Die karolingische Tunika II – Historisierende Clavi oder Zeichen der Fremdartigkeit?
Im Stuttgarter Psalter findet sich eine speziell Form der Clavi auf Tuniken. Es finden sich, neben den zentralen Clavi deren Ende vom Gürtel verdeckt scheint, den bereits behandelten durchlaufenden, auch solche die bis auf die Oberschenkel reichen und dort in einem Kreis auslaufen. Sie bereiten mir ein wenig Kopfzerbrechen.
Es ist weniger ihre Form, oder das zu rekonstruierende Aussehen, welches mir Kopfzerbrechen bereitet. Es ist die Begründung dafür, das Warum.
Die Abbildung links im Vergleich mit einer spätantiken Clavi zeigt eindeutige Parallelen. Wie auch das spätantike Original wird auch die Abbildung des Stuttgerter Psalters vor der Kreisform deutlich Schmaler und auch die Kreisdarstellungen passen wieder überein.
Es erscheint mir am wichtigsten sich die Darstellungen der Träger noch einmal genau anzusehen.
Wie bei jeder mittelalterlichen Handschrift, Malerei o.Ä. wurde auch im Stuttgarter Psalter auch mit Stereotypen gespielt. Dies erleichterte dem Betrachter, der nicht zwingend lesen oder schreiben konnte, das gesehene einzuordnen. Es ist also auf die Darstellung der Personen zu achten.
Hier nun alle Darstellungen mit Angabe des Folios (vorsortiert):
Zunächst können wir feststellen ,dass es diese Verzierung nur 5 mal im Psalter gibt. Im Vergleich zu anderen Verzierung deutlich die geringste Anzahl. Bei zweien der Träger handelt es sich um Engel, deren Tunika mit Steinen verziert ist. Es folgt ein Zimbelspieler und zwei Krieger (Von rechts nach links).
Bei den Krieger zeigt sich eine Auffälligkeit. Beide sind Bartträger. Wie bereits früher festgestellt ist der Vollbart keine Tracht der Franken. Trug man zu Karls Zeiten noch den an den Seiten herunterhängenden Schnurrbart (Siehe Asterix), so ist der Bart danach passé. Im Psalter tragen daher nur 2 Gruppen Vollbart: Die Propheten, um deren Weisheit zu symbolisieren und Fremde/Feinde um deren Fremdartigkeit zu zeigen. Bei den beiden Kriegern handelt es sich tatsächlich um Feinde, die den jeweiligen Protagonisten bedrohen.
Die Kleidung der Engel ist byzantinischer Tracht nachempfunden, die als herrschaftlich gilt, aber ebenso auch fremdländisch ist, jedoch mit positiver Konotation.
Und dann ist da dieser Zimbelspieler… Er bereitet mir am meisten Kopfzerbrechen. Mitunter wird die Gestalt auf Folio 84v auch als Gaukler angesprochen. Wohl in der Annahme er balanciere Teller. Dies ist jedoch absurd, bezieht sich doch die Darstellung u.A. auf Psalm 150:
Halleluja! Lobet den Herrn in seinem Heiligtum; lobet ihn in der Feste seiner Macht! Lobet ihn in seinen Taten; lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit! Lobet ihn mit Posaunen; lobet ihn mit Psalter und Harfen! Lobet ihn mit Pauken und Reigen; lobet ihn mit Saiten und Pfeifen! Lobet ihn mit hellen Zimbeln; lobet ihn mit wohlklingenden Zimbeln! Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja!
Die Darstellung des Harfe spielenden Davids in Begleitung von Zimbelspielern findet sich auch u.A. im Psalter Karls des Kahlen und der Vivian Bibel.
Die Darstellung des Zimbelspielers zeigt in der Regel: Asaph und Heman , so im Psalter Karls des Kahlen wo diese durch Ethan und Idithum ergänzt werden, sowie in der der Vivian Bibel, wobei die Vier noch durch die Personifizierung der Leibwachen Krethi und Plethi, bzw. Kreter und Philister (Fremde!!) erweitert werden. Bei den Vieren Asaph, Heman, Ethan und Idithium handelt es sich um den Chor Davids (vgl. 1.Chronik 15,17, 1.Chronik 15,19) Und ab hier wirds kompliziert! Unser Zimbelspieler ist Heman. Dieser stammt aus der Familie/ bzw. ist Sohn des Machol (1. Könige 4,31), gleichzeitig wird Heman und seine Brüder auch als Söhne des Serach bezeichnet (1. Chronik 2,6) und dieser Serach ist einer der Fürsten oder Könige Edoms. Nun sind die Edomiter zwar auch Hebräer, aber keine Israeliten. Und in den Darstellungen der frühmittelalterlichen Bibeln nehmen die Franken nur die Gestalt der Israeliten an, nicht aber deren Verbündeten,Verwandten oder Freunde.
Uns mag diese Genauigkeit pingelig erscheinen, solche Differenzierungen finden sich aber durchweg in den mittelalterlichen Bibel und auch noch in Renaissancegemälden. Die Clavi könnte also wie zuvor auch ein Zeichen der Fremdartigkeit sein.
Ich habe aber noch eine weitere Theorie im Kopf. Gerade die Abbildung der Vivian Bibel verleugnet nicht ihre Herkunft aus spätantiken Vorbildern. Auch der Stuttgarter Psalter hat seine Vorbilder in der Spätantike, die er mit dem byzantinischen Chludov Psalter teilt, bis hin zur gleichen Bildkomposition. Leider liegt mir jedoch kein Digitalisat des Chludov Psalters vor, so dass es mir nicht möglich ist die jeweiligen Szenen zu vergleichen. Es wäre aber durchaus denkbar, dass hier direkt ein spätantikes Vorbild übernommen wurde und somit eine typische spätantike Clavi auf dem Zimbelspieler landete.
Hallo Markus,
ich muß dir leider mit der pauschalisierten Aussage:
„. Trug man zu Karls Zeiten noch den an den Seiten herunterhängenden Schnurrbart (Siehe Asterix), so ist der Bart danach passé.“
wiedersprechen.
Auch zu Karls Zeiten und darüber hinaus war der Vollbart durchaus noch in Gebrauch, (s.h. zum Beispiel das Stifterbild in Mals).
Es war vielleicht nicht die neueste Mode, aber taucht ähnlich wie Ausrüstungsgegenstände mal in der neuesten und mal in einer älteren Form auf, vermutlich wie es der Maler gerade vor Augen hatte, und vor allem was er damit ausdrücken wollte.
Aber bei der Herleitung der Trachten ist es, wie du hier richtig schreibst, wichtig den Hintergrund der Bilder (sprich Psalmen) zu kennen um einzugrenzen was ausgedrückt werden soll.
Gut ist dabei auch ein Vergleich mit „moderneren“ Malereien im gleichen Kontext, um die zusammenhänge zwischen Kleidung und Symbolisierung zu erkennen.
Gruoss der Uhl
Noch ein Gedanke,
die Kontakte zu Byzanz waren unter Karl neu „aufgewärmt“ worden. In der Tradition der Byzanter waren sie die regulären Nachfolger des Römischen Reichs und haben auch in der Darstellung die spätantike Tradition gepflegt. Vielleicht hatte der Maler auch Bilder einer solchen Malschule vor Augen als er sich ans Werk machte.
Wir können darüber leider nur spekulieren.
Bei den Rekonstruktionen von Priestergewändern tun wir uns da viel leichter, da hier einiges an Material als Reliquien erhalten geblieben ist, und die Tradition weitgehend über sehr lange Zeiträume sich erhalten hat.