Ruodperts Weg – Etappe 8 – Confessio (Beichte)
Roudperts Schlaf war so tief wie schon lange nicht mehr gewesen, obwohl der Boden hart und kalt gewesen war. Er hatte nach der großen Morgenmesse Hraban getroffen und bei ihm die Beichte abgelegt.
Nach der Beichte nahm Hraben Roudpert beiseite. Er führte ihn durch eine kleine Seitentür der Kirche und von dort ins Obergeschoss des Atriums. Hraban schaute aus einem der kleinen Fenster.
“Sie sieh dir an” , sagte Hraban, “wohl gekleidet und frisiert stolzieren sie einher und reiten mit ihren Pferden über die Fluren. Damit sie gesehen werden und mit ihrem Prunk angeben können. Nicht die Prozession unsereins wird sie interessieren, sondern der Festagsschmaus den sie zubereiten. Heute Abend werden sie Festmähler halten, doch nicht die Armen werden sie speisen. Sie werden ihres gleichen Bewirten, sich betrinken und bis tief in die Nacht heidnische Lieder gröhlen. Es stimmt mich traurig dich demütig und voll Reue zu sehen, während diese echten Sünder hier vor Gott heucheln. „
Hraban hatte recht. Immer wieder versuchten einige mit dem Pferd bis ins Atrium der Kirche zu reiten. Das Atrium glich mehr einem Jahrmarkt. Es wurde geschwatzt und gelacht. Man trug die teuersten Kleider. Nicht selten sah man Stoffe die wohl aus Byzanz kamen oder Pelze, die von Slawen oder Dänen hoch aus dem Norden erworben wurden. Frauen versuchten, bis ins Atrium zu drängen. Man zeigte sich kobaltblaue Perlenketten, die wohl aus Thüringen oder von den Slawen stammten. Goldene Ringe blitzten.
Sein Blick schweifte umher. Er musterte die Heuchler. So sah er auch Bernhard, diesen kleinen, schmierigen thüringischen Grafen, der einst aus Sachsen über Umwege nach Thüringen gekommen war. In indigoblauer Hose stolzierte er umher und sicherlich schmiedete er wieder Ränke und stachelte die Seinen auf. Er träumte wohl wieder von der Auferstehung des Thüringerreichs, das er als Sachse führen konnte oder pries den längst toten dux Widukind in einer seiner endlosen Lügengeschichten. Er konnte Hrabans Worte wahrlich nachvollziehen. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen und diese falschen Menschen waren Gottes Segen nicht wert. Und hätte er eine Spatha bei sich getragen, hätte er sicherlich nicht nur wie Jesus die Tische der Geldwechsler umgestoßen.
Ruodpert fragte sich ob er die Münzen, die neben dem Pergament in seiner Tasche ebenfalls eingenäht waren, an die Armen vor den Toren des Klosters verteilen sollte, wie er es geplant hatte. Doch da waren keine Armen. Nur prahlerische Menschen, die Vorgaben gute Christenmenschen zu sein. Die Münzen würden etwas besserem dienen. Vielleicht der Familie von Ringolf? Das war eine Idee, er würde sie ihnen auf dem Rückweg geben.
Noch immer stand Hraban neben ihm. „Entschuldige mich. Ich muss noch einiges erledigen. Unser ältester Mönch starb heute Nacht und seine Begräbnis muss vorbereitet sein, denn die Waschungen sind mit Sicherheit bereits beendet.“
“Dessimilatus?”, fragte Ruodpert. Hraban sah ihn erstaunt an, “Du kanntest ihn?”
“Nein, nicht wirklich, Aber ich sprach gestern Abend nach der Vesper mit ihm, am Oculus des Grabes des heiligen Bonifaz.”
Hraban sah ihn erstaunt an. “Er starb kurz nach der Vesper, aber er konnte seit Wochen das Bett nicht mehr verlassen. Bist du Dir sicher, dass es Dessimilatus war? ”
So gut es ging, beschrieb Ruodpert den Alten, den er gestern Abend gesehen hatte. Hraban griff Ruodpert bei der Hand und führte ihn ins Infirmatorium, wo der Tote, nur mit einem Tuch über den Lenden aufgebahrt lag. Sein Körper war übersät von Narben. Viele sahen nach Schnittwunden aus, andere nach den Narben, wie sie von Kriegspfeilen herrühren.
“Ja, das war er”, sagte Ruodpert” doch sagte er mir er habe nur eine Schlacht gekämpft, die ihn sein Leben lang verfolgte. Sein Körper sieht aber aus, als habe er ganze Kriege geschlagen.”
“Er war ein Mann voller Geheimnisse. Noch unter Abt Baugulf ist er hier ins Kloster gekommen. Seinen wahren Namen hat er niemandem je gesagt, aber er war ein sehr belesener Mann und voller Geheimnisse. Als Alkuin einmal hier im Kloster war, diskutierte er mit Dessimilatus drei volle Tage über das für und wieder verschiedener Bibelübersetzung, Apokryphen und den Talmut. Sie führten das Gespräch in fränkisch, gallo-romanisch, der Sprache der Angeln, griechisch und hebräisch! Auch mit unserem König Karl führte er einst ein ebensolches Gespräch über militärische Strategie. Er hatte die Bildung ein Abt zu sein können, doch hielt er sich stets im Hintergrund. Möge er seinen Frieden gefunden haben.” , Hraban bekreuzigen sich. Roudpert tat es ihm gleich und sagte leise ,”Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen”
“Vater?”, ein Mönch war an Hraban herangetreten und flüsterte ihm ins Ohr. Hraban drehte sich zu Ruodpert um, “Ruodbert, Freund, für dich ist ein Bote eingetroffen. Er wartet am Osttor auf dich”.Ruodpert schnaufte und machte sich auf den Weg.
Am Tor stand Billfried,einer seiner Vertrauten aus der heimatlichen Villa, mit Ruodberts schnellstem Pferd.
“Herr, gut das ich dich finde! Unser Herr der König und Kaiser ist in Franconofurt und er plant, in 7 Tagen ab heute unseren Hof zu besuchen. Der König bittet um deine Anwesenheit. Deshalb bin ich mit deinem schnellsten Pferd hergekommen, um dich zu informieren und euch das Pferd zu bringen.“, hastete Billfried, fast so als stünde der Kaiser direkt hinter ihm.
Ruodbert schnaufte erneut, “Ich werde morgen früh aufbrechen. Und du guter Billfried, wie kommst du nach Hause?” “Ich werde wohl laufen müssen, Herr”, sah ihn Billfried vorwurfsvoll an. “Guter Billfried, ich werde sehen was ich machen kann, damit Abt Hraban vielleicht eine familia mit einem Karren auftut, der dich zumindest mit nach Franconofurt oder Mogontiam mitnimmt. So lange werde ich eine Unterkunft für dich arrangieren lassen. Nutze die Zeit, die du nun hast für Gebete. Es wird auch sicherlich Dir gut tun, vor allem am Tag der Geburt des Herrn”
Billfried dankte ihm und Ruodpert ließ über Brun, den direkt am Tor auf der Suche nach Hraban traf, das Gesagte in die Wege leiten und Hraban informieren.
Ruodpert nahm noch ein eigenen Andachten teil und nutzte die Zeit die er hatte zum denken. Und er dachte viel.
Noch lange lag Ruodpert in dieser Nacht wach und dachte nach. Über diesen geheimnisvollen Mönch. Was hatte er wohl alles erlebt, in seinem langen Leben so grausam, dass er nicht darüber sprechen wollte. Vielleicht hatte er gerade deswegen Ruodpert den Rat gegeben, sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen und darüber zu sprechen, da für ihn seine Zeit abgelaufen war und er die Gelegenheit nicht genutzt hatte.
Aber er dachte auch über das Gesehene am Atrium nach. Die heuchlerischen Menschenmassen. Mit solchen Menschen, wie jenen in und vor dem Atrium der Kirche, und den Streitigkeiten zwischen Kaiser Ludwig und dessen Söhnen, war es fraglich, wie lange noch das Reich Karls des Großen Bestand haben würde. “Cum noctu de Franconia cogito, somnum perdo.”1 , sinnierte er.
Denk ich an Franken in der Nacht bin ich um den Schlaf gebracht ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…