Die karolingischen Handschriften – Teil III – Die Palastschule (Gruppe um das Krönungsevangeliar)
Die zweite Gruppe illuminierter karolingischer Handschriften aus Aachen ist die Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars, auch bekannt als Palastgruppe oder Palastschule.
Leitevangeliar, bzw. namensgebend ist das Krönungsevangeliar, das lange Zeit in Aachen verwahrt wurde und sich seit 1811 in Wien befindet. Es diente den Kaisern bei der Krönung als Schwurbibel und die Sage will es das Otto III. diese Bibel auf dem Schoß des sitzend bestatten Karl dem Großen vorgefunden haben soll.
Die Palastschule, bzw. die Schule der Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars, war kein Teil der eigentlichen Hofschule, ist aber in ihrem Umfeld zu suchen. Das die Werke der Palastschule aber ebenfalls in Aachen entsanden sein müssen, zeigen die Bibeltexte die auf dieselbe Bearbeitung zurückgehen, die auch die Hofschule verwendete. Wer hinter ihr stand, bzw. ihre Arbeiten beaufsichtigte oder beauftragte, ist nicht bekannt. Koehler warf die Frage auf ob es Einhard gewesen sein könnne:
Wenn der Leiter der Aachener Werkstätten (…) Karls Biograph Einhard war, würde er vermutlich die Persönlichkeit sein, die hinter unserer Gruppe steht, die Erneuerung einer klassischen Buchkunst zu verwirklichen suchte und fremde Künstler an den Hof rief (…)
Koehler Die Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars S.55
Ihre Illuminationen sind beeinflusst durch byzantinische Mönche, die aus dem Machtbereich der byzantinischen Herrscher geflohen waren und in Aachen ihre zeitgenössischen, byzantinischen Malweisen einbrachten. Ihre Einflüsse verteilen sich nach der Aachener Zeit über das Reich, z.B. nach Reims.1
Da sich in Zukunft eine Gemeinsamkeit in den Abbildungen ergeben wird, ist anzunehmen, dass man eine Vorlage nutzte, die von den Glaubensflüchtlingen mitgebracht wurde.
Die Künstler beginnen nun Plastizität in die Abbildungen der Evangelisten zu bringen. Dabei wird dieselbe Technik wie bei Ikonen verwand. Man malt von hell nach dunkel. Die dunkelste Schicht erfolgt zuerst. Nach abtrocknen werden weitere, dunklere Schichten aufgetragen. Auch bekommen die Bilder nun einen Hintergrund aus stilisierten Landschaften. Die Evangelisten tragen Togen wie antike Philosophen, die einen starken Faltenwurf mit Schattierungen Aufweisen.
Grundlegendes Problem ist, dass man die Vorlage nicht kennt und es auch bei zeitgenössischen byzantinischen Vorlagen eher dünn aussieht, da der Ikonoklasmus ganze Arbeit geleistet hat.2
Es könnte sich also um eine Handschrift, aber auch eine oder mehrere Ikonen handeln. Das wiederum nehme ich zum Anlass mit einer verbreiteten Vorstellung bezüglich Ikonen aufzuräumen: Schaut man sich mal eine Dokumentation zu Ikonenmalerei an, hört man immer wieder das sich Ikonen nie verändern, einem statischen Schema folgen und das alle Ikonen (vor allem Marienikonen) auf Lukasbilder zurückgehen . Der Evangelist Lukas soll ein Bild von Maria, aber auch von anderen Aposteln und Propheten gemalt haben, das er beendete oder auch nicht und dann entweder von Engeln, Maria oder dem Heiligen Geist vollendet wurde. Tatsächlich aber stammen die Vorlagen aus Mumienportraits und Kaiserbildnissen ( im Notitia Dignitatum etwa tauchen immer wieder Tafelbilder in weiß und Gold mit Portraits auf, eben jene Kaiserbilder Wiki Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/Notitia_Dignitatum#/media/File:Notitia_dignitatum_-_insignia_praefecti_praetorio_per_illyricum.jpg ) Die frühen Bildnisse waren in enkaustisch hergestellt, später dann in Tempera. Auch Darstellungen verändern sich, wenn man sich die erhaltenen Bilder aus Syrien oder Ägypten ansieht.
Was nun eine gewisse Ähnlichkeit zu unseren Bildern in Stil und Technik bietet, ist aber zum Beispiel eine Ikone aus dem 6. Jahrhundert, der Christus Pantokrator aus dem Katharinenkloster auf dem Sinai. ( Bild Commons https://en.wikipedia.org/wiki/File:Spas_vsederzhitel_sinay.jpg )
Hinweis auf die byzantinische Herkunft der Künstler gibt auch ein Randvermerk auf der ersten Seite des Lukasevangeliums im Krönungsevangeliar. Hier ist der griechische Name Demetrios in lateinisierter Form, also Demetrius, wiedergegeben.
Koehler weist im Zusammenhang mit den Handschriften auf die Schrifttafel im Petersdom hin, die von Karl dem Großen für den verstorbenen Papst Hadrian I. in Auftrag gegeben und über die Alpen nach Rom gebracht wurde, wie es die Lorscher Annalen berichten. Sie befindet sich heute im Eingangsbereich des Petersdoms. Die Umrahmung der Schrifttafel, gleicht jener im Markusevangelium des Krönungsevangeliars.3 Die Verwandtschaft der Schrifttafel mit byzantinischen Werken wird inzwischen nicht mehr angezweifelt4 (Abbildung der Tafel )
Die Gemeinsamkeiten der Handschriften geht jedoch über byzantinisch geprägten Zeichnungen hinaus.
Beim Anfang der jeweiligen Evangelien ist die Incipit -Zeile in Rustica gehalten, das darauf folgende Wort jedoch in großen Kapitalbuchstabendas die komplette Zeile ausgefüllt.5 Weiteres Merkmal ist die verschwunden horror vacui, dem bestreben möglichst keine Freistellen zu haben, sondern diese mit Mustern zu füllen. Die Evangeliare der Gruppe um das Krönungsevangeliar lassen die Freiräume nun zu, Abbildungen stehen für sich und bekommen so nun eine eindrucksvolle Wirkung.
Anmerkung: Leider ist zwar das Xantener Evangeliar als Digitalisat verfügbar , aber scheinbar macht die Seite Probleme. Auch vom Wiener Krönungsevangeliar wurde ein Digitalisat angefertigt, ist aber online nicht verfügbar. Wer mal 10.000 – 15.000€ zur Hand hat kann sich ja ein Faksimile kaufen und bekommt dann gleich auch noch ne Plexiglas hülle dazu. Das Evangeliar aus Brescia ist gänzlich unauffindbar (ein Bild fand ich in einem PDF der Bibliothek Brescia zu Weihnachten 2019…). Es ist daher etwas problematisch Beispielbilder zu bringen und das Schatzkammer Evangeliar online zu finden war mir auch nicht möglich. Ich muss daher leider etwas sparsam mit Vergleichsbildern sein.
Wiener Krönungsevangeliar
(verwandt zu Krönungsevangeliar:Evangeliar von Saint-Riquier ) (Aachen, vor 800) (Schatzkammer, Inv. XIII 18)
Wie das Evangeliar aus Saint Riquier auch, ist das Krönungsevangeliar auf pupurgefärbten Grund mit Gold und Silber beschrieben. Es handelt sich jedoch nicht um Purpur der Purpurschnecke! Wobei das eigentlich immer gilt.
Es wird wichtig sein wenn man sich die Figuren, ihre Fußstellungen, die Schemel, die Pulte usw. merkt. Sie werden das ein oder andere mal in Zukunft wieder auftauchen,(manchmal gemixt) so wie etwa um 860, als man in Freising ein Evangeliar erstellen lässt, das Evangeliar von Schäftlarn und Matthäus verieinfacht kopiert ( Bild hier ). Ich denke das ich dann aber dieses Bild als Gedächtnisstütze wieder hervorkrame.
Im Original sind die Bilder mittig auf einer wesentlich größeren Seite, von der Positionierung etwa wie beim Xantener Evangeliar
Schatzkammer Evangeliar
(Aachener Domschatzkammer Inv.-Nr. 4)
Das Schatzkammerevangeliar besitzt keine ganze Seite für jeweils einen Evangelisten. Alle Evangelisten wurden auf einer Seite gemeinsam dargestellt. Dabei erscheinen die Personen ein wenig anders als im Krönungsevangeliar, wenn aber genau schaut kann man feststellen das Lukas (unten rechts, erkennbar durch das Evangelistensymbol des Stiers) identisch mit Matthäus Krönungsevangeliars ist! Die Kanontafeln , das Inhaltsverzeichnis der Evangelien, sind hier nicht von Arkadenstellungen umgeben. Im Aachener Schatzkammer Evangeliar ist ein Architrav an ihre Stelle gerückt, der auf Säulen ruht.
Xantener Evangeliar
(Aachen vor 810) (Brüssel, Königl. Bibl. Ms. 18723) (https://uurl.kbr.be/1558106 ) (Beim letzten Test am 15.02.2023 hat der Link funktioniert!)
Auch beim Xantener Evangeliar findet das (künstliche) Purpur Verwendung, jedoch nur bei der Darstellung des Evangelisten Matthäus, auf dem folio davor befinden sich alle Evangelisten auf einem Blatt dargestellt, weitere Einzelbilder der anderen 3 Evangelisten fehlen hingegen. Wie man an der Abbildung des Matthäus sieht wurde die Zeichnung auch nie beendet. Ein Rahmen wurde vorgezeichnet aber nicht gemalt. Im Übrigen ist dieser Matthäus in Grundzügen identisch mit jenem aus dem Krönungsevangeliar, nur sitzt er hier auf einem Schemel und nicht auf einem Faldistorium. Diese minimalen Variationen werden immer wieder vorkommen.
Evangeliar aus Aachen/Aachener Evangeliar in Brescia
(Biblioteca Civica Queriniana Brescia , Brescia, Biblioteca Queriniana, Ms. E. II.9|Evangeliar aus Aachen )
Leider kann ich zu diesem Evangeliar keine weiteren Informationen bieten.
R. Berensen, The Exhibition of Carolingian Art at Aachen S163 ↩
Es sind einige frühe Marienikonen erhalten: Rom,Salus populi Romani https://de.wikipedia.org/wiki/Salus_populi_Romani#/media/Datei:SalusPopuliRomani2018.jpg , Bild nach Restaurierung, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/88/Virgin_salus_populi_romani.jpg vor Restaurierung , 6. Jh; Rom, Maria Advocata https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Advocata#/media/Datei:Madonna_Advocata.png 6.Jh.; Maria aus dem Katharinenkloster https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6d/Encaustic_Virgin.jpg 6. Jh. ↩
Koehler S 54 ↩
vgl. A. Rhoby, Text as Art? Byzantine Inscriptions and Their Display ↩
Ilka Mestmacher, Marmor, Gold und Edelstein – Materialimitation in der karolingischen Buchmalerei S333 ↩
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