Minne-Beef, eine historische Quelle
Ob Minnesänger nun die Rockstars oder doch eher die Brechts ihrer Zeit sind, ob die Hohe Minne mit ihrem unerfüllbarem Streben nach der aussichtsloses Dame eher für Weicheier ist und die mitunter derbere Niedere Minne für „echtere Ritters“ steht, sei mal völlig dahin gestellt.
Aber fest steht das man verhältnismäßig wenig aus dem Leben der Minnesänger weiß. Hin und wieder hat sich mal eine Dokument erhalten das man einem der Sänger zuordnen kann, so etwa für Walther von der Vogelweide, der vom Bischof von Passau 5 Schilling für einen Pelzmantel erhielt.
Eine weitere Quelle ist was der Dichter über sich selbst, oder über sein Lyrisches Ich schreibt. Wobei er da natürlich viel schreiben kann…
Die interessanteste Quelle ist jedoch das was Minnesänger über einander schreiben. Denn mitunter finden sich in ihren Texten Anspielungen auf andere Sänger, wobei man dabei den Namen in der Regel vermeidet und den beschriebenen irgendwie umschreibt. Und das beste daran ist das es beweist das der Hip-Hop nicht den Beef erfunden hat! Und damit war der klassische Beef und Diss der Fanta 4 gegen Rödelheim Hartreim Projekt auch nicht der erste seiner Art auf deutschem Boden. Denn den gabs schon im 12. Jahrhundert und wahrscheinlich auch noch viel früher!
So schrieb Wolfram von Eschenbach in seinem Willehaim mit einem Augenzwinkern:
er ( der Wirt) gab ihm hartes Brot und Wasser, von dem die Nachtigall lebt, davon ist ihr süßer Gesang schöner als wenn sie Wein trinken würde, den es in Bozen gibt.
Willehaim 136, 5-10
Von der Nachtigall, die nur Wasser zu trinken bekommt, aber viel lieber Bozener Wein hätte, aber dann besser singt, wird angenommen das es Walther von der Vogelweide ist. Wolfram frotzelt ein bisschen, bewundert aber Walther sehr.
Dieselbe Bezeichnung verwendet auch Gottfried von Straßburg im Tristan. Zunächst bezeichnet er als besten Sänger die „Nachtigall von Hagenau“, gemeint ist der Minnesänger Reinmar der Alte, auch Reinmar von Hagenau genannt, aber nach dessen Tod war für ihn der beste Sännger die Nachtigall von der Vogelweide. Auch hier eher Lobhudelei.
Nun ist das noch kein Beef. Der kam aus anderen Ecken. So etwa von Thomasîn von Zerclaere in seinem Wälschen Gast. Thomasîn stammte aus Italien, daher der Titel, und schrieb ein monumentales Lehrgedicht in einem bairischen Mittelhochdeutch dem man seine italienische Herkunft anmerkt. Also eher etwas holprig, wofür er sich auch im Text entschuldigt. Er wollte damit dem jungen Adel Tugenden vermitteln.
Thomasîn war von Walther von der Vogelweide weniger begeistert:
Wie hat sich also jener wackere Mann ihm gegenüber ins Unrecht gesetzt, der aus Überheblichkeit behauptet, der Papst wolle mit deutschem Geld seine italienische Truhe füllen?
Wie konnte es Walther wagen sich so sich über Papst Innozenz III. auszulassen? (Innozenz hatte aus dem Streit der Welfen und Staufer Kapital geschlagen und Ländereien für den Kirchenstaat beansprucht und zudem darauf bestanden nur denjenigen zum Kaiser zu krönen den er auch für würdig erachtet)
Der Truchsess von St. Gallen, Ulrich von Singenberg, parodiert Walther von der Vogelweide. Dieser hatte über Friedrich II gelobhudelt1 um ein Lehen zu erhalten, welches er am Ende auch erhielt.
Dabei nennt Ulrich sogar Walthers Namen, was ungewöhnlich ist:
Mein guter Meister von der Vogelweide klagt so sehr,
ihn belaste dies und das, das mir noch nie zur Last war.
Das kommt daher, dass ich mich selten einmal von meinem Besitz entferne,
es sei denn,
hohe Herren oder eine schöne Frau ließen mir dafür ihre Anerkennung
zukommen.
Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide verbannt sogar eine besonders innige Feindschaft und ging sogar als Reinmar-Walther-Fehde in die Literaturgeschichstsschreibung ein.2 Beide sollen vor 1198 in Wien als Hofdichter gearbeitet haben und standen so in direkter Konkurrenz und sollen zudem noch die selbe Dame umworben haben.
So verwundert es nicht das dann einer der Beiden Gedichte des anderen parodistisch oder übertrumpfen fortführt. So schreib Walther auf Reinmars Matt bezugnehmend einfach ein Gegenmatt3.
Aber letztendlich soll Walther auf Reinmar doch viel gegeben haben, manch einer vermutet gar Walther sei ein Schüler Reinmars und der Streit rein emanzipatorischer Natur.
Und so schreibt dann Walther auch in der Totenklage auf Reinmars um 1208/1209:
Dest wâr Reimâr, dû riuwest mich / michels harter danne ich dich, / ob dû lebtest und
ich waz erstorbenFürwahr, Reinmar, über dich trauere ich wohl weit mehr, als du es tätest, lebtest du noch und ich wäre gestorben
L83, 1
Es gibt noch eine weitere Reihe dieser Anspielungen zu Walther von der Vogelweide, die man kennt bzw. von denen man vermutet das sie sich auf Walther beziehen. Leider weiß man heute jedoch nicht mehr genau wer in den Texten gemeint ist, zu weit liegt die Zeit zurück in der die Texte entstanden und uns fehlt einfach der Kontext dazu, weshalb manche zum Beispiel Bemerkungen Reinmars von Hagenau oder Neidhardts von Reuental zu Walther in Frage stellen. Jedoch scheinen diese beiden in echtem Beef mit Walther gelegen zu haben und haben wohl mal den ein oder anderen Diss-Tracks rausgehauen, auch wenn sich das damals besser anhörte als heute… aber N.W.A. ist auch besser als Mumble-Rap…
Aber letztendlich: Geschichte wiederholt sich, oder um es korrekt mit Marc Twain zu sagen: a favorite theory of mine [is] that no occurrence is sole and solitary, but is merely a repetition of a thing which has happened before, and perhaps often.
Ich hatte darüber dies bereits in dem dritten Teil zu den Münzenbergern geschrieben HIER, und Lobhudeln scheint ein wissenschaflicher Ausdruck zu sein, taucht der doch in dem Zusammenhang immer wieder auf 😉 ↩
G. Schweike, Die Fehde zwischen Walther von der Vogelweide und Reinmar dem Alten ↩
La. 111, 23 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…