Glamping statt Camping – Zelte im Frühmittelalter
Ursprünglich hatte ich einen anderen Artikel vorbereitet, aber da ich momentan viel im Hotel unterwegs bin habe ich etwas umdisponieren müssen.
Ein Zelt vom Typ Geteld (Utrechter Psalter) gehört zu den Dingen, die ich gerne hätte, aber die eigentlich für mich keinen Sinn ergeben. Und wenn, wollte ich es nicht kaufen, sondern selber nähen. Und dann hätte ich ein Zelt, das ich zwar selbst genäht hätte, aber wohl nicht benutze. Aber verkaufen würde ich es auch nicht wollen, weil ich anderen Leuten meinen möglichen Pfusch nicht zumuten wollte… Verückt!
Nun möchte ich diesen eigentlichen Post mit einem Zitat einer Webseite einleiten :
“Natürlich weiß jeder, dass ein Leben im Zelt für „damals“ nicht authentisch ist(…) ”
Aber stimmt diese freigestellte und aus dem Zusammenhang gerissene Aussage so überhaupt im karolingischen Frühmittelalter oder das frühe Hochmittelalter? Schließlich haben wir doch ein Reisekönigtum, dass das Reisen bedingt.
Und tatsächlich fand ich Informationen und Literatur zu dem Thema, die ich hier verwenden werde.1 Und diese beginnt im Jahr 799, als Papst Leo von Karl dem Großen in Paderborn empfangen wird und von dem der Paderborner bzw. Aachener Epos berichtet.
Nach dem Festmahl für den Papst zog sich Karl in seine Privatgemächer zurück und der Papst? Er hatte keine Räume in der Pfalz bezogen, auch nicht bei der Geistlichkeit, die ihre Gebäude beim heutigen Dom hatten und das trotz Gastungspflicht. Nein, er begab sich in sein Lager. Wohl einem Lager aus Zelten.
Auch Notger erzählt uns von Karl und seinem Zelt. Zwar ist Notker ein notorischer Geschichtenerzähler und Fabulierer, aber Karls Zelt ist nicht Notkers Grund zum fabulieren. Es wird nur beiläufig erwähnt, als sich zwei Herzogssöhne nach einem Bier zu viel ihren Wachdienst vor Karls Zelt vernachlässigen.
Zelte scheinen eine grundlegende Normalität des Reisens gewesen zu sein. So normal, dass sie kaum Erwähnung finden, da sie alltäglich waren. Manfred Balzer nenn hier, fast Beispielhaft Missionare wie Bonifatius oder den im 10. Jahrhundert den Rom reisenden Erzbischof Rotbert von Tours, von deren Zeltlagern wir nur wissen, weil sie in diesen ermordet wurden.
Interessant ist auch ein Reisebericht zu Ulrich von Augsburg, der in seinem letzten Lebensjahr seinen Neffen besucht. Ulrich reiste immer mit großem Gefolge und dieses Schlug sein Lager bei dem Dorf Gerlenhofen auf, dabei bezog man nicht Häuser oder Lager im Dorf sondern ausserhalb in einem Zeltlager, da man hier wegen des frischen Grases die Pferde weiden lassen wollte.
Ulrich hatte auch mehr Erfahrung mit dem Leben im Zelt. Bei einem Aufstand hatte er 953 die Kontrolle über Augsburg verloren. So bezog er im strengen Winter mit Zelten die verfallene Burg Mantahinga (möglicherweise die Haldenburg) und begann diese auszubauen. Wieder wird das Lager nur beiläufig erwähnt.
Auch als Thietmar von Merseburg Heinrich II 1002 in der Pfalz Grona besucht um an der Wahl des neuen Magdeburger Bischofs teilzunehmen, wird der wichtige Bischof und Geschichtsschreiber nicht in der Pfalz einquartiert. Nach kurzer Unterredung nach dem Eintreffen am Abend zieht er sich in ein Zeltlager “neben einem Wäldchen, wo heute die Alexanderkirche steht” zurück, wo er am Morgen wohl auch die Messe liest, bevor er wieder in die Pfalz gerufen wird.
Balzer bemerkt in seinem Text immer wieder, dass zwar des Öfteren der Lagerplatz kommentiert wird, also wo man lagerte, nicht aber der Fakt, dass man dort in Zelten lagerte. Seine Annahme ist daher, dass das Lagern in Zelten ein vollkommen normaler Zustand war. Auch über längere Zeiten. Dementsprechend sollte man davon ausgehen das Zelte und Lager entsprechend komfortabel eingerichtet waren. Ein großer Tross wie ihn die genannten Personen sicherlich alle besaßen hätte auch sicherlich kein Problem gehabt dies auf Karren zu transportieren.
Verschieden Zelttypen?
Manfred Balzer ist der Meinung, dass er zwei Zelttypen ausmachen kann. Spezielle Zelte, die auch für den Winter gedacht waren und reine Sommerzelte. So sieht er etwa in dem Lager, in dem Ludwig der Fromme am Rhein bei Ingelheim verstarb, Sommerzelte. Dass Ludwig der Fromme nicht noch die wenigen Kilometer in die Pfalz Ingelheim zurückgelegte oder etwa auf Grund seiner Krankheit im nahen Mainz unterkam, das er passiert hatte, ist für Balzer ein weiteres Argument für die Normalität des Lebens in Zelten. Als Beispiel für Winterzelte nennt Balzer neben dem Ereignis von Ulrich von Augsburg, auch Abt Hilduin von St. Denis, der im Herbst 830 von Ludwig dem Frommen wegen eines Fehltritts den Winter in Paderborn in einem expeditionale tabernaculum, einem “Expeditionszelt”, also einem Zelt für den Feldzug zu verbringen sollte. (Hilduin kniff übrigens und ließ seine Bestrafung in eine Klosterhaft in Corvey umwandeln) .
Demnach war das Leben in Zelten, für Personen des Adels oder des Klerus, die sich vielfach auf Reisen befunden haben, um etwa im Gefolge des Hofes zu sein, oder Besuche bei anderen wichtigen Personen durchzuführen, vollkommen normal. Auch längere Zeiten in Zelten war dabei nichts außergewöhnliches. Gleiches ist wohl für Händler anzunehmen, wahrscheinlich jedoch nicht in den aufwendigen Zelten des Adels.
Zelttypen des Frühmittelalter aus Abbildungen
Balzers Aussage von speziellen Winter- und Sommerzelten lässt sich über die Abbildungen nicht in Beziehung setzen. Da wir aber auch keine archäologischen Funde von Zelten des Frühmittelalters aus Zentraleuropa haben, lässt sich hier nur spekulieren.
Leinen und Wolle ist hier möglich, aber auch Leder, wie bei römischen Legionärszelten, kommt in Frage. So ist überliefert, dass die Nordmänner bei der Belagerung von Paris Rinderhäute für ihre Zelte verwendeten. Vielleicht wurde auch über ein Wollzelt ein weiteres aus Leder zur Isolierung gespannt.
In den Abbildungen steht zeitlich der Utrechter Psalter anderen Abbildungen voran. Der hier abgebildete Zelttyp dominiert auch bis mindestens ins 12. Jahrhundert die Abbildungen von Zelten. Die abgebildete Zeltform ist hier das Geteld oder Sachsenzelt. Wir wissen nicht, wie dieses Zelt mit der markanten Firststange in seiner Zeit tatsächlich genannt wurde. Das Wort Geteld bezeichnet lediglich im altenglischen allgemein ein Zelt. Die Bezeichnung Sachsenzelt ist ebenfalls eine Verkürzung von “angelsächsisches Zelt” und bezieht sich auf Psalter wie den Harley Psalter und andere Kopien des Utrechter Psalter aus dem angelsächsischen Raum.

Auch andere karolingische Quellen zeigen diesen Zelttyp, so etwa der Leidener Makkabäer, aber auch das spätere Fulda Sakramentar.
Was auffällt bei sämtlichen Abbildungen dieses Zelttyps, ist, die steile Konstruktion, die, um genug Fläche im Innenraum zu bieten, recht hoch sein muss. Dabei scheint dieses Zelt jedoch vollkommen auf Abspannungen mit Seilen zu verzichten und wird lediglich durch Heringe am Zeltstoff gehalten. Auch ist bei den Abbildungen nicht endgültig zu entscheiden wie sich die Apsidenform darstellt. Mitunter hat man das Gefühl, dass dieses Zelt an seiner Schmalseite einfach endet wie ein A-Zelt, wobei sich der Eingang immer an der Schmalseite befindet. Erst im Anglo-Katalanischen (ca. 1200) zeigt sich ein mittiger Eingang.
In einigen Handschriften finden sich auch tatsächlich Varianten, die wie ein A-Zelt aufgebaut sind und keine Apsiden besitzen. So etwa in Valenciennes MS412. Sie gleichen somit römischen Zelten, wie sie etwa in der Ilias Ambrosiana ( Biblioteca Ambrosiana, Cod. F. 205 Inf.) aus dem 5. Jahrhundert abgebildet sind.
Der Utrechter Psalter zeigt aber noch mindestens einen weiteren Zelttyp. Dabei handelt es sich um einfache Kegelzelte, wobei eines auf Grund seiner Darstellung auch einen quadratischen Grundriss besessen haben könnte. Auffällig an diesen Zelten ist, dass sie von einem Kreuz bekrönt sind und daher wohl für den Gottesdienst reserviert gewesen sein könnten.
Auch andere Quellen bilden Zelte ab. Das Geteld oder Sachsenzelt ist dabei der klar häufigste Typ.
Aber auch runde Zelte, scheinbar Speichenzelte finden sich in Abbildungen. Diese Abbildungen stammen aus verschiedenen Versionen der Psychomachia und stellen immer dieselbe Szene dar – mit einer spinnenden Frau vor diesem Zelt. Es ist logisch daher zu vermuten, dass diese Szenen alle auf eine ursprüngliche Quelle zurückgreifen und diese kopieren. Sie sind mit Vorsicht zu genießen.
Und was würde ich machen?
Hätte ich Geld, Nerven und ganz viel Hornhaut an den Fingern, und wäre mir das Gewicht egal, würde ich tatsächlich probieren ein Geteld aus Leder zu nähen. Alleine schon weil ich noch nie eins gesehen habe. Aber da ich weder das Eine noch das Andere habe würde ich es tatsächlich mit Wolle probieren. Das aber auch nur weil ich lieber Wolle als Leinen nähe. Und entsprechende Wolle, die auch für Zelte gedacht ist habe ich erst neulich verarbeitet und fand diese 650gr/qm Wolle eigentlich sehr umgänglich.
M. Balzer . …et apostolicus repetit quoque castra suorum – Vom Wohnen im Zelt im Mittelalter ↩
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