platz durch den heute eine Straße führt und sich die Scala Sanata, die Heilige Stiege und das Sancta Sanctorum, die ursprüngliche päpstliche Privatkapelle befindet. Während das Sancta Sanctorum sich am original Platz befindet wurde die Treppe versetzt.
Der Plan des Domenico Fontana von 1585/86 zeigt noch die ursprüngliche Anordnung der Räume, bei der man das Triclinium als Capella papalis, also päpstliche Kapelle, wieder renovierte.
Das ursprüngliche Triclinium stand also um 180 Grad gedreht mitten auf dem Platz, bzw auf der Straße! Und auch um das Mosaik stand es zu diesem Zeitpunkt schlecht.
Um 1560 war nur noch das Mosaik Karls und Leos mit Petrus erhalten. Der Zustand bzw. dessen grobes Aussehen ist aus einer Federzeichnung aus dieser Zeit erhalten geblieben, die sich einer Mappe Onofrio Panvinios (+1568) fand.
Ende des Jahrhunderts war der Papst schon nur noch zur Hälfte existent, von Petrus fehlte ein Stück und auch der Schrifttafel unter Petrus fehlte die Hälfte. Ein Zustand der unter anderem von einem gewissen Grimaldi in einer Zeichnung überliefert wird, bei er die fehlenden Teil grob ergänzte. Eine weitere Zeichnung stammt von Alphonsus Ciacconius (+1599), die ich hier wegen besserer Qualität verwende. Eine weitere Zeichnung, möglicherweise die qualitativ Beste, wie Davis-Weyer vermutet, stammt von Rascas de Bagarris, unten in der Fassung eines Stichs von Spons.

Die Umbauten nach 1585 hatten aber auch tiefgreifende Einschnitte. Ursprünglich erreichte man das Triclinium, den Saal Leos, durch einen Vorraum. Gegenüber des Eingangs zum Saal lag der Eingang der Sancta Sanctorum, der päpstlichen Privatkapelle. Man verlegte aber den Eingang zur Kapelle auf die gegenüberliegende Seite, wozu man die ursprüngliche Freitreppe nutzte die den Eingang in den Palast bildete. Diese wurde abgebaut, der lange Gang in den sie führte abgerissen und am Sancta Sanctorum wieder aufgebaut. Eine Inschrift nennt das Jahr 1589 für den Umbau. Etwa selben Zeit verbreitete sich die Sage die Treppe sei von Kaiserin Helena aus dem Palast des Pontius Pilatus aus Jerusalem nach Rom gebracht worden. Dabei handele es sich um die Treppe über die Jesus zu Pontius Pilatus ging. Jesus ging wohl eher nie über den Marmor, eher Karl der Große und Papst Leo…
1625 nutzte der päpstlichen Bibliothekars Nicolo Alemanni/ Nicolaus Alemanus die vorangegangenen Zeichnungen und den erhaltenen Rest und fertigte eine “Rekonstruktion” an da man eine Restaurierung des Saals ansetzte.
Bei dieser “Restaurierung” fanden auch Veränderungen statt. So erhielt Petrus nun einen Schlüssel in den Schoß. Auf der linken Seite war nun Christus, ein (unbekannter) Papst und Kaiser Konstantin zu sehen, die man nach einer damals angeblich 70 Jahre alten Zeichnung versuchte wieder zu rekonstruieren. Seltsam erscheint es das Kardinal Francesco Barberini , der diese Zeichnung gefunden haben will, betonte sie in der Bibliothek als Beweis deponiert zu haben. Aber keinem zeigte. Auch später hat sie niemand gefunden. So ist man sich heute weitgehend einig das sich Barberini wohl etwas ausdachte, bzw die Karls Seite einfach kopierte um etwas für die linke Seite des Mosaiks zu präsentieren zu können. Zumal die früheren, etwa 70 Jahre alten Zeichnungen zeigen, das zu dieser Zeit auf der besagten Stelle nichts mehr vorhanden war. Dafür das es sich um Phantasie handelt spricht auch das Kaiser Konstantin auf seinem Bild ebenfalls einen rechteckigen Nimbus besitzt. Wir erinnern uns: rechteckiger Heiligenschein heißt die Person ist am Leben. Als Aber das Mosaik und der Saal gebaut wurde lebte zwar Karl der Große, aber schon lange kein Konstantin mehr. Am Leben war höchstens der byzantinische Kaiser Konstantin VI der aber auch 797 verstarb, der mitunter als dieser Konstantin gedeutet wird. Auch die Anordnung des Textes mit seinem Namen ist eine vollkommen andere als die bei Karl dem Großen. Zu dem erscheint seine Kleidung mit einem weißen Halskragen und der hervortretenden Brust (als trüge er einen Harnisch) eher im Stil des 16 Jahrhunderts. Da passt also mal so überhaupt nicht! Aus diesem Grund spare ich mir die Abbildung.
Aber das Problem geht noch weiter. 1743 kommt Papst Benedikt XIV auf die nicht ganz so glorreiche Idee das inzwischen wieder verfallene Triclinium, bzw. die Conche zu nehmen, sie um 180 Grad zu drehen und an die Wand zum Sancta Sanctorum zu pappen wo vorher der Eingang war. Bei der Aktion fällt das komplette Mosaik von der Wand ab!
Jetzt kommen wieder die alten Stiche des Bibliothekars Nicolai Alemanni von 1625 zum Zuge, denn dieser hatte auch mehrere Stiche nach der Fertigstellung der Renovierung angefertigt. Diese dienten nun wiederum als Vorlage das Puzzle wieder zusammen zu setzen.

Das bedeutet was wir heute sehen ist die Rekonstruktion, einer mit Phantasie gemischten Rekonstruktion beschädigter Mosaiken, die bereits rekonstruiert worden waren…
Wenn man sich alle Bilder einmal ansieht kann man einige Unterschiede bereits erkennen. So etwa haben sich seit 1625 die die vorher gar nicht existenten Schlüssel geändert, (ursprünglich Bart nach unten, nun einer nach unten einer nach oben) Es gibt aber auch wesentlich weniger offensichtliches.
So etwa die Krone Karls.
Cäcilia Davis-Weyer verglich die vorhanden Abbildung zum Tricliniums Mosaik mit den vorhandenen Darstellung des zerstörten Mosaikes in S. Susanna, die ebenfalls Karl und Leo zeigten und kommt zum Schluss, das Karl keine Krone im eigentlichen Sinn trägt. Vielmehr handele es sich um einen Helm mit Helmbusch, nach antikem oder byzantinischem Vorbild. Als vergleichendes Beispiel nennt sie die Herrscherabbildung auf einem Solidus des Constantius II (Bild hier bei einem Auktionshaus)., denn Karl nutzte eine ähnliche Abbildung für ein Sigel.3 Sprich Karl wird in der Nachfolge Antiker Herrscher dargestellt.
Die heutige Version gleicht eher einer Mütze.
Auch die Lanze hat sich verändert. Die ursprünglichen Abbildungen zeigen sämtlichst ein einfaches Lanzenblatt an dessen Übergang zum Lanzenschaft eine Quaste befestigt ist. Die Quaste ist auch heute noch vorhanden, das Blatt hat sich jedoch gewandelt. Es scheint eine Flügellanze geworden zu sein, die an eine heraldische Lilie oder heraldische Glewe erinnert. Auch die Fahne selbst hat sich geändert. In den Zeichnung und Stichen sieht es immer aus als wäre diese mit 6 Blüten dekoriert, wobei sich die Position der Blüten immer wieder ändert. Wahrscheinlich sollen es auch heute noch Blüten darstellen, man erkennt sie nur schwer als solche, aber es kamen noch goldfarbene Elemente hinzu, die keine spezielle Form haben und vorher nicht existierten, oder gezeichnet wurden.
Auf einigen Bildern (oben bei Ciacconius) taucht eine Wicklung an Karls Schwertscheide auf, auf anderen Abbildungen nicht. Bei Baggaris hängt der Mantel Karls über die Schwertscheide, was bei Panvinios nur angedeutet ist und bei Alemani wird draus etwas das wie ein Riemen aussieht, der unterhalb des Schwertes sichtbar ist.
Es gibt also eine Vielzahl von Differenzen der Abbildungen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie ändern zwar nichts an der Grundkonzeption und Aussage der Abbildung, machen sie jedoch in Detailfragen unbrauchbar.
Was das für meine Frage nach Fahnen bedeutet bringt mir das ganze ledigdlich die Information das die Fahne dem Typus eines Pennon um 800 existiert und unterhalb des Lanzenblattes mit einer Quaste verziert sein kann. Ansonsten zeigt es nur das es sich auf jeden Fall lohnt mal nachzusehen woher eine Abbildung stammt und was mit ihr über die Zeit geschah.
M.Luchterhandt, Famulus Petri – Karl der Große in den römischen Mosaikbildern Leos III. in 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit S55 ↩
C. Davis-Weyer Das Apsismosaik Leos III. in S.Susanna: Rekonstruktion und Datierung S177 ↩
C. Davis-Weyer Das Apsismosaik Leos III. in S.Susanna: Rekonstruktion und Datierung S190 ↩
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…