Das Kataster um den Treburer Markt
Im Grunde ist der Versuch die Grundstücke um den Marktplatz zu rekonstruieren zum scheitern Verurteilt. Weder reichen die Unterlagen weit genug zurück, nachvollziehbar bis 1777, noch gibt es archäologische Grabungen oder etwa ein Kellerkataster mit dem man frühere Bauten nachvollziehen könnte.
Dennoch werde ich einen Versuch wagen.
Der damaligen Ortsbegehung nach, war das Siedlungsgebiet um die Pfalz herum zunächst auf die Nauheimer Straße und dann von der Friedhofstraße nach süd-westen führend in die Sackgasse der Groß-Gerauer Straße hinein begrenzt. Unklar ist dabei ob dieses Gebiet durch einen Graben oder irgendwie anderweitig geschützt war oder es lediglich eine Siedlungsgrenze darstellte.
Im späten 10. oder frühen 11. Jahrhundert wird das Gebiet ausgedehnt. Dies geschieht planmäßig. Als neues Erschließungsgebiet wird das Areal um den alten Marktplatz herum auserkoren. Das die Entscheidung auf dieses Gebiet fällt ist leicht verständlich. Es liegt zum einen an am Alten Mainzer Weg, der Straße nach Mainz (heutige Astheimer Straße), zum Anderen liegt es leicht erhöht und bietet eher Schutz vor starkem Hochwasser als andere umliegende Bereiche. Einzig der Reihengräberfriedhof aus fränkischer Zeit an dieser Stelle, musste verschwinden, wenn er denn überhaupt noch genutzt wurde und die Hauptbegräbnisstätte des Ortes nicht schon an den Kirchhof von St. Alban verlegt worden war.
Im gleichen Zug wie der neue Markt entsteht, verschwindet wohl auch ein Vorgängermarkt, der an der Stelle der heutigen Bäckerei Abels zu suchen ist. In alten Plänen ist zu erkenn das sie mit ihrem östlichen Anbau wie ein Fremdkörper in die Nauheimer- und Hauptstraße hinreagt. Übrig vom Markt blieb wohl das Backhaus, aus dem sich später die Bäckerei entwickelte , und ein Brunnen.
Aber schauen wir uns nun das Suburbium, das Neubaugebiet einmal näher an. Ich nutze hierzu zunächst das Urkataster aus den 1860er Jahren und zugehörige Besitzverhältnisse ab 1777 und den aktuellen Katasterplan. Archäologische Untersuchungen gibt es nicht, ebenso wenig ein Kellerkataster das Aufschluss über Alter von Kellern und Ausrichtungen von Vorgängerbauten geben könnte.
Ein großer Einschnitt in der Geschichte Treburs war der Brand von 1540. Jedoch ist nicht nachzuvollziehen wie stark der große Ortsbrand tatsächlich war. Schrieb Dieter Berges in „Trebur Geschichte und Geschichten“ Trebur wurde im Jahr 1540 durch ein verheerendes Großfeuer in Schutt und Asche gelegt(…)1 ist zumindest sicher, das weder Großes Haus, noch Laurentiuskirche oder Marienkapelle davon betroffen waren. Zwar soll man hin und wieder bei Kanal- oder Kabelarbeiten eine Brandschicht erkannt haben, so bei der Bäckerei Abels, muss ich aber doch gestehen das ich das bei bei anderen Bauarbeiten an gleicher Stelle nicht nachvollziehen konnte. Der Brand bleibt also ein gewisses Geheimnis.
Und dennoch ist anzunehmen das die Bebauung die sich bis ins 20 Jahrhundert hinein nördlich und südlich des Marktplatzes zeigte, wohl auf diesen Brand zurück zu führen ist. Von „überbordendem Reichtum einer ehemaligen königlichen Residenz“ ist hier nichts zu sehen.
Ein wenig scheinen die Fachwerkhäuschen die hier standen und zum Teil noch stehen, wie aus einem Katalog für Reihenhäuser. Im Schnitt etwa 8m breit und 12m lang, giebelständig, 2 oder 3 Fenster zur Front und zweistöckig. Größere Gebäude fehlen, bis auf die Gaststätte/Brauhaus Zum Erker und dem 1577 erbauten alten Radhaus, vollständig. Auch fehlt der Nachweis das es hier vor dem Rathaus einstmals ein anderes wichtiges Gebäude gegeben haben könnte. Besitzungen wie etwa der Hof des Stiftes Sankt Alban lassen sich erst im Ortsteil des 12./13. Jahrhunderts nachweisen.
Ebenso lassen sich aus den Unterlagen seit 1777 außer Brauhäusern und seit dem Ende des 19. Jahrhunderts einem Kolonialwarenladen (in einem ehemaligen Brauhaus) keine Handwerker oder Läden feststellen. 1777 bis 1794 gibt es noch ein Schlachthaus am heutigen Wilhelm Leuschner Platz 2, welches jedoch seine Tätigkeit mit dem Verkauf an den jüdischen Jonas Isaak Goldschmidt 1794 einstellt. Dieses Schlachthaus besteht jedoch nur aus dem heutigen Wohnhaus, ohne weiteres Grundstück oder Hof, was es als klassisches Schlachthaus relativ unbrauchbar macht. Es liegt auch nicht an einem Wasserlauf um Schlachtabfälle zu entsorgen. Es war wohl eher das Wohnhaus eines mobilen Schlachters der Hofschlachtungen vornahm. Das Grundstück wurde wohl aus einem, oder vielleicht aus beiden umliegenden Grundstücken herausgeschnitten.
Generell erscheint es als habe das Gebiet um den Markt, wohl auch durch die recht kleinen Grundstücke, an Attraktivität verloren. Bei einigen Grundstücken kann beobachtet werden, das es sich nur noch um „Dependancen“, vielleicht unterverpachtet, handelt, während der eigentliche Besitzer in einer größeren Hofreite im neuen Teil des Dorfes innerhalb des Burggrabens wohnt.
Gleichzeitig stellt diese bauliche Vernachlässigung des Marktes eine Chance dar. Da eine Überbauung der Grundstücke mit großen Renaissancegebäuden fehlt, könnten die Grundstücke einen Teil ihrer frühen Form behalten haben. Nach dem Brand wird es kaum zu einer Neuaufteilung der Grundstücke gekommen sein, niemand gibt freiwillig seinen Grund und Boden auf, weil es gebrannt hat.
Die Nordseite
Aber zunächst einmal ist die Nordseite des Marktplatz interessant. Erkennbar auf den Plänen ist eine relativ gleichmäßige Breite der Grundstücke. Die Länge der Grundstücke wird durch den Scheunenkranz begrenzt. Die Position des Kranzes ist bedingt durch eine Senke, von der angenommen wird das es sich um den ehemaligen Graben handelt. Etwas aus der Reihe fällt dabei die Hausnummer 11, das Gasthaus zur Krone. Ein traufständiges Haus, das als Brauhaus mit Anbau verzeichnet ist. Betrachtet man aber das Nachbargrundstück, so ist erkennbar das diesem Grundstück ein schmaler Streifen genommen wurde um ihn dem Nachbargrundstück hinzuzufügen. Mit diesem Streifen stimmt nun wieder die reguläre Grundstücksbreite. Aber auch die halbierte, westliche Haushälfte könnte nun die Position eines giebelständigen Gebäudes markieren, welches vor der Teilung hier gestanden haben könnte.
Auch wird der heutige Blick durch Hausnummer 8/9 verwirrt. Hier steht ein relativ modernes Mehrfamilienhaus das auf 2 Grundstücken liegt. Auch der Hof ist geteilt. Laut Kataster sind es noch 2 Grundstücke, diese scheinen aber inzwischen zusammengelegt. Auf alten Aufnahmen sind hier noch zwei kleine Fachwerkhäuschen zu sehen, wovon Nummer 9 zunächst ein Brauhaus, später dann Kolonialwarenladen wird.
Für die Nordseite des Marktplatzes ergibt sich also in der frühen Neuzeit ein Bild von kleinteiligen Parzellen mit einer Breite von ca 11m bis 15m auf denen giebelständig kleine Fachwerkhäuser mit max. 2 Stockwerken stehen. daneben führt ein Hoftor in den Hof, der ursprünglich nur hinter dem Wohnhaus noch mit Stallungen bebaut war und spätestens seit der Neuzeit mit einer Scheune abschließt. Dahinter liegt noch ein Gärtchen bis zum Burggraben zur Eigenversorgung. Diese Form wird bis zur Astheimer Straße 7 eingehalten. Nummer 7 steht bereits dort wo der Graben zu vermuten ist.
Dies zeigt sich auch durch die Verschmälerung der Astheimer Straße, sowie der inzwischen Bebauten Senke des Grabens westlich hinter dem Gasthaus zum Erker, welche auf Lidar Aufnahmen noch sehr gut zu erkennen ist.
Komplizierter erscheinen die Parzellen des heutigen Restaurants zum Erker. Als das Urkataster entstand, bestand noch der namensgebende Fachwerkbau mit auskragendem Erker der erst in 1962/63 bedauerlicher Weise abgerissen wurde. Das westlich gelegene Grundstück war möglicher weise Teil eines Walls (siehe dazu weiter unten) und in der Betrachtung eher nebensächlich. Die kleinen nördlich anschließenden Grundstücke waren möglicherweise im Ursprung wahrscheinlich nicht existent wodurch sich die Straße gleichmäßig zum Tor bzw. Brückenanlage verbreiterte.
Südlich des Rathauses
Im Süden, Bereich Hauptstraße 10-2 zeigt seich eine ähnliche kleinteilige, streifenartige Grundstückseinteilung wie im Norden des Marktes. Alle Grundstücke reichen auf ähnlich identische Tiefe nach Süden. Auch die Art der kleinen noch stehenden Fachwerkhäuschen ist identisch.
Kompliziert wird es bei Hausnummer 5 und 4. Beide zeigen sich heute als traufständige Gebäude mit Hofeinfahrt im Gebäude die über die komplette Breite der Grundstücke reichen. Die Breite der Grundstücksfront ist dabei wesentlich schmaler, als die der umliegenden Grundstücke. Beide Grundstücke zusammen haben dabei in etwa die Breite wie der östlichen Grundstücke. Ebenso liegen beide Grundstücke auf der Nordseite auf gleicher Höhe, während das Grundstück Nummer 2 etwa 1m südlicher liegt. Es macht den Anschein als habe Nummer 5 und 4 ehemals zusammen gehört. Drauf könnte auch der südliche Bereich der Grundstücke hinweisen. Auf dem Urkataster ist hier eine Grundstücksgrenze eingezeichnet die in Verlängerung der westlichen Grundstücksgrenze von Nummer 5. Dort ist das Grundstück jedoch nicht zu Ende! Es verläuft weiter nach Westen, entlang der Sackgasse der Groß-Gerauer Straße , noch weiter nach Süden und besaß auf einer heutigen Brache südlich der Groß-Gerauer Straße noch eine Scheune. Damit ist es das größte Grundstück im Osten Treburs.
Jedoch scheint alles nach und nach erworben zu sein. Die Besitzer sollten als wohlhabend gesehen werde, befinden sich doch Schultheißen und Bürgermeister darunter, zu dem war Hausnummer 4 eine Gaststätte und Brauerei, der Hessische Hof, und nach dem zweiten Weltkrieg die Rathaus Apotheke. Im Jahr 1825 war auch Hausnummer 5 für eine kurze Zeit wieder zu Nummer 4 gehörig. Das Hauptgrundstück gehört zu jenen auf denen sich auch noch heute ein steinerner Bau, ähnlich eines Turms unter Putz verbergen soll.
Die Grundstücke die an der Sackgasse der Groß-Gerauer Straße liegen sin problematisch in der Beurteilung. Der südliche Teil dürfte, wenn bebaut eher dünn bebaut gewesen sein. Zudem liegt er noch innerhalb der vorangegangen Entwicklungsstufe des Ortes. In Teilen sehe ich hier, bis hinunter zur Tuchbleiche die möglichen Lagerstätten der Pfalz, bzw. Scheunen zur Lagerung und Zum verladen von Waren.
Am Ende der Sackgasse Groß-Gerauer Straße liegt ein Grundstück von dem ebenfalls berichtet wurde, das sich dort ein turmähnlicher steinerner Bau befunden haben soll. Natürlich könnte das Grundstück von westen erschlossen worden sein, etwa mittels eines Pfades vor dem potentiellen Wall. Mir erscheint ein solcher Zuweg allerdings nicht schlüssig, so das ich in dem oben abgebildeten Plan das Grundstück aus der Gegenrichtung, der Sackgasse, erschließe.
Die Türme
Die Grundstücke die mit der alten Katasternummer 571/572 beschriftet sind, sind das Grundstück der Raiffeisen auf der sich das turmartige Gebäude gesichert befand. Ich habe das Grundstück zu einem zusammengefasst. 1825 wir das Gebäude, bei dessen Abriss der turmartiger Bau entdeckt wird, von Peter Merschheimer (Mersheimer) an den Schneider Peter Roth übertragen, jedoch nur kurzeitig, denn im selben Jahr wird das Haus auf Johannes Fückel III. überschrieben. Doch das nur am Rande.
Ich möchte aber sagen das ich mit den Turmbauten ein wenig Probleme bekomme. Ich habe in den letzten Wochenende jedes Buch im Regal, jedes wissenschaftliche Paper zum Thema dem ich habhaft werden konnte gelesen. Mich beschleicht so langsam der Verdacht das es sich bei den Gebäuden vielleicht gar nicht um lokale Adelssitze handelt. Der Grundriss des „Raiffeisen-Turms“ ist mit 6,27m x 7,01m verhältnismäßig klein. noch etwas kleiner als das ohnehin schon für seine Zeit kleine Gebäude Zürich III aus dem 11. Jahrhundert. Auf dem Aufriss oder den Skizzen ist zu dem kein Kamin zu erkennen ( wenn es nicht der seltsame Streifen auf dem Bild ist). Das Bildmaterial ist ohnehin übel in seiner Qualität und die Frankfurter Neue Presse, die mit Bildern berichtete hatte die Bilder auf Nachfrage meinerseits auch nicht mehr.
Möglicherweise handelt es sich dabei auch um Steinwerke, ursprünglich Speicherbauten des 12./13. Jahrhunderts die sekundär als Zufluchstort genutzt werden konnten und oft später als Kemenate mit Kamin versehen und zum Wohnbau wurden. Sie wären aber wohl auch im Zusammenhang mit der Pfalz zu sehen, als Lager für erwirtschaftete Güter, die zum Beispiel nach Mainz, Ingelheim oder Frankfurt transportiert wurden. Vielleicht liegt die Wahrheit der Bauten in Trebur aber auch irgendwo dazwischen. Hier müssten definitiv Bauforscher ran.
Ein Wall?
Ein gewisses Problem stellt die Randbebauung dar. Während der Graben gesichert ist, gibt es keine Hinweise auf eine Mauer. Im Gegensatz zum eigentlichen Pfalzgebiet, wo über mindestens 2 Grundstücke eine Mauer in der Art einer Schalenmauer beobachtet und zumindest skizziert wurde, fehlt ein ähnlicher Hinweis etwa von Grundstücken der Schmittgasse oder dem Bereich der Astheimer Straße. Im Modell habe ich mich für einen einfachen Wall entschieden. Dieser würde jedoch auf den Grundstücken östlich der Schmittgasse liegen und dort mindestens 3 Grundstücke aus dem Plan entfernen. Dennoch halte ich dies für die wahrscheinlichste Variante, da es im Urkataster zwischen den Grundstücken Hauptstraße 12/Schmittgasse 2 (ehemals ein Grundstück) und Schmittgasse 2a eine unbebaute Brache gab. Die Grundstücksnummer ist im Urkatasterplan gestrichen, dem Brandkataster von 1777 und auch später dem Grundstück Schmittgasse 2a zugeschlagen. Ebenso ließe sich die Wall-Theorie mit den Grundstücken westlich der Gaststätte Zum Erker in Einklang bringen.
Trebur Geschichte und Geschichten – Treburs Fachwerkbauten S73 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…