Vortrag Prof. Dr. Jörg W. Busch – Schrift als Errungenschaft der Karolinger
Der gestrige Vortrag von Dr. Busch fand in der ev. Kirche in Geinsheim statt. Geinsheim und die Kirche haben eigentlich nichts mit der Pfalz zu tun, Geinsheim schied entweder früh aus dem Fiskalbezirk aus, oder wahr, was ich für wahrscheinlicher halte, nie Teil davon. Auch die Kirche wurde erst in den 1883 neugotisch erbaut. Und dennoch finde ich es gut den Vortrag in Trebur-Geinsheim zu veranstalten, schließlich sind wir ja eine Gemeinde, außerdem brauch ich hier kein Auto und kann laufen 😉
Die Geinsheimer Dietrich Bonnhöfer Kirche war fast bis auf den letzten Platz gefüllt, was mich sehr freute.
Herr Dr. Busch war stark erkältet und hatte erst erwogen den Vortrag abzusagen. Die Erkältung tat aber seiner Stimme keinen Abbruch, denn der notorische „ohne-Mikro-Sprecher“ donnerte ganz schön los.
Busch spannte einen Bogen von den Königshöfen, die Rohstoffe wie Pergament lieferten zur kulturellen Entwicklung der Karolingern.
Um die Zusammenhänge zu verstehen, führte Busch aus, muss man erst einmal wissen Karl den Großen verstehen. Karl war ein Machtpolitiker erster Güte. Er führte ein Bildungsreform durch und auch wenn sein Reich nicht bestand hatte blieb das Fundament seiner Bildung bis heute bestehen.
Busch stellte die Frage wer oder was Karl der Große und beantwortete sie sogleich: Im Mittelalter war er der Herrscher schlecht hin. Was auch für die „Vision für Augenkranke“, das ZDF gelte. Er beschreibt ihn mit den Worten Einhards und verglich die Beschreibung seiner Gestalt mit den Knubbelnasen-Männchen Loriots.
Aber Karl war ein Machtmensch, nach dem Historiker Flasch der „Anführer einer belgischen Räubertruppe“. Ein Satz der mir besonders gefiehl.
Busch umreist die Eroberungspolitik Karls, seine Fortschritte über den Titel fränkischen Königsitel, des langobardischen König , den Sieg über die Awaren bis nach Rom, wobei er ihn immer wieder den Räuberhauptmann aus den Ardennen nennt ,-)
Er zeichnet ein Bild der Völkervielfalt des Karlschen Reiches, vom Eindruck den Karl bei den Slawen hinterließ, in dessen Folge König in slawischen Sprachen noch heute nach ihm Kral heißt.
Karl sah sich als die Personifizierung des Königs David und die Franken als das Volk Gottes auf der Wanderschaft. Karl als Vertreter Gottes auf Erden, der den Papst nur zur Weihe benötigt. Er sah sich aber nicht nur als Verteidiger des Christentums nach außen, sondern auch als Stärker des Christentums nach innen.
Der wahre Glaube war aber nur durch die Bibel erfahrbar. Die Bibel aber war aber nur in der Vulgata erhältlich, was kein Franke und kein Sprecher der neuen romanischen Sprachen mehr richtig verstand.
Als Bonifatius nach Hessen kam soll soll er Priester getroffen haben deren Latein so mies war das sie den Segen „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des…“ als „Im Namen des Vaterlandes und der Tochter“ aussprachen.
Die Priester sollten den Segen aber korrekt spenden und richtig die Messe lesen können, denn Karl fürchtete das eine falsch gelesene Messe wie ein Fluch Gottes auf seine Herrschaft und sein Volk zurückfallen könnte.
Doch um dies zu ermöglichen, so Busch, waren gute Kenntnisse des Lateins und eine ebenso gut lesbar Schrift von Nöten.
Er organisierte sich die besten Theologen, Dichter, Geschichtsschreiber etc. an seinen Hof. Von denen wir nur die bekanntesten kennen. Die Erfinder der karolingischen Minuskel hingegen kennen wir nicht, es waren unbekannte, kleine Mönche. Der alten, fließenden Kursive , die oft verwirrte, da Buchstaben in einander übergingen und schwer zu erkennen war, wurden die einzelnen Buchstaben der karolingischen Minuskel entgegengesetzt. Erstmals wurde sie fassbar in Corbie in der Picardie.
Man fahndete nach den alten Schriften der Kirchenväter, aber auch nach dem Wissen der alten 7 Künste. Um die alten Texte richtig lesen und deuten zu können war das komplette Wissen des alten Latein notwendig, weshalb man auch die heidnischen Schriften suchte. So kam es das man Cicero oder Ceasars „De bello Gallico“ abschrieb. Nicht der Inhalt war entscheident sondern die absolute Beherrschung der lateinischen Sprache. Und das war eine kulturelle Großtat sondergleichen, denn durch das Umschreiben der alten Papyri auf Pergament blieben uns diese Texte erhalten.
Nach Karl verstaubten die Bücher wieder, aber waren sicher auf Pergament , „es sei denn man baut wie die Kölner eine U-Bahn…“ wie Busch witzelte.
Karls Reich ist vergangen, seine Buchstaben aber bleiben uns bis heute erhalten, sie bildeten die Grundlage zu unserer heutigen Schrift, und nicht etwa die Schrift eines Cicero, so Busch.
Karolingische Renaissance als Begriff wäre eigentlich falsch, so Busch, den Renaissance bedeutet Wiedergeburt, aber Karl wollten nicht die Antike Wiedergebären sondern „nur“ das Latein verstehen.
Abschließend blickte Busch noch einmal auf die Gelehrten an Karls Hof und führte aus, das wenn Einhard Karl als Menschen mit Loriot-Knubbelnase, und mit durch Spießbraten wohl genährten Bauch beschreibt, er dies durch die Studien Suetons langer verschollenen Schriften gelernt hatte in denen man erfährt das Menschen die mit kleinen Fehlern dargestellt werden realer wirken. Ein Ergebnis des erlernen des korrekten Lateins.
Anschließend , wie immer bei den von uns organisierten Vorträgen, konnte man noch die Zeit nutzen um dem Rezensenten fragen zu stellen, was gerne angenommen wurde.
Auch ich führte anschließend noch einige Gespräche, wobei ich ganz zufällig von einem anwesenden Prof. Dr. dessen Namen ich nicht nenne (kann sich jeder denken wer 😉 ) erfuhr das es nichts schlimmeres als Knoppsche Geschichtsdarstellung gäbe, wenn Bischöfe im vollen kirchlichen Ornat durch den Matsch des Mainzer Hinterlandes zögen und das dann in jeder Knopp-Produktion wieder verwurstet wird….
Ach und dann wurde ich noch mal auf die Geinsheimer Klostergeschichte angesprochen, worauf ich in etwa das selbe erklärte was ich hier auch schon geschrieben hab.
Ach und dann wurde mir noch erzählt das in Geinsheim, in der Obergasse bei Straßenbauarbeiten römische Legionärsgräber gefunden wurden mit Waffen usw. Ähh ich dachte immer die Römer hätten ihre Toten verbrannt…
***“die Franken als das Volk Gottes auf der Wanderschaft.“
Naja, ich sehe das nicht so.
Die Franken waren eigentlich der sesshafteste, germanische Großstamm.
Die Wanderlust hatte eher Stämme wie die Goten, Langobarden und Vandalen gepackt, die quer durch Europa und teilweise bis nach Afrika kamen.
Die Franken haben bloß das Land in ihrer direkten Umgebung, Stück für Stück erobert. Und dabei haben Sie nie den Kontakt zu ihrer ursprünglichen Heimat verloren. Vielleicht hatte ihr Reich deshalb auch so lange Bestand, während z.B. jene der Westgoten und Vandalen, die fernab ihrer Heimat siedelten, relativ rasch in die Brüche gingen.
Zu dem miesen Latein des fränkischen Klerus:
Hätten die Franken eben Arianer werden sollen, statt Katholiken.
Erstere feierten ihre Gottesdienste bekanntlich in der Landessprache 🙂
***“Ähh ich dachte immer die Römer hätten ihre Toten verbrannt…“
Nicht die spätantiken, christlichen Römer 😉
Ich glaube das mit der Wanderschaft hat er auch nicht im Sinne von Völkerwanderung gemeint, er sagte dies im Kontext des umherziehenden Königshofes oder des kriegerisch „wandernden“ Frankenheer. Er hat auch den ganzen Vortrag mit einigen Spitzen garniert. (Auch gegen die Politik…)
Das mit den -öme war schon klar, Aber in der Spätantike sollten die schon lang nicht mehr dagewesen sein… Ich hab mal gehört man hätte hier einige fränkische Gräber gefunden, die nicht gemeldet wurden. Ich nehm mal an das da in der Erinnerungen des Herren etwas durcheinander gekommen ist.
Du meinst die (christlichen) Römer waren in der Gegend zu der Zeit (Spätantike) schon vertrieben?
Also es gibt da die These, dass sich die röm. Großgrundbesitzer schon relativ frühzeitig zurückgezogen haben, da ihnen die ständigen Überfälle germanischer Völkerschaften zu blöd wurden (die letzten spätestens als Anfang des 5. Jh. die Rheingrenze völlig zusammenbrach).
Die „kleineren“ Provinzialrömer, sollen allerdings vielerorts geblieben sein (so etwa in Köln) und erst im Laufe der Jahrhunderte kulturell in den neuen germanischen Völkern aufgegangen sein.
Belegt wird diese These angeblich durch Grabsteine aus dem 5. und 6. Jh, wo man dies anhand der Namen der Toten, herausgefunden haben will.
Bei uns sollen die Römer nach 260 nicht mehr anwesend gewesen sein, dafür aber die Alamannen. Valentinian sicherte zwar noch mal die Rheingrenze, sollte aber nicht weiter ins Inland vorgedrungen sen. Bis zum Rheinübergang 406 waren die Alamannen tonangebend (mhh.. könnten natürlich allamanische Auxilare gewesen sein…) Römische Grabsteine aus der Zeit gibts nur westlich, auf der anderen Rheinseite. Aber ich werde mal nachhorchen. Irgendwo muss es doch was geben. Interessiert mich jetzt schon!
Was mir zu diesen Gräbern übrigens noch eingefallen ist:
Ich weiß jetzt nicht genau wer es war (Gregor von Tours?) der schrieb, dass man selbst viele Jahrzehnte nachdem das röm. Westreich bzw. das gallische Sonderreich des Syagrius zusammengebrochen war, jene Nachkommen gallisch-römischer Soldaten, die nun in den Reihen der Franken kämpften, an der typisch römischen Tracht ihrer Vorfahren erkennen konnte und sie sogar noch deren Feldzeichen verwendeten.
Das mag vielleicht auch ein kleiner Anhaltspunkt dafür sein, warum bei euch „Römer“ begraben sind, obwohl es zur Zeit ihres Todes (gibts da ein ungefähres Datum?) in dem betreffenden Gebiet gar keine röm. Herrschaft mehr gab.
Interessant wäre auch, wie der Friedhof ausgesehen hat, wo man die Toten fand.
War das ein typisch fränkischer, auf einem Hügel, an dessen Fuß sich eine Weiler befand, oder lag er bei der Ausfallstraße einer größeren Siedlung bzw. eines röm. Militärlagers?
Auf alle Fälle ist das eine interessante Sache.
Wenn du genaueres weißt, würde mich interessieren was dahinter steckt.
In Goddelau existiert ja noch der christliche Grabstein der Remico und ihrer Tochter Duccio aus der Zeit um 500. Rund um die Mannheimer Burgus-Festungen an der Neckarmündung, sollen auf der östlichen Rheinseite zeitgleich auch noch ein paar Villa Rustica im 5. Jh. bestanden haben, von wem auch immer bewirtschaftet!
mhh… Bin einfach skeptisch, bei den vielen Gerüchten… aber ich frag demnächst mal Dr. Maurer, Uni Frankfurt, der sich ja ausführlich mit den Römern in der Region beschäftigt und wenn der nix weiß, dann weiß ich auch nicht… 😉