Die Tuniken im Stuttgarter Psalter
Nun , da ich aber wesentlich tiefer in die Materie eingedrungen bin, stelle ich mir durchaus die Frage was noch vom Stuttgarter Psalter an originär karolingischen bleibt, außer manchen Schilden, Flügellanzen und Schwertscheiden.
Zu diesem Problem zählen auch die Tuniken. 5 mal etwa ( 27v, 49v, 84v, 42v, 109r ) tauchen auf den Tuniken Clavi auf, die sich unter der Taille verjüngen und dann in einen Kreis auslaufen. In ihrer Darstallung entsprechen sie ziemlich ganau tatsächlich erhaltenen spätantiken Clavi. Scheinen also ihr Vorbild in der Spätantike zu haben.
Doch da ist mehr. Im Psalter tauchen immer wieder Tunika auf, deren Halsausschnitt nicht einfach nur rund gesäumt ist. Immer wieder ziehen sich davon Streifen über die Schulter zu den Oberarmen (3v, 7v, 19r, 23r, 63r … ) und sogar einmal auf dem Oberarm einen Ring bilden ( 17r)
Nun werden solche Tuniken nicht unbedingt den Karolingern zugeschrieben. Sie finden sich etwa auf der Silberschale von Isola Rizza, dem Siegelring des Rodchis, aber auch dem Kissufim Mosaik.

Auf der Schale von Isola Rizza werden zwei bärtige Männer mit eben solchen Tuniken von einem Reiter mit Lamellenpanzer angegriffen. Die Männer werden wahlweise als Langobarden oder Ostgoten angesprochen. Der Krieger wiederum als Ostgote, Langobarde, oder byzantinischer Krieger. Je nach dem welche Personen man in der Darstellung sieht, ändert sich auch die Datierung. Zur Zeit datiert man die Schale auf um 500, womit die von Menghin postulierten Langobarden aus dem Zeitfenster fallen. Es müsste sich daher um Ostgoten handeln, die gerade von Byzanz unter Belisar angegriffen wurden. Aber trugen die Ostgoten , die lange in Byzanz gelebt hatten und nun in Ravenna die höfische Pracht nachahmenten überhaupt solche Tuniken?
Der Rodchis Sigelring mit dem Brustbild des Rodchis, zeigt einen Bärtigen Mann mit Mitellscheitel. Der Ring wird auf die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts datiert und ist in diesem Fall tatsächlich Langobardisch.1 Bei dem sichtbaren Teil der Tunika des Rodchis kann man erkennen dass sich der Zierbelag am Hals bis auf die Arme verlängert.
Ein weitere Abbildung einer solchen Tunika, brachte nun für mich ein wenig mehr Licht in die Sache. Es hanndelt sich dabei um das Mosaik von Kissufim. Es handelt haldet sich dabei um das Bodenmosaik einer byzantinischen Kirche nahe Gaza, das 1977 entdeckt wurde. Hier ist zwei mal eine Person mit einer solchen Tunika zu sehen. Einmal reitend mit Lanze bei der Jagd auf einen Leopard, wobei die Verzierung der Tunika hier auch den Ring am Oberarm bildet und ein zweites mal zu Fuß im Kampf gegen einen Bären,. Hier nun ohne den Ring am Oberarm, dafür aber auch mit der Verlängerung der Zier auf dem Oberarm. Ein Textband auf dem Mosaik weist die Person und das Dargestellte als Alexander den Großen und seine Taten aus.
Aber es gibt noch wesentlich mehr über diese Mosaic zu sagen. Da ist zunächst die Datierung, die mit exakt 576 angegeben wird. Weder Zeitstellung noch Fundort lassen die Annahme einer langobardischen Tracht zu! Und das wird gleich noch richtig spannend! Festhalten!
Alexander trägt eine Spatha in der Hand. Ihr Griff weist am Ende einen Vogelkopf auf, ganz so wie bei der venezianischen Tetrarchengruppe, die aus Byzanz geklaut und nach Venedig geschafft wurde. Auch die Scheide seines Spathas, die an einem Schulterriemen hängt, spricht diese Sprache, den der Ort ist nicht spitz wie später, sondern bildet rechte Winkel. Und als wäre das nicht genug, trägt der Mann einen Viel- bzw. Mehrteiligen Gürtel. Eben jene Gürtel von denen es oftmals heißt, es wäre typisch langobardische Tracht, die von den Awaren übernommen wurde. Doch der Mann ist weder Langobarde noch Aware und seine Haartracht ist die eines Byzantiners mit Pagenschnitt. So wie der des Belisarius oder der Soldaten auf dem Mosaic Justinians I. aus Ravenna.
Mit so viel Widersprüchen hatte ich dann doch nicht gerechnet. Doch diese ließen sich dann doch leicht klären, denn dann stieß ich auf Christoph Egers Text ”Vielteilige Gürtel im südlichen und östlichen Mittelmeerraum”, erschienen in “Zwischen Byzanz und der Steppe”.
Demnach wurde die Tuniken mit “T-förmigen Besatz” zunächst als “barbarisch” allgemein und im speziellen Fall der Reitermosike von Bordj Djedid (Karthago) als vandalische Tracht gesehen.
Jedoch notierte Eger, bezugnehmend auf von Rummel:
“In der jüngsten Stellungnahme zu den Mosaiken von Bordj Djedid nannte von Rummel die tunica manicata mit mitlerem clavus (= mit T-Besaz ) einen festen Bestandteil spätantik- mediterraner Kleidung, „der zwar orientalischen beziehungsweise barbarischen Ursprungs war, sich aber im Laufe des 4. Jahrhunderts zu einer vornehmlich von Soldaten, Jägern und Landleuten getragenen Kombination entwickelte”.
Die vermeintlichen Vandalen sind also Byzantiner. Und auch auf diesem Mosaik wird ein, wohl früher, mehrteiliger Gürtel getragen 2, der im mittleren 6. Jahrhundert wohl im ganzen byzantinischen Reich Verbreitung fand! Die Byzantiner hatten ihn wohl aus dem Gebiet zwischen unterer Donau, dem nördlichen Schwarzmeerraum und dem Nordkaukasus übernommen. Von dort übernahmen ihn wohl auch die Awaren, vielleicht auch die Langobarden, die sich diese Gürteltracht auch über die Byzantiner im Exarchat Ravenna hätten aneignen können.
Durch diese ganzen Beobachten ergibt sich nun ein ganz neues Problem. Die im Stuttgarter Psalter abgebildeten Tuniken, waren demnach genauso im Byzanz des 5. und 6. Jahrhunderts verbreitet, wie sie eben im Stuttgarter Psalter abgebildet sind. Dies spricht dafür, dass sie auch eben so in der byzantinischen Vorlage des Psalters vorgekommen sein könnten. Doch wenn hier mindestens 200 Jahre alte Tuniken zu sehen sind, wie sahen dann die karolingischen Tuniken aus? Von Einhard wissen wir das Karls Tunika mit Seide gesäumt war. Auch der Grundschnitt sollte sich nicht wirklich von den Abgebildeten unterschieden haben. Dies verdeutlichen die Funde aus Haithabu und Bernuthsfeld. Es könnte also durchaus sein das die Franken und Langobarden sich die einstmalige Tracht von “Soldaten, Jägern und Landleuten” “barbarischen Ursprungs” übernommen hatten. Wenn sie nicht selbst der “barbarische Ursprung” waren.
Dennoch habe ich mich noch einmal schnell durch einige Abbildungen geklickt, wobei mir auffiel, dass oftmals gar keine Verzierungen oder Clavi zu sehen waren. So etwa beim Codex aureus von St. Emmeram (der aber auch spätantike Vorbilder nutzt), König David an einer Stelle des Goldener Psalters von St. Gallen, Anger MS18 usw. Letztendlich gehe ich aber davon aus, dass die Tuniken im Stuttgarter Psalter, sich von der Realität nur geringfügig unterschieden und daher nicht oder kaum angepasst wurden. Demnach wären die auffälligsten Veränderungen im Psalter das Anpassen der Waffen gewesen.
Jedoch war dies erst mein Einstieg in das Thema Kleidung im Psalter. Es gibt hier noch einige Themen die ich ausarbeiten muss. So zum Beispiel die „geschürzten“, hochgebundenen Tuniken, die Timm Weski in „Der Stuttgarter Psalter – (K)eine Quelle für die Archäologie des Frühmittelalters?“ als Zeichen der Fremdartigkeit betrachtet, ich jedoch dabei an spätere Darstellungen denken muss in denen Bauern bei der Arbeit ihre Tunika oftmals hochschürzen. Ein weiteres Fragezeichen habe ich bei den Tüchern, die hier und da zusehen sind (etwa gleich zu Anfang fol. 1r ) und die oftmals wie ein Handtuch um den Hals gelegt sind. Auch hier sieht Weski eine gewisse Fremdartigkeit oder ein Zeichen des Bösen. Kurz hatte ich gestern den Gedanken, dass das Eingangsbild auf fol1r mit dem gehobener Person links mit Chlamys und Person mit hochgeschürzter Tunika und „Handtuch“ um den Hals vielleicht nicht gut und böse darstellt, wie Weski es vermutet, sondern Arm und Reich. Dann wäre der rechte Mann ein einfacher Bauer und das Tuch wäre vielleicht wirklich nur ein Handtuch mit dem er sich den Schweiß der Arbeit von der Stirn wäscht. Aber das muss ich noch mal alles erörtern.
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…